Seit Jahrzehnten werden in Zukunftsvisionen immer wieder abenteuerliche Fluggeräte präsentiert, die eher Rochen, Pfeilen oder gar fliegenden Untertassen ähneln. Die Flugzeuge von heute sehen aber weitgehend immer noch so aus wie zu Beginn der kommerziellen Luftfahrt. Wann ändert sich das?
Prof. Mirko Hornung: Die Frage ist doch: Muss sich das zwangsläufig ändern? Es macht doch nur Sinn, eine neue Flugzeugkonfiguration zu entwickeln, wenn diese insgesamt einen signifikanten Vorteil gegenüber der bekannten hat. Und darum sehen Flugzeuge heute immer noch ähnlich aus. Andere Konfigurationen sind eben nicht so viel besser, dass sich eine Umsetzung bisher wirklich gelohnt hätte. Wenn wir nur über ein paar Prozent Verbesserung reden, kann man das in der Regel auch über kontinuierliche Verbesserung erreichen. Dazu muss man auch klar sagen, dass die Branche nicht untätig war. Denn während sich im Äußeren seit der Boeing 707 im Wesentlichen nicht sehr viel verändert zu haben scheint, gilt das für das Innere eines Flugzeugs überhaupt nicht. In den letzten sieben Dekaden haben wir unsere Luftfahrzeuge intensiv verbessert. Wir haben seitdem den Kraftstoffverbrauch um fast 70 Prozent reduziert gegenüber den ersten Passagierjets wie der Boeing 707.
Welche Forschungsschwerpunkte und technologischen Entwicklungen werden denn Ihrer Einschätzung nach die Luftfahrt in den kommenden beiden Jahrzenten bestimmen?
Hornung: Die Luftverkehrsflotte wird sich allen Prognosen nach bis 2050 verdreifachen. Die Ziele, also 75 Prozent weniger CO2-Ausstoß, deutlich weniger Stickoxidemissionen und Lärmreduktion, sind gesetzt. Daraus ergeben sich die verschiedensten Themen. Das Flugzeug selbst ist da nur ein Teil des Gesamtpuzzles, da spielen auch die Flughäfen mit hinein, die Kraftstoffversorgung und das gesamte Verkehrssystem. Ein treibendes Element wird sicherlich die Weiterentwicklung von Energie- und Antriebssystemen sein. Da gibt es sehr vielversprechende Technologieansätze, die wir uns auch in Zusammenarbeit mit der MTU Aero Engines intensiv anschauen. Wir haben etwa gerade neue Kreisprozesse untersucht, so genannte Composite Cycles, in denen unterschiedliche thermodynamische Zyklen zusammengebracht werden, um den Wirkungsgrad eines Triebwerks noch einmal drastisch zu verbessern. Da scheint noch sehr viel Potenzial drin zu sein. Auch elektrisch-hybride Antriebe, also die Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotoren, sind natürlich ein Thema bei uns. In dem Bereich hat man vor ein paar Jahren noch gesagt: Funktioniert nicht für ein größeres Flugzeug. Diese Aussage kann man heute nicht mehr so stehen lassen.
„Es macht doch nur Sinn, eine neue Flugzeugkonfiguration zu entwickeln, wenn diese insgesamt einen signifikanten Vorteil gegenüber der bekannten hat.“
Moment, das heißt, Sie sagen: Elektrisch-hybride Antriebe funktionieren für ein großes Passagierflugzeug?
Hornung: Ja, theoretisch. Da muss man genau hinschauen. Es ist nachgewiesen worden, dass es grundsätzlich gehen würde. Eine der wesentlichen Aufgaben ist es jetzt zu schauen, wie wir die einzelnen Komponenten und Technologien weiterentwickeln müssen, was also dafür nötig ist, damit so ein elektrisch-hybrider Antrieb auch einen Vorteil für den Betrieb eines Flugzeugs bedeuten würde. Hierzu fehlt aktuell ein detailliertes Verständnis der dafür notwendigen Komponenten wie Batterien, Generatoren, Elektromotoren und angepasste Turbokomponenten.
Sie sprachen auch an, dass Flughäfen und die Infrastruktur rund um das Fliegen weiterentwickelt werden müssen.
Hornung: Ja, wir untersuchen zum Beispiel, inwieweit in der Bodenabfertigung von Flugzeugen, in der Wechselwirkung mit den Terminals und mit der Flughafeninfrastruktur noch Verbesserungen möglich sind. Das hängt auch mit den künftigen Größen der Flugzeuge zusammen. Ein anderes Thema, vor allem für Metropolen um die zehn Millionen Einwohner und mehr: Wie bekommen wir die Flughäfen wieder weiter ins Zentrum der Stadt? Heutzutage liegen sie in der Regel weit außerhalb. Das heißt: Der wesentliche Anteil des Verkehrs von Tür zu Tür ist der Weg zum und vom Flughafen. Gerade der Bodentransport wird in solchen Großstädten aber immer langsamer. Insgesamt führt diese Entwicklung dazu, dass der Luftverkehr auf kürzeren und mittleren Strecken an Konkurrenzfähigkeit verliert. Wie können wir das ändern? Ein wesentlicher Treiber wird da das Thema Lärmreduktion sein. Nur wenn Flugzeuge leiser werden, steigt die Akzeptanz für Flughäfen, die wieder näher an den Wohn- und Geschäftsgebieten sind und kürzere Vorlaufzeiten haben.