Zum Hauptinhalt springen

aviation

MTU in Nordamerika: Rasanter Ramp-up für LEAP- und GEnx-Triebwerke

Die MTU ist in Nordamerika auf Wachstumskurs: Dafür baut sie ihr On-Site-Servicecenter in Fort Worth, Texas, zu einem vollwertigen Instandhaltungsstandort für LEAP- und GEnx-Triebwerke aus – mit kompletten Demontage-, Montage- und Testkompetenzen.

Autorin: Nicole Geffert | 4 Min. Lesezeit veröffentlicht am: 01.09.2025

Autorin:
Nicole Geffert arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.

Jakob Nagl von der MTU Maintenance Fort Worth in Texas hat einen Lieblingsfilm: „Feld der Träume“ („Field of Dreams“). Der Film aus dem Jahr 1989 erzählt die Geschichte eines Maisfarmers aus dem US-Bundesstaat Iowa, der durch eine plötzliche Eingebung sein Maisfeld umpflügt und in ein Baseballfeld verwandelt – inklusive Tribüne und Flutlicht. Es entsteht ein magischer Ort, der zunächst auf Skepsis stößt. Doch die Eingebung prophezeit ihm: „Wenn du es baust, werden sie kommen.“ Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Nagl, Leiter Value Stream Management und Operations Support, schätzt die Botschaft des Films: Die Leidenschaft und der Wille, eigene Träume zu verwirklichen, können tiefgreifende Veränderungen bewirken. Dieser Gedanke kam ihm, als er 2023 zum ersten Mal die imposante Halle betrat, in die die MTU Maintenance Fort Worth gerade umgezogen war. Dort lief das Geschäft mit On-Site-Services (OSS) und Industriegasturbinen, das jedoch nur einen kleinen Teil der insgesamt 40.000 Quadratmeter großen Fläche ausmachte. „In der Luft lag eine echte Aufbruchstimmung“, erinnert sich Nagl.

Zwei Jahre später herrscht auf jedem Quadratmeter der Fläche Hochbetrieb. Denn die MTU Maintenance Fort Worth wird von einem On-Site-Servicecenter zu einem vollwertigen Instandhaltungsstandort ausgebaut – mit kompletten Demontage-, Montage- und Testkompetenzen für die Triebwerke LEAP-1A/-1B und GEnx.

MTU Maintenance Fort Worth wird von einem On-Site-Servicecenter zu einem vollwertigen Instandhaltungsstandort ausgebaut – mit kompletten Demontage-, Montage- und Testkompetenzen für die Triebwerke LEAP-1A/-1B und GEnx.

Mutiger Schritt in die Zukunft

dallas_g_0054_1980 Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Die MTU strebt ein deutliches Wachstum im nordamerikanischen Instandhaltungsgeschäft an. Dabei wird der Standort in Fort Worth eine Schlüsselrolle einnehmen.

0cf680_p_0088_1980 Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Montagearbeiten an einem CF6-80C2 Triebwerk im Shop bei der MTU Maintenance Fort Worth.

André Sinanian, Geschäftsführer der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg, war für den OSS-Standort zuständig. Er erinnert sich an die ersten Gespräche zum Ausbau: „Dave Kircher, GEnx Product Line General Manager von GE Aerospace, und ich sprachen auf der Paris Air Show 2022 darüber, dass MRO-Kapazitäten, insbesondere für die neuen GE-Programme in den USA benötigt werden, um unseren Kunden noch besseren Service bieten zu können.“ Im Mittelpunkt stand die Idee eines Shops für die GEnx-Instandhaltung in Nordamerika. „Es ist schön zu sehen, wie aus einer Idee nun Realität wurde“, sagt Sinanian. Denn die MTU wagte sich an das Projekt und zog in eine deutlich größere Halle nach Forth Worth um – obwohl es zu diesem Zeitpunkt kein ausreichendes Geschäftsvolumen gab, um die Betriebskosten zu decken. „Wir haben an das Marktpotenzial und die Tragfähigkeit unserer Partnerschaften geglaubt. Dazu gehört auch unsere Kooperation mit CFM International. Mit den Kolleginnen und Kollegen bei GE und Safran sind wir parallel in die Diskussion zur Einführung von LEAP-Triebwerken in unser Maintenance-Portfolio gegangen und haben am Ende den Zuschlag für die heiß begehrte LEAP-Lizenz erhalten. Auch hier war der Kapazitätsbedarf in Nordamerika am größten. Und den können wir jetzt durch unseren Shop anbieten“, erklärt Sinanian.

