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Deutsch-französische Partnerschaften der MTU
Frankreich ist Partnerland der ILA Berlin 2018: erfolgreiche Kooperationen der MTU mit französischen Unternehmen.
04.2018 | Autorin: Silke Hansen | 6 Min. Lesezeit
Autorin:
Silke Hansen
schreibt als freie Journalistin für den AEROREPORT. Seit über zehn Jahren berichtet sie aus der Welt der Luftfahrt, ihre Themenschwerpunkte sind Technik, Innovation und Markt. Ein weiteres Spezialgebiet der Autorin ist das Corporate Responsibility Reporting.
Als nicht weniger als eine „Kooperation der Superlative“ bezeichnet die ILA Berlin, Deutschlands größte Luftfahrtmesse, die Zusammenarbeit der Nachbarländer und holt Frankreich als Partnerland für 2018 nach Berlin. In der Tat: Europas Wirtschaftsschwergewichte sind besonders in der Luft- und Raumfahrtindustrie eng verflochten. „Frankreich und Deutschland waren immer schon strategische Partner, wenn es um Luft- und Raumfahrt geht“, sagt Dr. Klaus Richter, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie BDLI. Flugzeugbauer Airbus ist das deutsch-französische Vorzeigeprojekt par excellence. 47.000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern in Deutschland, 45.000 in Frankreich, mit Hamburg und Toulouse sind die wichtigsten Produktionszentren ebenfalls in den beiden Ländern angesiedelt.
MTU und Airbus
Mittendrin im Airbus-Epizentrum am Flughafen Toulouse Blagnac hat Tarun Sondhi seinen Arbeitsplatz. Der MTU-Mitarbeiter unterstützt als Senior Flight Test Engineer seit 2014 Airbus vor Ort bei der Flugerprobung der A320neo. Denn in deren Antrieb PW1100G-JM von Pratt & Whitney stecken 18 Prozent MTU. Knapp ein Drittel der Antriebe montiert die MTU Aero Engines in München und schickt sie von hier zu Airbus nach Toulouse. „Zusammen mit einem Pratt & Whitney-Team unterstütze ich Airbus als Zulieferer“, erklärt Sondhi. Dabei geht es um die Flugerprobung und Zertifizierungsflüge, das neue Antriebskonzept befindet sich noch in der Markteinführung. „Eine Flugerprobung gelingt nur gemeinsam, da ist kein Platz für Politik. Die Zusammenarbeit läuft sehr gut und produktiv. Es ist wichtig, direkt vor Ort zu sein, um unseren Kunden Airbus so effizient wie möglich zu unterstützen“, so Sondhi. Was ihm dabei hilft: Er spricht inzwischen fließend Französisch, ist schon seit 2008 in Südfrankreich und hat bereits die Flugerprobung des TP400-D6-Antriebs und Militärtransporters A400M begleitet. „Ich werde sehr gut integriert und gehöre hier schon zum Inventar“, scherzt der von der MTU entsandte Mitarbeiter. Den Standort Frankreich schätzt er für seine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen und Innovationen, die deutsche Stärke liege dagegen im Fokus auf das Ergebnis.
Geschickte Arbeitsteilung: Knapp ein Drittel der A320neo-Antriebe montiert bereits die MTU in München.
MTU Aero Engines und Safran
Die MTU, wichtiger Player der deutschen Triebwerksindustrie, kooperiert zum Teil schon seit Jahrzehnten erfolgreich mit französischen Unternehmen. Safran Aircraft Engines aus Courcouronnes in der Region Ile-de-France südlich von Paris ist so etwas wie ihr Pendant, der führende nationale Hersteller von Flugzeugtriebwerken - und anders als die MTU auch OEM. Bei den Motoren Tyne und Larzac, beim Hubschrauberantrieb MTR390 oder dem TP400-D6 sind die Franzosen über Safran mit an Bord.
2.500 Mitarbeiter arbeiten in Europa am Tyne-Nachfolger TP400-D6, Harald Mark ist einer von ihnen, ein Urgestein im Antriebsprogramm für den Airbus-Militärtransporter. Er hat die Zeit der Vorläufer und Konzeptstudien noch miterlebt; er saß mit im Verhandlungsteam bei der Triebwerksausschreibung, das aufgrund der Nähe zu Airbus in Frankreich bei Safran angesiedelt war. Die MTU verantwortet beim TP400-D6 den gesamten Mitteldruckteil und die Endmontage, Safran liefert die Heißteile des Triebwerks, Brennkammer und Hochdruckturbine. Gemeinsam haben die beiden Partner im Triebwerkskonsortium auch die Regelung entwickelt – kein leichtes Unterfangen. Die technische Entwicklung des Triebwerks sei meistens konstruktiv gewesen, auch wenn das Programm insgesamt nicht immer reibungslos lief. „Trotz der Unterschiede in der Denk- und Arbeitsweise kann man einen gemeinsamen Nenner finden. Ich habe einen sehr guten Draht zu den Franzosen entwickelt. Man darf nur nicht so dogmatisch sein.“
Joint Ventures mit Safran
Besonders enge Beziehungen hat die MTU in ihren Joint Ventures geknüpft. AES Aerospace Embedded Solutions zum Beispiel gehört zu gleichen Teilen Safran und der MTU. Das 2013 in München gegründete Gemeinschaftsunternehmen ist spezialisiert auf sicherheitskritische elektronische Systeme für die Luftfahrt, hat 2015 den Deutsch-Französischen Wirtschaftspreis in der Kategorie „industrielle Kooperation“ gewonnen und ist auch beim TP400-D6 mit von der Partie. Und mit dem Ceramic Coating Center (CCC) in Châtellerault unterhält die MTU seit fast zwanzig Jahren ein erfolgreiches Joint Venture mit Safran im Westen des Landes, direkt neben dem Safran-Werksgelände.
Romain Pérou hat das CCC vor ziemlich genau fünf Jahren Richtung MTU verlassen. „Ich wollte etwas Neues machen, mich verändern“, erklärt der Franzose, der inzwischen in München verwurzelt ist. Sieben Jahre lang hat er direkt nach dem Studium als Fertigungsingenieur beim CCC die MTU-Teile betreut. Die grenzüberschreitende Arbeit ist ihm geblieben: Er ist jetzt Fertigungsplaner für die Bauteile, die das CCC im Auftrag der MTU mit dem speziellen Verfahren EB-PVD beschichtet. Sein Vorteil: Er spricht beide Sprachen und kann Entscheidungen oder Anweisungen aus Deutschland für die Franzosen in Châtellerault erläutern. Gerade in einem Joint Venture steht das gemeinsame Interesse im Vordergrund. Da weder die MTU noch Safran das nötige Volumen für eine wirtschaftliche Herstellung der Spezialbeschichtung hatten, schlossen sich die Unternehmen zusammen. Heute arbeitet das Kompetenzzentrum für die gleichberechtigen Shareholder am Limit. Dr. Thomas Cosack, MTU-Fachreferent für Beschichtungstechnik, hat das CCC mit aufgebaut und weiß: „Die Zusammenarbeit lief über all die Jahre immer reibungslos.“ Und Pérou findet: „Die deutsche und französische Mentalität passen gut zusammen. Sie ergänzen sich.“