Frau Professor Weissenberger-Eibl, der Flug von München nach Hannover dauert eine knappe Stunde. Dazu kommen jedoch weitere Stunden für Fahrten zum und vom Flughafen sowie für Check-in, Einstieg und Ausstieg. Mit dem Zug brauche ich ungefähr die gleiche Zeit von Innenstadt zu Innenstadt. Was ist da noch toll am Fliegen?
Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl: Wenn man, wie ich, viel unterwegs ist, lohnt sich Fliegen immer dann, wenn ich tatsächlich Zeit einsparen kann oder wenn es keine wirkliche Alternative gibt. Ich spreche von internationalen oder transkontinentalen Flügen. Fliegen ist für mich nach wie vor faszinierend und aus der globalen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es verbindet Menschen und Kulturen. Innerdeutsch sollte jedoch genau geprüft werden, ob die Flugreise wirklich die beste Alternative ist. Am Fraunhofer ISI halten wir unseren ökologischen Fußabdruck beispielsweise auch hinsichtlich unserer Reiseaktivitäten in einem Nachhaltigkeitsbericht fest.
Wie kann und muss sich das System Luftverkehr weiterentwickeln?
Weissenberger-Eibl: Auch wenn der Lufttransport laut der Luftverkehrsorganisation der UN, ICAO, aktuell „nur“ zwei Prozent der weltweiten Verkehrsemissionen ausmacht, werden dringend Konzepte benötigt, die Carbon-Offsetting und die Reduktion von Treibhausgasemissionen tatsächlich möglich machen. Gerade unter der Annahme, dass die globale Flugverkehrsflotte sich bis 2050 verdreifachen wird, ist es unbedingt von Belang, so schnell wie möglich Lösungen zu finden. Eine Möglichkeit wäre klimaneutraler Biotreibstoff. Außerdem sollten energieeffizienzsteigernde Projekte wie die Arbeit an Antriebskonzepten, die erhebliche Treibstoffersparnisse versprechen, oder auch die Weiterentwicklung der Nurflügler ausgebaut und weiter realisiert werden.
Welche Player braucht es dazu? Welche Innovationen? Was muss sich verändern?
Weissenberger-Eibl: Ich denke hier natürlich zunächst einmal an die Gesetzgeber, etwa die Bundesluftfahrtbehörde der USA, die Federal Aviation Administration (FAA), aber auch an Biotreibstoff-Hersteller und -Lieferanten sowie Triebwerks- und Flugzeughersteller.
Allerdings muss man realistisch sehen, dass wirklich revolutionäre technische Innovationen zum Teil erst noch entwickelt werden müssen. Und gerade dadurch werden nicht-technische Maßnahmen, etwa organisatorische, umso mehr in den Fokus rücken. Emissionshandel kann hierbei zwar unterstützen, eine Minimierung werden wir so jedoch nicht erreichen. Wir alle müssen auch unser Verhalten grundsätzlich überdenken und hinterfragen. Am Fraunhofer ISI versuchen wir, Dienstreisen dort, wo es möglich und sinnvoll ist, zu minimieren, und beispielsweise durch Telefon- oder Videokonferenzen zu ersetzen.
Wie entstehen Innovationen eigentlich?
Weissenberger-Eibl: Innovationen entstehen aus ihrem Bedarf heraus, sie entwickeln sich aus einem funktionierenden technologischen Entwicklungssystem und auch aus Anwendungsnischen. Sie können von staatlicher Seite oder auch aus der Gesellschaft angestoßen werden, beispielsweise durch Förderprogramme und Investitionen in vielversprechende Technologien. Es geht also meistens um Technologien, für die ein Bedarf besteht, oder auch um Forschung und Entwicklung in gewinnorientierten Unternehmen.
Die meisten Innovationen sind also „nachfragegetrieben“, dabei spielt die Interaktion mit den Nutzern eine entscheidende Rolle, was wir seit einigen Jahren unter Open Innovation besprechen.
Was steht Innovationen im Weg?
Weissenberger-Eibl: Innovationen werden häufig durch Regulierungen gehemmt, die neue Technologien ausschließen. Ein weiterer Aspekt sind unter Umständen hohe Entwicklungskosten oder großer Aufwand für das Verändern von Strukturen etwa in Unternehmen. Der „Innovationsindikator 2015“, den das Fraunhofer ISI zusammen mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften acatech erhebt, hat aber auch andere Hemmnisse für Innovationen ausgemacht: So sind etwa die grundsätzlichen Bedingungen für die Forschung hierzulande noch verbesserungswürdig. Mehr Investitionen, die Fortführung von Forschungspakten, eine daraus resultierende größere Planungssicherheit für Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie eine bessere Koordination von Bund und Ländern im Hochschulbereich ziehen auch positive Impulse im gesamten deutschen Innovationssystem nach sich.