Jede Kerbe kostet Geld. Damit ein Triebwerk die optimale Leistung erbringt, müssen die Oberflächen der Turbinenbauteile spiegelglatt sein. Schon feinste Unebenheiten erzeugen störende Turbulenzen, wenn die verdichtete Luft mit bis zu mehreren hundert Stundenkilometern darüber strömt. Auch bei der Fertigung der Blade Integrated Disks, kurz Blisks, ist höchste Präzision gefordert. Eine echte Herausforderung: Aus Titan-Scheiben mit mehr als einem Meter Durchmesser muss eine komplizierte Geometrie herausgefräst werden. „Schon minimale Schwingungen des Fräskopfs hinterlassen in der Oberfläche Riefen, die man nur durch aufwändige Nachbearbeitung eliminieren kann. Im schlimmsten Fall ist die ganze Blisk unbrauchbar – Ausschuss im Wert eines Kleinwagens“, erklärt Thomas Dautl, Leiter der Abteilung Fertigungstechnologien bei der MTU Aero Engines.
Die Rattermarken, die der Fräser hinterließ, haben ihm jahrelang Probleme bereitet: „Manche Blisks waren betroffen, manche nicht – niemand konnte sich das erklären.“ Erst als die Simulations-Experten sich der Sache annahmen, wurde das Rätsel gelöst: Mit Hilfe von Computermodellen fanden sie heraus, dass die Rotation des Fräskopfs Resonanzen in der Titanscheibe auslösen kann. Winzige Unterschiede in der Geometrie und der Zusammensetzung der Scheibe entscheiden darüber, ob sie zu schwingen beginnt und den Fräskopf von seiner vorgegebenen Spur ablenken. Die Simulationen zeigten auch, wie sich die unerwünschten Resonanzen verhindern lassen, beispielsweise durch den Einbau von Dämpfungselementen oder einer Veränderung der Bearbeitungsgeschwindigkeit. Die Produktion setzte diese Empfehlungen um und siehe da: Der Fräser hinterließ keine Rattermarken mehr.
Schlüsseltechnologie der Luftfahrtindustrie
Computerprogramme statt Trial and Error. Simulationen werden heute in der Luftfahrt routinemäßig eingesetzt, um die Aerodynamik von Flugzeugen zu optimieren, den Spritverbrauch zu senken, die Geräuschbelastung zu verringern, die Sicherheit zu erhöhen, Materialauswahl und Produktionsprozesse effizienter zu machen. „Numerische Simulationen sind eine Schlüsseltechnologie der Luftfahrt. Sie sind unersetzlich, wenn es darum geht, Triebwerke und Flugzeuge zu entwickeln, zu optimieren und schneller auf den Markt zu bringen“, erklärt Dr. Edmund Kügeler, Abteilungsleiter Numerische Methoden des Instituts für Antriebstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. „Verglichen mit dem klassischen Prüfstand haben Simulationen den Vorteil, dass sie kostengünstig sind: Man kann am Rechner Designs und Parameter durchrechnen, ohne kostspielige Versuchsobjekte bauen und teure Experimente durchführen zu müssen. Mit Simulations- und Optimierungstechniken lassen sich automatisiert im Computer optimale Lösungen finden.“