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„Kreative Köpfe, die das scheinbar Unmögliche möglich machen“

Lars Wagner, CEO der MTU Aero Engines, über die emissionsfreie Zukunft der Luftfahrt und die Chancen für die Triebwerksmacher:innen von heute und morgen.

05.2023 | Autorin: Nicole Geffert | 4 Min. Lesezeit

Autorin:
Nicole Geffert arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.


„Durch unsere Büros und Werkshallen weht ein frischer Wind: Wir werden noch digitaler, diverser und agiler. Wer bei uns arbeitet, spürt Vertrauen und erlebt Teamgeist und Kollegialität.“

Lars Wagner

Vorstandsvorsitzender der MTU Aero Engines AG

AEROREPORT: Herr Wagner, wenn wir in zehn Jahren in den Himmel blicken, sehen wir dann immer noch die gleichen Flugzeuge wie heute?

Lars Wagner: Es ist gut möglich, dass wir dann schon das eine oder andere batterieelektrische Lufttaxi sehen. Aber zehn Jahre sind in der Luftfahrt keine große Zeitspanne, wenn wir uns die langen Produktionszyklen und langlebigen Produkte vor Augen führen. Wir werden daher bei Passagierflugzeugen nicht gänzlich von der konventionellen Fluggasturbine weg sein. Doch mit der evolutionären Weiterentwicklung unserer hocheffizienten Gasturbine auf Basis des Getriebefans sowie dem revolutionären Antriebskonzept unseres Water-Enhanced Turbofans können Emissionen drastisch reduziert werden – und das ohne das Flugzeugdesign abändern zu müssen.

AEROREPORT: Wird es künftig einen Mix aus verschiedenen Technologien geben?

Wagner: Ja das wird es. Wir werden neue Technologien dort einsetzen, wo sie am effizientesten sind. Heute fliegt jedes Passagierflugzeug mit Kerosin. Die Zukunft wird deutlich differenzierter sein. Wir peilen mit der Flying Fuel Cell™ einen wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Antrieb für Flugzeuge an, die bis zu 100 Passagiere befördern können. In der Größe von 150 bis 200 Sitzen sorgt künftig die Gasturbine, angetrieben mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff, für Schub. Großraumflugzeuge mit 250 Sitzen und mehr, die auf der Langstrecke fliegen, werden voraussichtlich ebenfalls mit einer Gasturbine und nachhaltigen Treibstoffen abheben.

AEROREPORT: Die Luftfahrt gerät mit ihrem Beitrag zur Klimaerwärmung weiter unter Druck. Ist der Traum vom Fliegen bald ausgeträumt?

Wagner: Nein, Mobilität ohne Luftfahrt ist keine Option. Die Reiselust der Menschen ist ungebremst. Doch Flugzeuge befördern nicht nur Passagiere, sondern transportieren auch Güter rund um den Globus. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass wir die Emissionen drastisch senken müssen. Dass wir immer effizientere Triebwerke entwickeln, ist ja nichts Neues, das machen wir seit Jahrzehnten. Diesen Weg verfolgen wir weiter, nur dass wir jetzt einen richtig großen Wurf landen müssen, wenn wir klimaneutral und dann emissionsfrei fliegen wollen. Die nächsten zehn bis zwanzig Jahre werden eine immense Kraftanstrengung. Doch wir haben die Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Ich habe selbst Kinder und möchte, dass diese ihre Zukunft auf der Erde selbst gestalten können.

AEROREPORT: Themen wie Künstliche Intelligenz, Digitalisierung oder Smart Factory beschäftigen aktuell die Industrie. Welche Chancen eröffnen sich damit für die Triebwerksmacher:innen?

Wagner: Das sind für die MTU und mich nicht nur Schlagworte, sondern Realität und Zukunft zugleich. Die Triebwerksmacher:innen können sich bei uns in spannende Innovationsprojekte einbringen, mit denen sie weltweit einzigartige Entwicklungen realisieren können. Zusammen mit Forschungspartnern und mit zum Beispiel auf Robotik spezialisierte Firmen entwickeln wir für unsere Fertigung immer effizientere Abläufe bis hin zu gänzlich neuen Produktionslinien. Die Digitalisierung unterstützt uns, noch effizienter und produktiver zu werden. Beim Getriebefan geht es schon heute nicht mehr ohne smarte Automatisierung. Das Besondere daran ist, dass es diese Anlagen und Prozesse oft so noch in keiner anderen Industrie gibt, wir stehen bei der MTU also an der Spitze neuer Entwicklungen.

AEROREPORT: Für ihre innovativen Technologien ist die MTU weltweit bekannt. Wie fördern Sie die Kreativität Ihrer Mitarbeiter:innen?

Wagner: Wir arbeiten seit Jahrzehnten eng und interdisziplinär mit Industrie- und Forschungspartnern zusammen, um Innovationen voranzutreiben. Wir stehen zudem im intensiven Austausch mit Think Tanks, Startups und weiteren zukunftsorientierten Teams – immer auf der Suche nach dem nächsten technologischen Sprung. Zudem geben wir unseren Expert:innen neben ihrem Tagesgeschäft Freiräume für Brainstorming und zum Experimentieren – zum Beispiel im Digitalization Lab und Inno Lab der MTU, wo sie digitale Technologien und außergewöhnliche Ideen ausprobieren, aber auch nach globalen Trends scouten können.

AEROREPORT: Sie haben Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Was fasziniert Sie noch heute an dem Beruf?

Wagner: Ursprünglich wollte ich Pilot werden (lacht). Das sagen sicher viele Ingenieur:innen, die dann doch nicht im Cockpit gelandet sind, sondern Luft- und Raumfahrttechnik studiert haben. Fürs Fliegen begeistere ich mich seit meiner Kindheit. Diese Faszination ist ungebrochen. Meine Motivation ist die Gänsehaut, die ich bekomme, sobald ich ein Flugzeug fliegen sehe. Diese Begeisterung und der ungebremste Spaß an der Arbeit sind mein Antrieb.

AEROREPORT: Was geben Sie den Triebwerksmacher:innen von heute und morgen mit auf den Weg?

Wagner: Erst einmal das Kompliment, dass sie die richtige Branche gewählt haben. Wir freuen uns auf kreative Köpfe, ihren Tatendrang und ihre Leidenschaft, mit Technologie das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Selbst wenn wir uns voll und ganz in unsere Arbeit vertiefen, behalten wir stets unsere Kunden und deren Bedarfe im Blick. Wir sind eine traditionsreiche Industrie, aber deshalb nicht old school. Durch unsere Büros und Werkshallen weht ein frischer Wind: Wir werden noch digitaler, diverser und agiler. Wer bei uns arbeitet, spürt Vertrauen und erlebt Teamgeist und Kollegialität. Es sind die Menschen, die bei der MTU im Mittelpunkt stehen.

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