Auch Gernot Sell, seit Februar Geschäftsführer der MTU Maintenance in Fort Worth, ist überzeugt: „Ohne diese Investition hätte die MTU den Zuschlag für die Instandhaltung der Triebwerke LEAP-1A/-1B und GEnx vermutlich nicht bekommen.“ Die MTU will im nordamerikanischen Instandhaltungsgeschäft deutlich wachsen. Und Fort Worth soll dabei als vollwertiger MRO-Shop eine zentrale Rolle spielen. Bis 2050 investiert die MTU rund 120 Millionen US-Dollar in Modernisierung und Ausbau des Standorts, der strategisch günstig am Perot Field Fort Worth Alliance Airport liegt. Der internationale Flughafen Dallas-Fort Worth ist keine 30 Kilometer entfernt.

Unter Zeitdruck zu arbeiten, sind die weltweiten MTU-Teams gewohnt. Der Zeitplan in Fort Worth ist jedoch noch einen Zacken schärfer. Das erste LEAP-1B-Triebwerk soll am 1. Juli 2026 in den Shop kommen, ein halbes Jahr später dann die LEAP-1A folgen – so ist es mit dem Triebwerkskonsortium CFM International vereinbart. „Die Nachfrage nach Kapazitäten und Instandhaltungsleistungen ist hoch. Schließlich ist die LEAP eines der weltweit größten Triebwerksprogramme“, sagt Sell. „Das gilt besonders in Nordamerika, wo die MTU mit Fort Worth dann umfassende Serviceleistungen und Kundennähe bieten kann.“

Einsatz am Flügel: Bei den OSS-Einsätzen der MTU Maintenance muss es meist schnell gehen. Wie hier beim GE90, dem größten Triebwerk der Welt, dass die Expert:innen wieder startklar gemacht haben.

Ausbau bei laufendem Betrieb

Das Tagesgeschäft läuft indes selbstverständlich weiter, die MTU-Kunden werden auch während des Umbaus zuverlässig betreut. „60 Prozent der Einsätze finden hier im Shop statt. 40 Prozent absolvieren unsere Teams On-site, also beim Kunden vor Ort“, berichtet Nagl.

Der On-Site-Service bleibt auch nach der Erweiterung ein fester Bestandteil unseres Geschäfts.

Jakob Nagl

MTU Maintenance Fort Worth

Fixed-Overhaul-System next generation: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Fixed-Overhaul-System next generation: Beim FOSng handelt es sich um ein T-förmiges Dock, an dessen beiden Seiten jeweils ein Triebwerk eingehängt werden kann, sodass sich beide gleichzeitig bearbeiten lassen.

In die Planungen für den Ausbau sind Erfahrungen aus allen MTU-Standorten eingeflossen. „Expertise und Zusammenarbeit des MTU-Netzwerks haben dieses Großprojekt überhaupt erst möglich gemacht“, sagt Sell. Die Produktionslinien für Narrowbody- und Widebody-Triebwerke werden räumlich getrennt, das hat sich an anderen MTU-Standorten bewährt. Anlagen mit Spezialfundamenten werden am Rand der Halle platziert. So bleibt der Shop flexibel, falls später erweitert werden muss.

Möglichst viele Transportvorgänge werden über Deckenkräne abgewickelt, damit Wege frei bleiben. Auf Stapler und Paletten kann so weitgehend verzichtet werden. Mit dem Fixed Overhaul System kommt ein innovatives Demontage- und Montagesystem zum Einsatz, eine erfolgreiche Eigenentwicklung eines MTU-Expertenteams aus München. Zahlreiche Anlagen, wie Schleifanlagen und Wuchtbäume wurden bereits bestellt, die chemische Reinigungsanlage wurde spezifiziert und geht demnächst in Bestellung.

cfm567_c_0005_1980 Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

CFM56-7 im Prüfstand bei der MTU Maintenance Fort Worth.

Aufrüstung der Testzelle

„Wir arbeiten eifrig daran, das Trainingscenter fertigzustellen, damit wir ab Oktober mit dem Training an den Triebwerken beginnen können“, sagt Kevin Robinson, Director Human Resources. In den nächsten zehn Jahren wird der Standort in Fort Worth deutlich wachsen. “Derzeit beschäftigen wir 128 Mitarbeiter:innen. In Zukunft sollen rund 1.200 hochqualifizierte Arbeitsplätze entstehen und in der Folge bis zu 2.000 indirekte Arbeitsplätze in den Bereichen Dienstleistungen, Logistik und Infrastruktur”, erläutert Robinson. Das bedeutet, dass neben dem Ausbau des Shops und der Integration neuer IT-Systeme auch verstärkt Fachkräfte eingestellt werden müssen – vor allem aus der Region, die als Luftfahrt-Hotspot gilt.

