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Im Dreamliner zum Südseetraum Tahiti
118 Inseln mitten im endlosen Südpazifik, das ist Französisch-Polynesien. Ohne Luftverkehr wäre das Leben für Touristen und Einwohner undenkbar.
01.2020 | Autor: Andreas Spaeth | 5 Min. Lesezeit
Autor:
Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.
Ein Blick auf den Globus reicht und es ist klar, dass die magische Inselwelt von Französisch-Polynesien extrem weit entfernt liegt von allen großen Zentren der Zivilisation, irgendwo ganz unten im endlosen Blau der Südsee. Tahiti, die Hauptinsel, und das ganze französische Überseeterritorium mit insgesamt 283.000 Einwohnern auf 118 Inseln und Atollen lebt von Besuchern. Aber sie sind auch Gefangene dieser Abgelegenheit – nach Los Angeles sind es rund acht Flugstunden; die nächste Großstadt ist Auckland in Neuseeland, fünf Flugstunden entfernt. Kein Wunder, dass die Inseln im Jahr nur so viele Touristen empfangen wie das zu den USA gehörende Hawaii weiter nördlich in einer einzigen Woche.
Aber ohne Besucher wäre das Territorium nicht überlebensfähig, andere nennenswerte Wirtschaftszweige gibt es nicht. Von entscheidender Bedeutung sind also gute Anbindungen auf dem Luftweg – und zwar auf allen Ebenen. Im Langstreckenverkehr kommen vor allem die großen Touristenströme aus dem Mutterland Frankreich, gut 21 Stunden Reise entfernt, und Urlauber aus dem näheren Nordamerika unter die Palmen des Atolls Bora Bora und der anderen Inselschönheiten. Der Flugverkehr zwischen den Inseln befördert Touristen an ihre Ziele und ermöglicht Einheimischen den Weg zur Außenwelt.
Die „große“ Air Tahiti
Air Tahiti Nui heißt die nationale Fluggesellschaft Französisch-Polynesiens, „Nui“ steht für „groß“. Sie wurde 1998 gegründet und flog viele Jahre mit einer Flotte von zuletzt fünf Airbus A340-300. Erst seit Mitte 2019 hat sich die Gesellschaft komplett neu erfunden: Mit einer Flotte aus vier werksfrischen Boeing 787-9, die überall, wo sie auftauchen, mit ihrer eigens entworfenen neuen Bemalung zum absoluten Hingucker geworden sind. Das leuchtend tiefe Blau lässt sofort an das türkisblaue Wasser der Südsee denken. Die weiße Tiare-Blüte am Heck ist die Nationalblume, jeder Passagier erhält beim Einsteigen eine echte solche Blüte überreicht. Und in hellblau ziehen sich Motive aus den typischen Tätowierungen der abgelegenen Marquesas-Inseln über den hinteren Rumpf. Da finden sich stilisierte Manta-Rochen, Albatrosse, Angelhaken, Ozeanwellen und Tiki-Symbole aus dem Ahnenkult.
Extrem lange und dünne Strecken
„Wir wollten die Boeing 787-9, die perfekt zu unseren extrem langen Strecken mit mittelgroßem Passagieraufkommen passt“, sagt Managing Director Mathieu Bechonnet. Und trotz erheblichen politischen Drucks, als französische Fluglinie bei Airbus die A350 oder die A330neo zu kaufen, setzte sich die Insel-Airline am Ende damit durch. Interessant ist, dass fast alle anderen nach Tahiti fliegenden Carrier – LATAM, Air New Zealand und United Airlines – ebenfalls die 787 einsetzen, eben das perfekte Flugzeug für solche weiten, „dünnen“ Strecken. Air France kommt mit der Boeing 777-300ER, der Billigflieger French Bee neuerdings mit der A350.
Air Tahiti Nuis Streckennetz umfasst nur eine Handvoll Ziele – Flüge von ihrer Heimatbasis Papeete auf Tahiti nach Tokio, Auckland, Los Angeles und Paris. In ihrem Wachstum hängt die Gesellschaft unmittelbar am Tourismus. „Wir haben keine Umsteiger oder Passagiere der Sechsten Freiheit, das heißt Fluggäste, die wir mit einer Zwischenlandung in unserem Heimatland von einem fremden Land ins andere transportieren. Wir sind völlig von der Destination und von der Zahl der verfügbaren Hotelzimmer abhängig. Die ist durch Hotelschließungen zuletzt deutlich gesunken, das macht es uns schwer zu expandieren“, sagt Christopher Korenke. Der Deutsche ist kommerzieller Chef der Südsee-Airline. Wichtig sei vor allem, sicherzustellen, dass jederzeit ausreichende Kapazitäten nach Tahiti bereitstehen, weil die Anzahl anderer Airlines, die die Insel bedienen, sehr schwankt.
Mehr Effizienz durch neue Flotte
80 Prozent ihres Geschäfts macht Air Tahiti Nui mit Touristen. Seit Jahren schafft es die Gesellschaft profitabel zu fliegen, und die Effizienzgewinne durch die Flottenerneuerung sind hochwillkommen. Die Dreamliner von Air Tahiti Nui fliegen mit General Electric GEnx-Triebwerken, an denen auch die MTU beteiligt ist. Sie verbrennen 23 Prozent weniger Kerosin als die Antriebe der A340-300, außerdem machen sie die 787 erheblich schneller: Auf der Strecke nach Paris ist die Flugzeit nun um satte 90 Minuten kürzer. „Und die Wartungskosten liegen sogar um 35 Prozent unter denen für die A340“, weiß Flugbetriebschef Raymond Topin. Er freut sich vor allem, dass seine neue Flotte jetzt auch für ETOPS 225 zugelassen ist. Damit kann ab Los Angeles nach Papeete die kürzeste Route gewählt werden, was nochmal bis zu 15 Minuten Flugzeit spart.
Die meisten Tahiti-Reisenden wollen weiter nach Bora Bora, der wichtigsten Resort-Insel, 50 Flugminuten vom Hauptstadtflughafen entfernt. Um die pure Südsee-Idylle zu erreichen, besteigen die Passagiere eine ATR-72 von Air Tahiti, der Regionalgesellschaft und Lebensader des Inselverkehrs. Obwohl die insgesamt elf ATRs von Air Tahiti ab Papeete 46 Inseln anfliegen, macht die „Rennstrecke“ nach Bora Bora fast ein Viertel des gesamten Passagieraufkommens von zuletzt 826.000 Fluggästen (2018) aus.
Inselhopping mit Einzelstrecken von bis zu vier Flugstunden
Die besondere Herausforderung für die Insel-Airline liegt vor allem in der riesigen Ausdehnung Französisch-Polynesiens. Manche Eilande und Atolle liegen fast vier Turboprop-Flugstunden entfernt von Papeete, das entspricht der Entfernung von Paris nach Stockholm, und die schwächsten Strecken generieren manchmal weniger als 300 Passagiere – pro Jahr. Die mehrheitlich private Regionalgesellschaft erhält keinerlei staatliche Subventionen und muss sich daher anders behelfen. „Bei uns bezahlen die Touristen die Lokaldienste mit“, erklärt Air Tahiti-CEO Manate Vivish die Quersubvention.
Tochterfirma: Air Tahiti Nui Helicopters ist der Ableger der Fluggesellschaft für Inselflüge mit modernen Airbus-Hubschraubern.
Wer es sich leisten kann, mietet sich in Tahiti, der Nachbarinsel Moorea oder auf Bora Bora auch ganz exklusiv einen Hubschrauber. Dafür hat Air Tahiti Nui mit dem französisch-schweizerischen Marktführer HBG extra eine Tochterfirma gegründet. Sightseeing-Flüge rund um die über 2.000 Meter hohen, von dichtem Grün überwucherten Berggipfel auf Tahiti oder die atemberaubende Aussicht auf Moorea und Bora Bora von oben geben dem Paradies nochmal eine ganz neue Dimension.