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Aus alt mach neu: Die legendären Douglas DC-3 werden neu erfunden
Die DC-3 ist ein legendäres Fluggerät, rund 16.000 Maschinen wurden seit 1936 gebaut. Die Firma Basler in Oshkosh fertigt daraus neue Propellerturbinen-Flugzeuge.
02.2023 | Autor: Andreas Spaeth | 5 Min. Lesezeit
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Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.
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Keine Tragflächen, Beulen im Rumpf: Kaum zu glauben, dass aus vermeintlich schrottreifen, bis zu 80 Jahre alten DC-3 bei Basler wieder nagelneue Flugzeuge werden.
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Vor der Halle sieht es aus wie auf einem Flugzeugfriedhof: Überwucherte Rümpfe betagter Douglas DC-3 „Dakotas“, manche ohne Tragflächen, dafür mit eingeschlagenen Fenstern und blinden Cockpitscheiben. Niemand würde darauf kommen dass diesen Wracks nicht das baldige Ende bevorsteht, sondern ein neuer Anfang. Bis zu 80 Jahre alte DC-3-Veteranen werden hier in die Halle geschoben. Ein gutes halbes Jahr und bis zu 50.000 Arbeitsstunden später kommt eine werksfrische Basler BT-67 zum Vorschein, die äußerlich zwar noch Ähnlichkeiten mit dem Ausgangsprodukt aufweist, tatsächlich aber neuwertig und hochmodern ist. Genau dieses Prinzip ist das erstaunliche Geschäftsmodell der Firma Basler Turbo Conversions am Flughafen von Oshkosh in Wisconsin in den USA.
Das Geschäft floriert: „Unsere Produktion für 2023 ist bereits ausgebucht“, erklärt Firmenchef Joseph Varkoly, wenn er staunende Besucher durch die 7.000 Quadratmeter große Werkhalle führt, in der bis zu vier Flugzeuge für ihre Wiedergeburt Platz finden. Basler ist eher Manufaktur als industrieller Produzent, ein Boutique-Anbieter, der mit viel Hingabe und Expertise die unglaublich erscheinende Metamorphose „aus Alt mach Neu“ zum Prinzip gemacht hat und dem die Kunden aus aller Welt das Produkt aus den Händen reißen. Derzeit liegt der Ausstoß bei zwei Konversionen im Jahr.
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Flugzeugfriedhof vor dem Basler-Hangar: Dabei sind diese Reste alter DC-3 wichtige Grundlage für die Produktion der nächsten Jahre.
300 von 16.000 DC-3 fliegen heute noch
Und das alles vor allem deswegen, weil die Douglas-Flugzeugwerke in Kalifornien ab 1936 mit der zweimotorigen, schier unverwüstlichen DC-3 ein derart robustes und langlebiges Flugzeug entwickelt haben, das bis heute unübertroffen ist. Die DC-3 (607 wurden bis 1942 gebaut) und vor allem ihre militärische Version C-47, von der über 10.000 entstanden, wurden bald zu einem Eckpfeiler der Luftfahrt. Inklusive aller Lizenz- und Untervarianten entstanden rund 16.000 dieser Klassiker, von denen heute noch rund 300 fliegen. Im Zweiten Weltkrieg, während der Berlin-Blockade 1947/48 als „Rosinenbomber“ und später im Vietnam-Krieg gehörte das Flugzeug zur Grundausstattung. Viele C-47 wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Passagierflugzeuge umgebaut und bildeten die Grundlage für den weltweiten Siegeszug des Luftverkehrs.
Bereits 1980 fertigte Firmengründer Warren Basler (1926-1997) die erste moderne Reinkarnation der DC-3/C-47, die als Basler BT-67 auf den Markt kam und schnell Abnehmer fand. Die US-Luftfahrtbehörde FAA erkennt die Wiedergeburten als fabrikneue Flugzeuge mit null Flugstunden an. „In einer BT-67 sind meist nur noch etwa zehn Prozent des alten Metalls aus der Ursprungsmaschine“, verrät Firmenchef Varkoly. Vom gesamten Material einer Maschine können manchmal aber auch bis zu 40 Prozent weiter verwendet werden. Ein Großteil der Flugzeugstruktur plus die Haut werden aber immer ausgetauscht. Basler fertigt alle Teile selbst, insgesamt 6.800 verschiedene Komponenten, Original-Ersatzteile gibt es für ein so altes Flugzeug nicht mehr.
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Moderne Propellerturbinen, glänzende Rümpfe: Bei Basler wird aus DC-3-Altmetall ein neuwertiges BT-67-Spezialflugzeug.
Den neuen Antrieb liefern Kraftpakete von Pratt & Whitney Canada
Entscheidende Modifikation ist der Einbau zweier neuer und hocheffizienter Pratt & Whitney Canada PT6A-67R-Propellerturbinen an Stelle der alten Sternmotoren. Die neuen Antriebe mit fünfblättrigen Metallpropellern leisten jeweils 1.062 kW (1.424 PS) gegenüber nur 895 kW (1.200 PS) je Motor in der DC-3/C-47. Da die in den Neubauten aus Verbundwerkstoffen gefertigten Motorgondeln weit ausladender sind als die alten Gehäuse wird der Rumpf hinter dem Cockpit um 1,06 Meter verlängert, damit die Besatzung weiter vor den Propellern sitzt. Das Volumen der Kabine wächst so um 35 Prozent. Und der Arbeitsplatz der Pilot:innen ist nun ein modernes Glascockpit mit neuester Avionik, digitalen Instrumenten mit Bildschirmanzeigen und sogar Blindlandefähigkeit und Allwetter-Tauglichkeit.
Der Neubau auf Basis von Veteranen ist günstiger
Auf den ersten Blick scheint es paradox, dass man nicht gleich einen ganz neuen Flugzeugtyp herausbringt, statt die moderne BT-67 so mühsam auf alte Rümpfe von Veteranen aufzubauen. Aber der Grund ist simpel: Kosten. „Ein völlig neues Flugzeug zu erproben und durch die Zulassung zu bringen ist viel teurer als diese Konversion, bei der wir meist nur noch das voll überholte alte Fahrwerk weiter nutzen“, erklärt Basler-Präsident Joseph Varkoly. Neue Teile werden im Wesentlichen nach Original-Spezifikationen der DC-3 nachgebaut, die als extrem sicheres Flugzeug gilt.
„Bis zu elf Stunden kann sie in der Luft bleiben, mit Langstrecken-Zusatztanks sogar über 13 Stunden. Eine Twin Otter-Turboprop schafft gerade mal drei bis vier Stunden.“
Basler-Präsident
Die Neuzulassung könnte sich eine kleine Firma wie Basler niemals leisten. Eine neue BT-67 kostet als Einstiegspreis rund zwölf Millionen Dollar, viele Spezialanfertigungen dürften erheblich teurer sein. Und ganz auf die extrem unterschiedlichen Anforderungsprofile der jeweils geplanten Einsätze sind alle BT-67 individuell ausgelegt. Das Spektrum ist dabei extrem weit gespannt. Bis Ende 2022 wurde das 69. Exemplar ausgeliefert, die 70. BT-67 ist schon in Arbeit.
Deutschland, Australien und China nutzen sie für die Forschung und Versorgung von Einrichtungen in Arktis und Antarktis mit kombinierten Rad-Ski-Fahrwerken. Joseph Varkoly weiß, dass vor allem die Ausdauer seiner BT-67 mehr gefragt ist denn je: „Bis zu elf Stunden kann sie in der Luft bleiben, mit Langstrecken-Zusatztanks sogar über 13 Stunden. Eine Twin Otter-Turboprop schafft gerade mal drei bis vier Stunden.“
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Das Ergebnis aller Mühen: Eine werksneue BT-67, weltweit gefragt für eine Vielzahl besonderer Missionen.
PT6 – Der Alleskönner
Das Propellerturbinen-Triebwerk Pratt & Whitney Canada PT6 ist ein Klassiker in der Luftfahrt, erstmals geflogen 1961. Es gibt den Antrieb in verschiedenen Größen für Anwendungen: vom einmotorigen Sportflugzeug über Hubschrauber bis hin zum größten Typ PT6A für schwerere zweimotorige Flugzeuge wie der BT-67 oder dem Regionalzubringer Shorts 360. Allein vom großen PT6A existieren rund 12.000 Exemplare, alle Versionen des PT6 zusammen dürften rund 55.000 Mal gebaut worden sein.
Die MTU Maintenance Berlin-Brandenburg in Ludwigsfelde bietet innerhalb des mit Pratt & Whitney Canada (P&WC) gegründete Joint Venture P&WC Customer Service Centre die Instandhaltung an. „Wir haben vom PT6A pro Jahr zwischen 60 und 80 Triebwerke bei uns“ sagt Jens Arend, Leiter Programme Pratt & Whitney Canada bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg, „davon entfallen bis zu 50 % auf die große Variante des PT6A.“ Der Triebwerkstyp PT6A-67R, der auf der Basler BT-67 fliegt, kam auch schon nach Ludwigsfelde – allerdings von den Flügeln einer Shorts 360.
Maintenance-Profis: Die Instandhaltung der PT6A erfolgt durch die MTU Maintenance Berlin-Brandenburg innerhalb des weltweiten Pratt & Whitney Canada Customer Service Centre.