Parallel rüstet ein standortübergreifendes MTU-Expertenteam die Testzelle um. Der Triebwerksprüfstand für bis zu 100.000 Pfund ist bisher auf das CFM56-7B-Triebwerk korreliert. Gebäude und Kräne bleiben bestehen, aber die Elektronik wird komplett ausgetauscht, um die höhere Datenerfassungsrate der LEAP künftig zuverlässig abzubilden.

Dieser Inhalt könnte Sie auch interessieren


Mit der Expertise des MTU-Netzwerks

Auch das so genannte “Network Enablement Team” unter der Leitung von Jörg Vogl von der MTU Maintenance Hannover ist in Fort Worth im Einsatz. Das interdisziplinäre Team unterstützt die Standorte im MTU-Netzwerk bei Neubau-, Umgestaltungs- und Ramp-up-Projekten – mit Fachwissen, Best Practices und einer engen Zusammenarbeit vor Ort. Alle wichtigen Themen werden dabei abgedeckt. Dazu gehören Layout- und Materialplanung, Engineering, Produktionsplanung sowie Steuerung, Qualität und IT.

„Wir gehen gezielt in die MTU-Shops, um gemeinsam mit den Teams vor Ort die Herausforderungen zu lösen“, sagt Vogl. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Entwicklung und Förderung von Standards für die MTU-Standorte weltweit. „Ziel ist es, die Best Practices, die es im MTU-Netzwerk gibt, zusammenzubringen und weiter zu verbessern. Immer mit dem Ziel, als Netzwerk noch effizienter und leistungsstärker zu werden – zum Vorteil der MTU-Kunden.“

Auf diese Weise entsteht bei der MTU in Fort Worth ein echter Best-Practice-Shop. „Die geballte Expertise aus dem gesamten MTU-Netzwerk unterstützt uns enorm beim schnellen und effizienten Aufbau“, betont Sell. Unterstützung leisten dabei auch Expert:innen, die von weltweiten MTU-Standorten nach Fort Worth wechseln – allesamt Spezialist:innen auf ihrem Gebiet.

„Premier MRO Service Provider”

Einer von ihnen ist Tobias Wensky-Haferkamp, der von der MTU Maintenance Hannover kommt. In diesem Sommer ist er nach Fort Worth gezogen, um dort als Programmleiter seine Erfahrungen bei der Einführung von Triebwerksprogrammen einzubringen. Wensky-Haferkamp schätzt die Dynamik des aufstrebenden MTU-Standorts in Texas.

leap1b_p_0019_1980 Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Das LEAP-Triebwerk wird am chinesischen MTU-Standort in Zhuhai instandgesetzt.

„Wir sind zuversichtlich, dass der ambitionierte Ausbau innerhalb eines Jahres gelingt – auch deshalb, weil das MTU-Netzwerk bereits über LEAP-Expertise verfügt“, erläutert er. So wird das LEAP-Triebwerk am chinesischen MTU-Standort in Zhuhai instandgesetzt. Der Standort in Fort Worth macht die MTU nun zum weltweit sechsten exklusiven Premium-Instandhaltungsdienstleistern („Premier MRO Service Provider”) für LEAP-Triebwerke.

Für die MTU bedeutet das: Das Unternehmen erweitert sein weltweites Instandhaltungsangebot für dieses Triebwerksprogramm und baut die Zusammenarbeit mit GE aus. Als autorisierter Instandhaltungsbetrieb wird die MTU Maintenance Fort Worth ab 2030 auch über umfassende Serviceleistungen für das GEnX-Triebwerk verfügen. Grundlage ist ein sogenanntes “GE Aerospace Branded Services Agreement”.

„Wir haben in den vergangenen Jahren an den MTU-Standorten weltweit erfolgreiche Triebwerkseinführungen geleistet und dabei von unserem starken Netzwerk profitiert“, sagt Wensky-Haferkamp. „Wir glauben fest an den Erfolg und werden die Leistung liefern, die unsere Partner und Kunden von uns erwarten.“

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:


Der AEROREPORT berichtet über Hochtechnologie und exzellenten Service „Made by MTU“ und über allgemeine Luftfahrtthemen.

Der AEROREPORT ist das Online-Magazin der MTU Aero Engines, Deutschlands führendem Triebwerkshersteller. Fliegen und die Technologie, die es ermöglicht, sind faszinierend und bieten ein breites Themenspektrum: mehr als hundert Jahre Geschichte und viele Fragestellungen für die Zukunft der Luftfahrt angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit.