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Kurz erklärt: Niederdruckturbine
Die Niederdruckturbinen der MTU sind Weltklasse. Der AEROREPORT erklärt ihre Aufgaben und die innovativen Technologien.
08.2023 | Autorin: Isabel Henrich | 4 Min. Lesezeit
Autorin:
Isabel Henrich
ist studierte Politologin und Kommunikationswissenschaftlerin. Bei der MTU steuert sie den redaktionellen Prozess des AEROREPORTs und ist zuständig für die Konzeption und Entwicklung der Inhalte.
Weltweit ist die MTU Aero Engines Technologieführer bei Niederdruckturbinen (NDT) mit höchsten Wirkungsgraden und niedrigstem Gewicht. Die Bandbreite reicht von konventionellen Modellen für Antriebe von Geschäftsreiseflugzeugen über Nutzturbinen für Antriebe schwerer Transporthubschrauber bis hin zu großen konventionellen Niederdruckturbinen für Turbofantriebwerke von Mittel- und Langstreckenflugzeugen. Das Meisterstück der MTU ist die schnelllaufende Niederdruckturbine, eine Schlüsselkomponente des Getriebefans: Ihre Technologie ist weltweit einzigartig.
Welche Aufgaben hat eine Niederdruckturbine?
Die von den Verdichtern komprimierte Luft strömt in die Brennkammer. Dort wird der zugeführte Kraftstoff verbrannt und die entstehenden heißen Verbrennungsgase entweichen mit hoher Energie. Sie schießen durch die Hoch- und Niederdruckturbinen, welche jeweils aus mehreren Turbinenstufen mit einer Vielzahl von Schaufeln bestehen und die von den Verbrennungsgasen in Drehbewegung versetzt werden. Über eine Welle, die die NDT mit dem Niederdruckverdichter (NDV) und dem Fan verbindet, werden NDV und Fan angetrieben. Der Fan erzeugt den Großteil des Schubs eines Turbofans im sogenannten Mantelstrom.
RB199: Zu diesem Triebwerk steuerte die MTU erstmals eigenverantwortlich entwickelte und gebaute Komponenten bei.
V2500: Die MTU ist mit 16% am IAE V2500 beteiligt und ist für die komplette Niederdruckturbine und zahlreiche Anbauteile verantwortlich.
Niederdruckturbinenentwicklung bei der MTU
Die MTU beschäftigt sich seit den 1960er-Jahren mit der Turbinentechnologie. Erste eigenständige Entwicklungsaktivitäten kamen mit dem Tornado-Triebwerk RB199 auf das Unternehmen zu: Die MTU zeichnet für die Mitteldruckturbine verantwortlich.
Als Pratt & Whitney Anfang der 1970er-Jahre ein Triebwerk für eine neue Generation mittelgroßer Passagierflugzeuge mit etwa 200 Sitzen auflegte – Projektname JT10-D – entwickelte und fertigte die MTU erstmals in ihrer Geschichte eine zivile Niederdruckturbine. Das JT10-D wurde in PW2037 umbenannt und fand seine Anwendung in der Boeing 757 und im Militärtransporter Boeing C-17 Globemaster.
Die fünfstufige JT10-D-Niederdruckturbine setzte auf Anhieb Maßstäbe: Der Wirkungsgrad war so hoch, dass er die Fachwelt aufhorchen ließ. Als Ergebnis daraus war die MTU geradezu prädestiniert, bei einem Folgeprogramm – dem V2500 – ebenfalls wieder dieses Modul zu übernehmen. Das V2500 bringt unter anderem die Airbus A320ceo-Familie in die Luft und wurde zum wichtigsten zivilen Triebwerksprogramm der MTU. Es folgten eine Reihe weiterer Entwicklungsprogramme für Niederdruckturbinen, etwa für die Triebwerke PW300 und PW500, die Geschäftsreiseflugzeuge antreiben, sowie für das PW4000 und GP7000.
Heute hat die MTU den Ruf, einer der erfahrensten und technologisch führenden Niederdruckturbinenhersteller der Welt zu sein. Die jüngste Entwicklung: Die schnelllaufende Niederdruckturbine der MTU ist eine Schlüsselkomponente des innovativen Getriebefans und wird für diese Anwendung ausschließlich von der MTU beherrscht. Der GTF Advantage™ erhält eine weiter optimierte NDT made by MTU.
Was zeichnet die schnelllaufende NDT im Getriebefan aus?
Die GTF-NDT erreicht deutlich höhere Umfangsgeschwindigkeiten, wodurch die aerodynamische Belastung sinkt und sich größere Stufenarbeiten bei gleichzeitig höheren Stufen-Wirkungsgraden realisieren lassen. Das verringert die Anzahl der Stufen nahezu auf die Hälfte.
Die schnelllaufende NDT weist eine neuartige, aerodynamisch optimierte 3D-Beschaufelung auf. Aufgrund der Wahl gegenläufiger Drehrichtungen von Hoch- und Niederdruckwelle konnte die bisher übliche erste Leitschaufelstufe der NDT in das Turbinenzwischengehäuse integriert werden. Weitere Highlights sind ein neues Gehäusekonzept zur besseren Abschirmung vom Heißgas sowie leichtere Werkstoffe für die Rotorscheiben. MTU-Bürstendichtungen reduzieren Kühl- und Leckageluft. Boroskopaugen sind die ersten Serienbauteile, die additiv per Laser Powder Bed Fusion gefertigt werden.
Welche Optimierungen sind für den GTF Advantage angedacht?
Für den GTF Advantage™ verbessern die MTU-Expert:innen die schnelllaufende NDT weiter – unter anderem das Spalthaltungssystem. Mittels aktiver Kühlung des Gehäuses wird der Spalt zwischen Laufschaufeln und Gehäuse individuell für jeden Flugpunkt minimiert, um Effizienz und Performance weiter zu steigern. Zudem werden Bauteile geometrisch und aerodynamisch optimiert.
Welche innovativen Technologien finden sich in neuen Niederdruckturbinen?
Zielsetzung aller neuen NDT-Konzepte ist die ausgewogene Auslegung bezüglich Wirkungsgrad, Gewicht, Lärm, Robustheit, Lebensdauer und Kosten. Die MTU entwickelt dafür neue Bauweisen in vielen Bereichen der NDT.
Fortschrittliche Computersimulationen ermöglichen die dreidimensionale Gestaltung des Schaufelkanals unter Einbeziehung der Seitenwände und der Ausrundungsradien. Optimierte Lösungen werden auch für die Leckageluft über Dichtungen an den inneren und äußeren Schaufelrändern untersucht, um aerodynamische Verluste noch weiter zu senken. Für den Einsatz in großen Flughöhen bei kleinen Reynolds-Zahlen werden verbesserte Schaufelprofile sowie Maßnahmen zur gezielten Grenzschichtbeeinflussung erforscht.
Es geht auch um neue Werkstoffe, etwa Einkristalle der 6. Generation, und noch temperaturbeständigere Rotorwerkstoffe sowie Maßnahmen zur Lärmminderung. Modulübergreifend wird die Integration der NDT in die angrenzenden Partnerbauteile Turbinenzwischengehäuse und -austrittsgehäuse optimiert.
Mit der Fertigung von Profilnuten in Turbinenscheiben mittels Elektrochemischer Metallbearbeitung (ECM) wagt sich die MTU weltweit auf Neuland. Die Produktion von Niederdruckturbinen wird durch die Nutzung von Daten effizienter, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger.