Zum Hauptinhalt springen

innovation

Ein Schritt in die Tiefe: MTU setzt auf Geothermie

Die MTU Aero Engines geht neue Wege – nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe. Am Standort München nutzt das Unternehmen künftig Erdwärme zur Wärmeversorgung. Ein Projekt, das Ingenieurskunst mit Pioniergeist und Nachhaltigkeit vereint.

Autorin: Silke Hansen | 4 Min. Lesezeit veröffentlicht am: 16.12.2025

Autorin:
Silke Hansen ist bei der MTU als Themenmanagerin für die Kommunikation im Bereich People & Culture zuständig. Auch Nachhaltigkeit und Qualität gehören zu ihrem Verantwortungsbereich, denn am Ende kommt es in allen drei Themen auf die Menschen an.

Es ist Ende November 2025 in München, an diesem späten Nachmittag regnet es in Strömen. Kalter Regen kommt von oben, sehr heißes Wasser von unten, dazwischen Gesichter, die vor Stolz und Freude strahlen. Die MTU feiert einen Meilenstein – nicht in der Luft, sondern mehr als 2.100 Meter tief in der Erde. Dort, in einer Kalksteinschicht aus dem Jura, die vor rund 150 Millionen Jahren entstanden ist, verbirgt sich 71 Grad heißes Thermalwasser, das künftig den Münchner Standort mit klimaneutraler Wärme versorgt. Mit der offiziellen Inbetriebnahme ihrer Geothermieanlage hat die MTU ein Projekt abgeschlossen, das in Deutschland einzigartig ist. Als erstes Industrieunternehmen hat sie Tiefengeothermie in Eigenregie realisiert.

„Wir feiern heute nicht nur den Start unserer Tiefengeothermie. Wir feiern den Mut, Neues zu wagen und zu zeigen, dass sich Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit nicht ausschließen.“

Dr. Silke Maurer

Vorständin OEM Operations

geothermie_v_0005_web Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht
geothermie_v_0005_web Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

In der Projektlaufzeit von 2022 bis 2025 wurden zwei Bohrungen erfolgreich abgeschlossen – die erste in 57 Tagen, die zweite in 49 Tagen.

mtu_ak_geothermie_2025_11_24_319_web Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht
mtu_ak_geothermie_2025_11_24_319_web Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger und Silke Maurer, COO von MTU Aero Engines, beim offiziellen Start der neuen Anlage am MTU-Standort München.

Glück auf! statt Ready for Takeoff!

Die Idee zur Erschließung von Erdwärme gab es bei der MTU schon länger, den entscheidenden Impuls lieferte Projektleiter Stefan Lange vor fünf Jahren, noch bevor Energiekrisen und geopolitische Konflikte die Versorgungssicherheit in den Fokus rückten. „Die Geothermie ist ein zentraler Baustein unserer unternehmensweiten Klimastrategie ecoRoadmap“, macht Maurer deutlich. Bis 2035 sollen die CO2-Emissionen im MTU-Netzwerk um 63 Prozent im Vergleich zu 2024 sinken. Jeder Standort geht eigene Wege – von Photovoltaik bis Wärmepumpe. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Zwischen 2019 und 2024 sanken die CO2-Emissionen bereits um 42,2 Prozent.

Visionen allein reichen nicht, um aus einer Idee Realität zu machen. Es brauchte technisches Know-how und eine Portion Bergbau-Mut. „Wir mussten uns eigene Bohrrechte sichern und eine Bergbaukonzession beantragen“, erinnert sich Lange. Die MTU wurde offiziell zum Bergbauunternehmen. Statt „Ready for Takeoff“ hieß es nun „Glück auf!“. 2022 folgte die Entscheidung für den Bau der Anlage, die nur drei Jahre später fertig war – inklusive der Tiefen-Bohrungen. Für ein Luftfahrtunternehmen war das alles Neuland.

Technik unter Hochdruck

Die Anlage basiert auf einem geschlossenen hydrothermalen Kreislauf. Zwei Bohrungen, eine Förder- und eine Injektionsbohrung, erschließen das Thermalwasser in über zwei Kilometern Tiefe. Eine Tauchkreiselpumpe bringt das heiße Wasser an die Oberfläche. Dort gibt es die Wärme über Wärmetauscher an das Heiznetz des Standorts ab, bevor es zurück in die Tiefe fließt. Aktuell liegt die Förderleistung bei bis zu 90 Litern pro Sekunde, ab 2027 soll eine größere Pumpe sogar 150 Liter schaffen. Die Geothermieanlage der MTU hat derzeit die effizienteste Produktionsrate in Bayern (gemessen an benötigter Energie zur Förderung der Wassermenge).



So funktioniert Geothermie: Es gibt verschiedene Arten und Technologien zur Nutzung von Erdwärme. Das von der MTU in München(Allach) angestrebte Verfahren ist die hydrothermale Geothermie. Durch eine Förderbohrung aus zirka 2.200 Metern Tiefe wird das etwa 70-75 Grad Celsius heiße Wasser aus dem Tiefengrundwasserreservoir an die Oberfläche gepumpt. In einem geschlossenen Thermalwasserkreislauf kann die Wärme über Wärmetauscher in den Heizwasserkreislauf der MTU übertragen werden. Dabei sinkt die Wassertemperatur auf etwa 40 Grad. Das abgekühlte Wasser wird über eine Injektionsbohrung zurück in das gleiche Tiefengrundwasserreservoir geleitet, aus dem es gefördert wurde. Dort erhitzt es sich wieder und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit

Die technischen Fakten sind schon beeindruckend, noch beeindruckender sind die ökologischen: Bis zu 80 Prozent des Wärmebedarfs am Standort deckt die Geothermie künftig CO2-frei ab. Das spart jährlich rund 10.000 Tonnen CO2 und bis zu 56 Gigawattstunden Erdgas, so viel wie 2.000 Einfamilienhäuser an Wärmeenergie benötigen. „Unsere Investition amortisiert sich in sieben Jahren“, betont Maurer. „Und die Anlage kann 50 bis 100 Jahre betrieben werden.“ Die Geothermie macht die MTU weitestgehend unabhängig von Gaspreisen und von Lieferungen und steht für wirtschaftlich tragfähigen Klimaschutz.

Auf einen Blick: Geothermie bei der MTU

  • Temperatur des Thermalwassers: 71 °C
  • Tiefe der Bohrungen: über 2.100 m
  • Förderleistung: bis zu 90 l/s (Phase 1), 150 l/s (Phase 2)
  • CO2-Einsparung: bis zu 10.000 t/Jahr
  • Leistung: 10-14 MW (entspricht einer jährlichen Wärmeversorgung von 2.000 Ein-Familien-Haushalten)
  • Projektlaufzeit: 2022–2025
  • Zwei Bohrungen: erste Bohrung erfolgte in 57 Tagen, die zweite in 49 Tagen

Pionierrolle für die Industrie

„Die MTU hat mit der Geothermie ein Versprechen geschaffen: für Wärme aus der Tiefe, für Klimaschutz und für die Zukunft unserer Kinder.“

Stefan Lange

Projektleiter

Mathilda und Valentina – die beiden Bohrungen heißen nicht zufällig nach den Töchtern von Stefan Lange. Die Namen sind ein Symbol dafür, dass dieses Projekt Technik und Ingenieurskunst mit der Verantwortung für kommende Generationen vereint. „Die MTU hat mit der Geothermie ein Versprechen geschaffen: für Wärme aus der Tiefe, für Klimaschutz und für die Zukunft unserer Kinder“, freut sich der Bauingenieur, für den an einem regnerischen Novembernachmittag ein Herzensprojekt in Erfüllung geht, das den Standort München zu einem Vorreiter für nachhaltige Industrie macht.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:


Der AEROREPORT berichtet über Hochtechnologie und exzellenten Service „Made by MTU“ und über allgemeine Luftfahrtthemen.

Der AEROREPORT ist das Online-Magazin der MTU Aero Engines, Deutschlands führendem Triebwerkshersteller. Fliegen und die Technologie, die es ermöglicht, sind faszinierend und bieten ein breites Themenspektrum: mehr als hundert Jahre Geschichte und viele Fragestellungen für die Zukunft der Luftfahrt angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit.