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Blended Wing Body: Zukunft der Passagierflugzeuge?

Anstelle als Röhre mit Flügeln könnten Flugzeuge bald als Blended Wing Body in einer Tragflügelfunktion abheben. Das Versprechen: bis zu 50 Prozent weniger Verbrauch.

11.2024 | Autor: Andreas Spaeth | 6 Min. Lesezeit

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Andreas Spaeth ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.

Flugzeuge sind Meisterwerke der Ingenieurskunst. Sie nutzen die Prinzipien der Aerodynamik, um trotz ihres Gewichts Auftrieb zu erzeugen und den Luftwiderstand zu minimieren. Moderne Flugzeuge erreichen das durch ihre Tragflächen, während der Rumpf und andere Teile, wie Triebwerke und Leitwerk, den Luftwiderstand erhöhen und die perfekte Aerodynamik stören. Wie ideal wäre es also, das gesamte Flugzeug als eine einzige Auftriebshilfe zu gestalten? Ein großer fliegender Flügel, in dem alles integriert ist – der sogenannte Nurflügler – diese Idee faszinierte Ingenieure schon vor über hundert Jahren: Bereits 1910 meldete der deutsche Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers sein Nurflügel-Patent an, das 1912 veröffentlicht wurde.

Und Junkers beließ es nicht bei der Theorie: Schon 1929 brachte er das damals größte Verkehrsflugzeug an den Start: die riesige Junkers G 38. Ihr sogenannter „dicker Flügel“ – mit 44 Metern Spannweite – konnte neben Motoren und Treibstofftanks auf jeder Seite noch sechs Passagiere unterbringen, die eine hervorragende Aussicht nach vorn hatten. Klassische Nurflügler gibt es heute nur beim Militär, wie die US-Tarnkappenbomber Northrop B-2 und B-21. Sie verzichten auf ein gesondertes Höhen- und Seitenleitwerk und vereinen Rumpf und Tragflächen in einer fließenden Form, die einem Flügel ähnelt.

Junkers G 38: Das erste Flugzeug wurde im Oktober 1929 fertiggestellt. Nach ersten Rollversuchen am 4. November 1929 fand zwei Tage später der Erstflug mit Chefpilot Wilhelm Zimmermann statt.

Blended Wing Body für Passagierflüge

Für die zivile Nutzung bietet sich eine Zwischenform aus Nurflügler und üblichem Flugzeug an, der sogenannte Blended Wing Body (BWB). Dieses Konzept verbindet die herkömmliche Kombination aus Röhre und Flügel mit den Eigenschaften des Nurflüglers. Beim BWB dominiert ein abgeflachter, aerodynamisch geformter Rumpf, der fließend in den Flügel übergeht. Solche Flugzeuge wurden bisher nur als verkleinerte Experimentalflugzeuge im Modell erprobt, wie die X-48 von NASA und Boeing, die Maveric von Airbus oder die BWB-300 des chinesischen Herstellers Comac.

Seit 2021 arbeitet das US-Start-up JetZero an einer neuen BWB-Generation, dem Pathfinder. Mit Finanzierung durch die US-Luftwaffe, die NASA und die US-Luftfahrtbehörde FAA ist dies das konkreteste Projekt einer neuen Form für Passagierflugzeuge. Der Pathfinder soll etwa 250 Passagiere befördern und den Markt bedienen, in dem bisher die Boeing-Typen 767 und 787-8 unterwegs sind.

Aktuelle Nurflügler- und BWB-Konzepte


JetZero Pathfinder

Airbus ZeroE BWB

Flying V

Bombardier EcoJet

Das Start-up JetZero aus Long Beach in Kalifornien hat derzeit das konkreteste Projekt eines BWB in der Designphase: Die US Air Force investierte 235 Millionen US-Dollar in den sogenannten Pathfinder, der von der Größenordnung her zwischen dem Airbus A321 und der Boeing 767 angesiedelt ist. In ihm könnten maximal 250 Passagiere in Reihen mit bis zu 15 Sitzen Platz finden. Die Luftwaffe plant, es als Fracht- oder Tankflugzeug zu nutzen. Mit Alaska Airlines hat die erste Fluggesellschaft bei JetZero investiert, auch easyJet ist mittlerweile Partner – beide angelockt durch die angestrebten 50 Prozent Treibstoffersparnis. 2027 soll ein Modell im Maßstab 1:8 zu Testflügen aufsteigen. 2030 soll dann schon das Original starten.

2020 hat Airbus mit ZeroE ein Programm vorgestellt, das bis 2035 ein emissionsfreies Flugzeug hervorbringen soll, zumindest zu Testzwecken. Der Entwurf eines BWB ist die am häufigsten gezeigte von drei möglichen Varianten. Abheben soll dieses Flugzeug laut Airbus aber nicht. Bereits 2019 hatte Airbus Flugtests mit einem BWB-Modell von 3,20 Meter Spannweite und dem Projektnamen Maveric durchgeführt.

Dieser v-förmige Nurflügler entstand im Zuge einer von Airbus geförderten Promotion an der Universität Delft in den Niederlanden und wird seit 2020 offiziell von KLM unterstützt. Von der Größe her entspricht das fliegende V etwa einem Airbus A350-900 und soll bei 65 Metern Spannweite und 55 Metern Länge bis zu 314 Passagiere befördern. 2020 gab es Flüge eines maßstabsgerechten Modells – danach ist es um das Konzept still geworden.

Seit 2022 experimentiert Bombardier, einer der größten Anbieter von Business Jets, unter dem Namen EcoJet an einem BWB-Konzept für Geschäftsreiseflugzeuge. Für Testflüge mit Miniatur-Jet-Triebwerken wird ein auf 15 Prozent der Originalgröße verkleinertes Modell genutzt, das eine Spannweite von 5,50 Meter hat. Seit Herbst 2023 läuft die zweite Testphase und soll noch einige Jahre dauern. Ziel ist auch hier eine 50-Pozent-Einsparung beim Verbrauch.


2030 soll der Pathfinder mit Passagieren starten

Im Entwurf von JetZero soll das Flugzeug nicht länger sein als aktuelle Schmalrumpfjets, wie die A321 von Airbus oder die Boeing 757, jedoch eine beeindruckenden Flügelspannweite von 58 Metern haben. Hersteller ist Scaled Composites, bekannt für das weltgrößte Flugzeug Stratolaunch sowie die Träger- und Raumflugzeuge von Virgin Galactic. Ein verkleinertes Demonstrationsmodell des Pathfinders ist bereits im Bau und soll 2027 seinen Erstflug absolvieren. Die Indienststellung ist für 2030 geplant.

Dabei wird zwar die Flugzeugform revolutionär sein, die dahinterstehende Technik jedoch nicht: „Wir werden uns stark auf bestehende Bauteile stützen. Die große Innovation ist das Flugzeug selbst“, erklärt Tom O’Leary, CEO und Mitgründer von JetZero. „Dadurch, dass wir schon vorhandene und zertifizierte Komponenten, wie Turbofan-Triebwerke für Schmalrumpfflugzeuge, verwenden, beschleunigen wir den Entwicklungsprozess.“ Beim Basismodell hat sich JetZero für das Pratt & Whitney PW2043 entschieden.

Infrastruktur-Kompatibilität: Das JetZero-Flugzeug mit Blended-Wing-Technologie fügt sich nahtlos in die bestehende Flughafeninfrastruktur ein. Sein Design passt zu den vorhandenen Start- und Landebahnen und Gates.

Wasserstofftanks im BWB leichter unterzubringen

Auch Alaska Airlines und der britische Billigflieger easyJet setzen für die Zukunft auf den BWB. „Er bietet das Potenzial, die Effizienz zu maximieren und dabei Treibstoffverbrauch und Emissionen um bis zu 50 Prozent zu senken“, erklärt David Morgan, Chief Operating Officer von easyJet. „Die Möglichkeit, den Pathfinder in Zukunft auch mit Wasserstoff zu betreiben, spielt eine wichtige Rolle.“ Die geschwungene Form des BWB kann nämlich voluminöse Wasserstofftanks platzsparender aufnehmen. „Das bietet Airlines wie easyJet die Chance, mit einem etwas größeren Flugzeug Wasserstoff und die gleiche Anzahl an Passagieren wie heute zu befördern“, so O’Leary.

