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„Im Inno Lab beschleunigen wir Innovationen“
Dr. Carsten Subel, Leiter des Inno Lab bei der MTU, über die globale Suche nach Technologie-Trends und die Bedeutung einer Unternehmenskultur, in der Innovationen gedeihen.
03.2020 | Autor: Thorsten Rienth | 5 Min. Lesezeit
Autor:
Thorsten Rienth
schreibt als freier Journalist für den AEROREPORT. Seine technikjournalistischen Schwerpunkte liegen neben der Luft- und Raumfahrtbranche im Bahnverkehr und dem Transportwesen.
Herr Subel, die MTU ist weltweit bekannt für ihre fortschrittliche Triebwerkstechnologie. Wozu benötigt sie ein eigenständiges Inno Lab?
Dr. Carsten Subel: Die MTU ist ein kreatives und innovatives Unternehmen. Unsere Entwicklungsingenieure testen seit Jahrzehnten die Grenzen der Ingenieurswissenschaften aus und verfügen über ein exzellentes Netzwerk mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Das Inno Lab steht nicht im Wettbewerb zu unseren Entwicklungsabteilungen. Es erweitert unsere Innovationsfähigkeiten und hat Prozesse, Produktverbesserungen, neue Services und Geschäftsmodelle im Blick. Es ist ein zweites Gleis, auf dem wir Ideen intern beschleunigen können. Einer unserer Slogans lautet: „New ideas quickly prototyped“ – wir entwickeln Ideen schnell zu Prototypen. Allerdings geht es uns nicht nur um Ideen, sondern um Innovationen. Zu einer Innovation wird eine Idee erst, wenn sie vom Kunden angenommen wird und sich durchsetzt. Mit den Prototypen können wir gut prüfen, ob eine reale Nachfrage für ein neues Produkt oder eine Idee besteht. Geschwindigkeit ist unser Wettbewerbsvorteil.
Richtet sich das Inno Lab eher an interne oder an externe Kunden?
Subel: Wir richten unser Augenmerk stark nach innen. Wir sind kein Dienstleister, der externe Kunden ansprechen möchte. Wir sorgen dafür, dass neue Themen bei der MTU angenommen werden. Grundsätzlich verfolgt das Inno Lab drei Ziele: Wir suchen nach Trends. Wir generieren Ideen. Und wir fördern eine Unternehmenskultur, in der Innovationen gedeihen.
Inno Lab: bietet Freiraum – Verbindet Kompetenzen
Viel Raum für Ideen: Das Inno Lab der MTU befindet sich nicht direkt auf dem Werksgelände in München, grenzt aber unmittelbar an dieses an. In seinen hellen Räumen ist alles so angelegt, dass kreativ gearbeitet werden kann. Eine gemütliche Küche dient dem Socializing. In der „Pitching Area“ gibt es eine kleine Tribüne für Publikum und eine Bühne, auf der neue Konzepte vorgestellt werden. Und es gibt einen Bereich in dem ein 3D-Drucker, auf dem Prototypen hergestellt werden können, untergebracht ist.
Ideen lassen sich generieren?
Subel: Auf sehr vielfältige Weise sogar! Ideen können beispielsweise zu jeder Zeit von jeder Kollegin und jedem Kollegen bei der MTU zu uns getragen werden. Vor einigen Wochen hat das Inno Lab zu einem „Call for Ideas“ aufgerufen. Viele MTU-Mitarbeiter haben Ideen eingereicht und in sogenannten Pitches persönlich für sie geworben. Die Bandbreite an Vorschlägen war enorm. Sie reichten von konkreten Produktentwürfen wie einem bionischen Wärmetauscher über ein neues Lichtkonzept, das die Gesundheit der Mitarbeiter fördert, bis hin zu verbesserten Kommunikationsabläufen, die auf der Interaktion über digitale Plattformen basieren. Ideen können sich auch erst aus der Vielzahl von Einzelgesprächen ergeben. So ist uns in vergangenen Monaten aufgefallen, dass es ein Thema gibt, mit dem sich Kollegen aus den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen bereits beschäftigen, weil sie großes Potenzial in ihm erkennen: „Machine Vision“, das „maschinelle Sehen“.
