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Luftrettung 24/7: So hält der ADAC seine Flotte bereit

Die gelben Hubschrauber des ADAC kennt in Deutschland fast jeder. Im Hintergrund sorgen die Spezialist:innen des ADAC Heliservice für Ausstattung und Instandhaltung der besonderen Fluggeräte.

Autor: Dr. Philipp Bruhns | 5 Min. Lesezeit veröffentlicht am: 17.10.2025

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Dr. Philipp Bruhns ist seit mehr als 15 Jahren im Bereich Unter­nehmenskommunikation tätig, seit 2008 selbständig. Als Autor hat sich der in Dänemark lebende, promovierte Psycholinguist auf Maintenance-Themen sowie Gesundheit und Soziales spezialisiert.

Ein schwerer Verkehrsunfall überschattet die Wochenendausfahrt eines Motorradfahrers: Bei einem Frontalzusammenstoß wird er lebensgefährlich verletzt. Die nächste Spezialklinik, die seine Verletzungen behandeln kann, liegt über 50 Kilometer entfernt – und das ist nicht das einzige Problem. Aufgrund einer möglichen Wirbelsäulenverletzung muss der Patient besonders schonend transportiert werden. Genau für solche Fälle ist der H135 von Airbus Helicopters im Einsatz – wenn er für die „Gelben Engel“ der ADAC Luftrettung abhebt.

Den ganzen Tag auf Abruf – in zwei Minuten in der Luft

An jeder der bundesweit 38 ADAC-Stationen ist man täglich auf alle Eventualitäten vorbereitet. Bereits in den frühen Morgenstunden checkt das Team Wetterdaten und bereitet im Briefing alle relevanten Einsatzparameter des Helikopters vor – vom Abfluggewicht bis zur Reichweite. So sind im Ernstfall nur noch minimale Anpassungen nötig. Der Airbus H135 wird aus dem Hangar gerollt und vom Piloten sorgfältig inspiziert. Ist alles bereit, vergehen vom Alarm bis zum Abheben oft nur zwei Minuten. Danach ist weiterhin Teamarbeit gefordert: Die Abläufe zwischen Pilot:innen, Notärzt:innen und Rettungsassistent:innen sind routiniert und perfekt eingespielt. Über 49.000 Einsätze hat die ADAC Luftrettung alleine im abgelaufenen Jahr geflogen – auch wenn es nicht immer so dramatisch zugehen muss wie in unserem Beispiel: Geplante Verlegungsflüge mit intensivmedizinischer Betreuung, Einsätze an schwer zugänglichen Orten oder Flüge, bei denen sich der Einsatzgrund noch in der Luft erledigt, gehören ebenso zum Alltag.

Bundesweit flogen die ADAC Rettungshubschrauber mehr als 49.000 oft lebensrettende Einsätze. Im Durchschnitt wurden die Maschinen jeden Tag zu knapp 135 Notfällen alarmiert.

Dass sich die Lebensretter auf ihre Technik verlassen können, liegt nicht nur an der robusten und ausgereiften Bauweise des „Arbeitstiers“ H135, sondern auch an der geballten Expertise im Hintergrund. Die bietet der ADAC Heliservice, die spezialisierte Service-Tochter im ADAC-Verbund. An der Zentrale in Sankt Augustin am Flugplatz Bonn-Hangelar sowie an drei weiteren Standorten werden die Hubschrauber und ihre Komponenten instand gehalten. Außerdem werden hier maßgeschneiderte Modifikationen für Cockpit und Kabine entwickelt, die direkt in den Einsatzalltag einfließen.

Instandhaltung komplexer Systeme rund um die Uhr

„Viele Features eines Rettungshubschraubers gibt es nicht ab Werk“, verrät Sebastian Friese, Technischer Leiter des Instandhaltungsbereichs beim ADAC Heliservice. Ob verstärkter Kabinenboden, besonders leicht zu öffnende Hecktüren oder die kompakt verbaute medizinische Ausstattung – vieles wird speziell für die Anforderungen der Luftrettung entwickelt und angepasst. Ein entscheidender Faktor ist die ständige Einsatzbereitschaft: An einigen Stationen ist die Crew rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr einsatzfähig. Standardisierte Instandhaltung stößt hier schnell an ihre Grenzen. Zwischen den großen Checks und Triebwerksüberholungen versucht das Team deshalb, möglichst viele Instandhaltungsarbeiten direkt vor Ort und ohne Unterbrechung durchzuführen. „Viele Luftrettungsstationen befinden sich auf Krankenhausdächern oder in dicht besiedelten Ballungsräumen. Für große Werkstätten oder Hangars ist dort schlicht kein Platz.“

Die ADAC Heliservice GmbH steht für höchste Anforderungen an Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Flugsicherheit an 365 Tagen im Jahr.

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Das PW200 von Pratt & Whitney Canada ist ein Antrieb für leichte und mittlere Hubschrauber.

Wendig, leise und effizient: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Wendig, leise und effizient: Der H135-Helikopter in Siegen eignet sich ideal für Einsätze im urbanen Raum.

Besondere Anforderungen auch für die Triebwerke

Die besonderen Einsatzbedingungen der Luftrettung stellen auch die Triebwerke vor Herausforderungen. Vergleichsweise kurze Flugstrecken und die oft staubigen, unbefestigten Landeplätze haben Auswirkungen auf die Instandhaltungsintervalle der Triebwerke. Die möchte der ADAC und andere Betreiber möglichst ausdehnen, um die Einsatzbereitschaft hoch und die Kosten niedrig zu halten. „Rettungsflug ist Non-Profit, zum Großteil spendenfinanziert. Unsere Kunden – allen voran die ADAC Luftrettung – müssen entsprechend verantwortungsvoll wirtschaften“, erläutert Friese. Dabei steht die Flugsicherheit selbstverständlich an erster Stelle. Um sogenannte TBO-Extensions (Time Between Overhaul) zu ermöglichen, ist eine enge Abstimmung mit dem Triebwerkshersteller und den Luftfahrtbehörden erforderlich.

Dass ADAC Luftrettung und ADAC Heliservice hier Maßstäbe setzen, schätzt man auch bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg. Dort werden die PW206-Triebwerke des H135 alle 4.500 Flugstunden komplett überholt – ergänzt durch Reparaturen, die über die Vor-Ort-Leistungen (Line Maintenance) ausgehen. Betreut wird die ADAC-Flotte dabei vom Pratt & Whitney Canada Customer Service Centre Europe (CSC), einem Joint Venture der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg und dem kanadischen Triebwerkshersteller.

„Der ADAC hat mit seiner großen Flotte und langjährigen Erfahrung eine Vorreiterrolle in vielen Bereichen“, sagt Dr. Philipp Schumacher, Fleet Management Program (FMP) Manager beim CSC. Das zeige sich etwa bei der Nachrüstung spezieller Lufteinlassfilter oder beim Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe mit den PW206-Triebwerken. „Der Heliservice setzt in der Maintenance auf Kontinuität und denkt langfristig. Dadurch können wir Erfahrungswerte, wie sie etwa für TBO-Extensions benötigt werden, leichter erarbeiten. In der laufenden Zusammenarbeit finden wir immer wieder innovative Lösungen, die in künftige Service-Optionen einfließen.“

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MTU Maintenance Berlin-Brandenburg ist der drittgrößte der MTU Maintenance und konzentriert sich auf die Instandhaltung, Reparatur und Überholung von Flugzeugtriebwerken, Turboprop- und Hubschraubertriebwerken sowie von Industriegasturbinen.

Mit Stolz bei der Sache

Ein Beispiel für solche Lösungen betrifft kritische, hoch beanspruchte, rotierende Bauteile des PW206. Aufgrund der kurzen Flugzyklen im HEMS-Betrieb (Helicopter Emergency Medical Services) müssen diese oft vor dem nächsten Shop-Besuch begutachtet und gegebenenfalls ersetzt werden. „Ein Aus- und Einbau dieser Teile im laufenden Betrieb erfordert eine besondere Expertise, die über normale Line Maintenance hinausgeht“, erklärt Jeanne Koitzsch, Leiterin des PW200-Shops bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg. „Der Heliservice hat diese Kompetenz in enger Zusammenarbeit mit uns aufgebaut und kann damit Betriebsunterbrechungen für seine Flotten verringern und die Einsatzbereitschaft erhöhen.“ Besonders in der Corona-Pandemie sei allen im PW200-Shop noch einmal bewusst geworden, welche Verantwortung auch die „Helfer der Retter“ tragen, sagt Koitzsch. „Unsere Arbeit ging trotz Lockdown unvermindert weiter – denn sie war und ist systemrelevant. Es macht stolz, an etwas mitzuwirken, das im Ernstfall Leben rettet.“

Weltweit bewährt: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Weltweit bewährt: Über 1.440 H135-Helikopter sind bei mehr als 300 Betreibern in über 60 Ländern im Einsatz – mit über 7,6 Millionen Flugstunden.


Robuster Allrounder H135

Seit 1996 wird der Airbus H135 im bayerischen Donauwörth gefertigt – und bringt alles mit, was für anspruchsvolle Rettungseinsätze erforderlich ist. Seine beiden 522-kW-starken PW206-Triebwerke von Pratt & Whitney Canada sorgen für zuverlässigen Schub, auch unter schwierigen Bedingungen. Kompakt, robust, vielseitig und technisch ausgereift – diese Eigenschaften machen den H135 zum idealen Allrounder. Kein Wunder also, dass er nicht nur in der ADAC-Flotte, sondern weltweit der am häufigsten eingesetzte leichte Rettungshubschrauber für sogenannte HEMS-Missionen (Helicopter Emergency Medical Services) ist. Dank kontinuierlicher technischer Weiterentwicklungen bleibt er auf dem neuesten Stand. Auch wenn größere Modelle wie der Airbus H145 ein breiteres Einsatzspektrum abdecken, bleibt der H135 auf absehbare Zeit eine bewährte und verlässliche Größe in der klassischen Luftrettung.

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