Die Airline-Partner müssen klären, wie die Abfertigung des Pathfinders auf Flughäfen aufgrund der erheblichen Flügeldimensionen ablaufen könnte. „Man kann kein Großraumflugzeug an einem easyJet-Terminal abfertigen“, sagt O’Leary, „aber mit dem Pathfinder ist das möglich. Man muss vielleicht die Leitlinien am Boden und die Fluggastbrücken verschieben, aber es wird im gleichen Terminal stattfinden.“ Er ist sich sicher: „Die Einführung des BWB kann nicht am Widerstand scheitern, neue Linien auf das Vorfeld zu malen.“

Einsparungsnachweis fehlt bisher

Claus Zeumer, Flugzeuganalyst in der Abteilung Geschäftsentwicklung und Strategie bei der MTU Aero Engines in München, verfolgt die Entwicklung interessiert: „BWBs versprechen strukturelle und aerodynamische Vorteile. Den Nachweis, dass unter Berücksichtigung aller Anforderungen ein besseres Flugzeug herauskommt, müssen diese Konzepte jedoch erst noch leisten.“ JetZero spreche von einer Treibstoffeinsparung von bis zu 50 Prozent: „Das ist ein schwer nachvollziehbarer Wert.“

Die Liste der Herausforderungen für den Linienbetrieb mit einem BWB ist lang. Die Kabinen werden mit weniger Fenstern auskommen müssen – eine erhebliche Umstellung für die Passagiere. Vor allem am Rand sitzende Fluggäste müssen sich auf fühlbare Vertikalbeschleunigungen beim Einleiten von Kurven einstellen. „Auch das Einhalten heutiger Umkehrzeiten am Boden ist für BWBs anspruchsvoll und ein wichtiger Aspekt für Airlines“, vermutet Zeumer.

Schwierig könnte es auch werden, den BWB mit einer Druckkabine auszustatten. „Die Flugzeugform ist dafür besonders ungünstig. Man braucht innen eine Röhre mit Kabinendruck, während man außen die aerodynamische Konturform hat“, erläutert Björn Nagel, Direktor des Instituts für Systemarchitekturen beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg. „Ein normales Flugzeug folgt in seinen Dimensionen fast komplett der Druckkabine. Dass man beim BWB einen inneren Druckkörper hat plus eine Struktur, die man außen drum herum bauen muss, macht es schwieriger, ihn leichter zu machen als ein Konkurrenzflugzeug.“

BWB als Tankflugzeug – ein Nischenmarkt

Es kann gut sein, dass der BWB zunächst keine Flugpassagiere befördert, bis die vielen Hürden für den Alltagsbetrieb überwunden sind. „Die US Air Force hat wiederholt Interesse an einem Tankflugzeug mit reduzierter Radarsignatur geäußert. Dafür bietet ein entsprechend gestalteter BWB bessere Voraussetzungen als herkömmliche Konfigurationen“, erklärt Zeumer. „Das wäre ein potenziell lukrativer Nischenmarkt, den JetZero bedienen könnte.“ Das Pathfinder-Konzept ist so flexibel angelegt, dass es auch im militärischen Bereich mit herkömmlichen Triebwerken und 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff eingesetzt werden könnte.

„Es ist durchaus vorstellbar, dass in Zukunft ein Tankflugzeug in Form eines BWB fliegt. Dafür reicht es, nur das Cockpit mit einer Druckkabine zu versehen. Das ist deutlich einfacher als bei einem Passagierflugzeug. Dabei könnten die Triebwerke stärker in die Flugzeugzelle integriert werden als heute bei JetZero, um den gewünschten Tarnkappeneffekt zu erzielen“, so Zeumer. Und weiter: „In der kommerziellen Luftfahrt wird es spannend.“ Heutige Flugzeuge seien das Ergebnis von über einem Jahrhundert technischer Evolution und verfügten über sehr ausgewogene Eigenschaften. Dabei müsse es aber nicht immer bleiben: „Sich verändernde Anforderungen und neue Technologien können neue Konfigurationen begünstigen.“

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