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Boeing 737: Wie ein einfacher Jet die Luftfahrt revolutionierte
Der Boeing-Zweistrahler dominiert nach ersten Anfängen 1968 bis heute den Luftverkehr wie kein anderes Flugzeug. Und das noch weit in die Zukunft, in immer neuen Versionen.
Autor: Andreas Spaeth | 5 Min. Lesezeit veröffentlicht am: 21.07.2025
Autor:
Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.

Ursprünglich wurde die Boeing 737 entwickelt, um den Komfort von Jetflugzeugen erstmals auch in kleinere Städte zu bringen – ganz in der Tradition der größeren Boeing-Modelle 707 und 727, die diesen Standard zuvor gesetzt hatten. Ihre Premiere feierte die damals noch kleine Maschine mit Platz für bis zu 82 Passagiere im Jahr 1967. In Form und Funktion wurde sie maßgeblich nach den Wünschen der Lufthansa konzipiert – ein Novum in der Geschichte der zivilen Luftfahrt. Noch nie zuvor hatte ein großer US-amerikanischer Hersteller ein neues Jet-Modell nicht auf Wunsch einer US-Fluggesellschaft, sondern nach den Vorgaben eines ausländischen Kunden entwickelt. Ein Coup: Nach nicht einmal zehn Jahre nachdem Lufthansa 1955 ihren Flugbetrieb wieder aufgenommen hatte, sagten die Deutschen dem weltgrößten Flugzeughersteller, wo es langgeht.
Doch erst ein Jahrzehnt nach ihrer Einführung im Jahr 1968 entwickelte sich die Boeing 737 mit der Deregulierung des US-Luftverkehrs 1978 zum weltweiten Bestseller. Nach dem Produktionsende der 727 avancierte sie rasch zum meistverkauften Verkehrsflugzeug überhaupt. Bis April 2025 wurden rund 12.060 Exemplare aller 737-Baureihen ausgeliefert. Die Produktion läuft bis heute – aktuell in Form der Varianten 737 MAX 7 bis MAX 10, für die zu diesem Zeitpunkt noch über 4.700 Bestellungen ausstanden. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte für ein ursprünglich schlicht konzipiertes Flugzeug, die in diesem Ausmaß niemand vorausgesehen hatte. Die Boeing 737 ist seit Jahrzehnten das meistgebaute Flugzeug der Welt.
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Die CFM56-Triebwerksfamilie umfasst fünf verschiedene Modelle, die Schubklassen von 18.500 bis 34.000 Pfund abdecken. Einsatz finden CFM56-Triebwerke in der zweistrahligen Airbus A320-Familie, in der ersten Generation des Langstrecken-Jets A340-200/-300 sowie in der Boeing 737 Classic und 737 Next Generation.
Anfangs wurde die Boeing 737-100 belächelt: Ihre Spannweite entsprach ihrer Länge, was ihr ein gedrungenes, beinahe pummeliges Erscheinungsbild verlieh. Doch über mehr als ein halbes Jahrhundert hat das Design der 737 eine bemerkenswerte Evolution durchlaufen. Während die Vorderkante des Seitenleitwerks bei den frühen Modellen 737-100 und -200 noch in einem sanften Bogen von oben nach unten verlief, wurde sie ab der 737-300 durch einen markanten Knick ersetzt – eine Anpassung an den längeren Rumpf, der eine geringere Hebelwirkung erforderte. Ebenfalls auffällig war der Wandel der Triebwerksgondeln: Statt wie zuvor zigarrenförmig unter den Tragflächen zu hängen, rückten sie ab der 737-300 weiter nach vorn und wurden deutlich voluminöser. Wegen der geringen Bodenfreiheit erhielten sie den charakteristischen Fischmaul-Lufteinlass – ein aerodynamisches Merkmal, das seither typisch für die 737 ist.
Zwei schwere Rückschläge erlebte die Boeing 737-Familie mit der Einführung der MAX-Serie. Nach zwei Abstürzen in den Jahren 2018 und 2019 wurde das Modell weltweit vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Die Ursache lag in der neuen Flugsteuerungssoftware MCAS, die nach umfassenden Überarbeitungen und zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen international nach fast 20 Monaten wieder zugelassen wurde.

Die an der Boeing 737 eingesetzten Winglets sind aerodynamische Verlängerungen der Flügelspitzen, die den Luftwiderstand verringern und dadurch den Treibstoffverbrauch senken.

©Andreas Spaeth
Der Prototyp der Boeing 737-100 mit dem Kennzeichen N73700 absolvierte am 9. April 1967 als erstes Flugzeug der 737-Familie seinen Erstflug.


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Boeing 737 – Zahlen, Daten, Fakten
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Boeing-Ingenieur Joe Sutter, später als „Vater der 747“ bekannt, war auch für das Design der 737 verantwortlich. Ursprünglich mit T-Leitwerk und Hecktriebwerken geplant, verlegte er die Triebwerke unter die Flügel. Rund 60 Prozent der Struktur und Systeme übernahm er von der 727, deren Rumpf auf der 707 basierte.
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Der Prototyp der Boeing 737-100 mit dem Kennzeichen N73700 flog später für die NASA und ist bis heute erhalten – als Ausstellungsstück im Museum of Flight am Boeing Field in Seattle.
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Ursprünglich wurde die 737 mit ausklappbaren Treppen an den Türen ausgeliefert – viele Flughäfen verfügten damals noch nicht über Fluggastbrücken, und so ließ sich die Maschine ohne Bodengerät schneller abfertigen. Auch das Fahrwerk war bewusst kurz gehalten, damit das Ladegut in den unteren Frachträumen vom Boden aus per Hand verladen werden konnte.
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Ein typisches Merkmal aller 737-Modelle sind die im eingefahrenen Zustand sichtbaren Hauptfahrwerksräder. Anders als bei vielen anderen Flugzeugen werden sie nicht vollständig von Klappen abgedeckt und bleiben im Flug gut erkennbar.
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Alle modernen 737 verfügen über spezielle Winglets, die an den Flügelenden nach oben und unten gebogen sind. Bei der MAX-Version heißen sie „Advanced Technology Winglets“ und ermöglichen bis zu 5,5 Prozent Treibstoffeinsparung.
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Laut Boeing befinden sich jederzeit über 2.800 737 in der Luft – etwa alle anderthalb Sekunden hebt irgendwo auf der Welt eine ab. Insgesamt hat der Flugzeugtyp bereits mehr als 30 Milliarden Passagiere befördert – rechnerisch also jeden Menschen auf der Erde viermal.
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Die Rumpflänge ist von 28,65 Metern bei der 737-100 auf 43,80 Meter bei der 737 MAX 10 gewachsen. Die maximale Passagierkapazität stieg von 124 auf 230.
Boing 737

Boing 737
- Typ:
- Zweitstrahliges Schmalrumpfflugzeug
- Hersteller/Herkunft:
- Boeing Commercial Airplanes, Seattle/USA
- Erstflug:
- 9. April 1967 (737-100)
- Indienststellung:
- 10. Februar 1968 (737-100 bei Lufthansa)
- Produktionszeit:
- 1967 bis heute
- Anzahl gebaut:
- 12.060 (alle Varianten, Stand April 2025)
- Länge:
- 39,47 Meter (737-800)
- Spannweite:
- 34,32 Meter (737-800 ohne Winglets)
- Reichweite:
- ca. 5.500 Kilometer (737-800)
- Reisegeschwindigkeit:
- 838 km/h (737-800)
- Sitze (typisch/maximal):
- 175/189 (737-800)
Die Triebwerke der Boeing 737: CFM56 und LEAP-1B
Das CFM56 ist eines der erfolgreichsten und meistgebauten Flugzeugtriebwerke der Welt. Es wurde von CFM International, einem Joint Venture zwischen GE Aerospace und Safran Aircraft Engines, entwickelt. Seit dem Erstflug 1974 wurden über 30.000 Triebwerke ausgeliefert. Dabei kommt es nicht nur in der Boeing 737 (CFM65-3/CFM56-7) zum Einsatz, sondern auch in der Airbus A320ceo-Familie (CFM56-5). Die Betreuung des CFM56-7B erfolgt bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg (Deutschland) und der MTU Maintenance Zhuhai (China).
CFM56

CFM56
- Typ:
- Zweiwellen-Zweistromtriebwerk
- Max. Schub:
- 34.000 lbf
- Max. Druckverhältnis:
- 25,2:1
- Fan-Druchmesser:
- 1,6 m
- MTU-Kompetenzen:
- Instandsetzung durch die MTU Maintenance Zhuhai (CFM56-5B/-7B), MTU Maintenance Berlin-Brandenburg (CFM56-7B) sowie On-Site-Service Aktivitäten.
Das LEAP-1B ist ein modernes Zweiwellen-Zweistromtriebwerk, das exklusiv für die Boeing 737 MAX entwickelt wurde. Es gehört zur LEAP-Triebwerksfamilie von CFM International. Die LEAP-Serie ist der Nachfolger der erfolgreichen CFM56-Triebwerke und wurde entwickelt, um den steigenden Anforderungen an Treibstoffeffizienz, geringere Emissionen und niedrigere Betriebskosten gerecht zu werden. Die MTU ist über ihre Tochtergesellschaft MTU Maintenance Zhuhai (China) sowie künftig auch über die MTU Maintenance Fort Worth (USA) für die Instandhaltung der LEAP-1B-Triebwerke zuständig.
LEAP-1B

LEAP-1B
- Typ:
- Zweiwellen-Zweistromtriebwerk
- Max. Schub:
- 28.000 lbf
- Druckverhältnis:
- 41:1
- Höhe:
- 2,3 m
- MTU-Kompetenzen:
- Instandsetzung durch die MTU Maintenance Zhuhai sowie On-Site Service Aktivitäten.
Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth erinnert sich
Seit ihren frühen Tagen bei Lufthansa hat sich rund um die 737 eine ungewöhnlich vielfältige Sammlung an Kosenamen entwickelt – meist geprägt von den Piloten selbst. Vom Marketing zunächst als „Olympia Jet“ betitelt, wurde sie später offiziell als „City Jet“ vermarktet. In den Cockpits jedoch war sie einfach nur der „Bobby“.
„Seit ihren frühen Tagen bei Lufthansa hat sich rund um die 737 eine ungewöhnlich vielfältige Sammlung an Kosenamen entwickelt – meist geprägt von den Piloten selbst.“
Manche behaupten, das sei ein Akronym für Boeing-Baby – das stimmt aber nicht. Der Name geht tatsächlich auf ein Kinderbuch zurück, das Lufthansa 1967 veröffentlichte: „Bobby Boeing spreads his wings“. Darin ist der Protagonist eine kleine, neugeborene 737. Ebenfalls beliebt war der Spitzname „Schweinchen“ – eine Anspielung auf das anfangs pummelige Erscheinungsbild der Maschine. All diese Namen sind letztlich Ausdruck echter Zuneigung.