Worum handelt es sich dabei?
Subel: Darunter versteht man die computergestützte Lösung von Aufgaben, die sich an den Fähigkeiten des Menschen orientiert, zu sehen – und dann zu handeln. Vereinfacht gesprochen handelt es sich um Kamera-Computer-Systeme, die Abweichungen in Materialien erkennen oder Bauteile nach einer Demontage automatisch erfassen. Es ist ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz. Wir haben erkannt: Bei der MTU gibt es reihenweise Anwendungsmöglichkeiten für Machine Vision. Und es gibt einige an der Technologie interessierte Kollegen, die wir nun zusammenführen können. Das Thema war also geradezu prädestiniert, um vom Inno Lab als Innovationsbeschleuniger gefördert zu werden.
„Im Inno Lab identifizieren wir zunächst eine Technologie mit Potenzial, dann machen wir konkrete Anwendungsfelder für sie bei der MTU aus.“
Künstliche Intelligenz ist zweifellos eines der spannendsten Themen der Gegenwart. Sie haben erwähnt, dass Sie im Inno Lab nach globalen Trends scouten. Warum ist das wichtig?
Subel: Beim Scouting geht es zunächst einmal darum, dass wir aufmerksam sind und keine Technologien verschlafen, die anderswo bereits erfolgreich eingesetzt werden. Zusätzlich versuchen wir frühzeitig zu erkennen, wenn sich neue Trends am technologischen Horizont abzeichnen. Hierfür zapfen wir neue Quellen an. Wir recherchieren zum Beispiel, ob es in jüngster Zeit in einem Bereich eine auffällig hohe Zahl neuer Patentanmeldungen gegeben hat. Wir schauen uns auch an, an welchen Themen Start-Ups arbeiten. Oder wir werten im Internet aus, welche Trends Unternehmen und Menschen weltweit antreiben, suchen so nach Megatrends und deren konkreten Anwendungen für uns. Mobilität ist zum Beispiel ein Megatrend, Konnektivität ein anderer. 2019 kreisten die Trends oft um das Zusammenwirken von Mensch und Maschine. Wenn uns ein Trend schon bewusst ist, erfahren wir so, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und wenn uns ein Trend noch nicht bewusst ist, greifen wir ihn auf. Im Inno Lab identifizieren wir zunächst eine Technologie mit Potenzial, dann machen wir konkrete Anwendungsfelder für sie bei der MTU aus. Im Falle der Entwicklung von Machine Vision haben wir parallel Start-Ups kontaktiert und an Bord geholt – im kreativen Austausch entwickeln wir jetzt Prototypen.
Und dieser Austausch fördert die kreative Unternehmenskultur, die Sie sich zum Ziel gesetzt haben?
Subel: Exakt. Uns geht es stets um einen Spannungsbogen zwischen Problem und Lösung. Nicht jeder, der zu uns kommt, hat eine Idee. Genauso wertvoll sind für uns diejenigen Kollegen, die auf Probleme hinweisen. Wer ein Bewusstsein für Innovationen entwickelt hat, kann im Austausch mit anderen auf völlig neue Ideen kommen. Auch ganz zufällig, beim Mittagessen.
Haben Sie das so erlebt?
Subel: Neulich saßen zwei Kollegen in der Kantine zusammen. Der eine berichtete von seinem Hobby, der Astrofotografie: Es sei sehr schwierig, zwei helle Sterne vor einem dunklen Hintergrund abzulichten, da sich die Lichtquellen gegenseitig überstrahlen. Allerdings sei das Problem lösbar, berichtete der Kollege, er besitze eine entsprechende Filter-Software, mit der sich die Überstrahlung reduzieren lasse. Nun wurde wiederum der andere Kollege hellhörig, weil er bei der MTU die Problematik kennt, dass sich bei der optischen Qualitätsprüfung Fehlstellen auf spiegelnden und glänzenden Turbinen-Schaufeln nur schlecht erkennen lassen. Mit der Idee, dass sich diese Technologie auch bei der MTU anwenden ließe, sind die Kollegen zu uns ins Inno Lab gekommen.