good-to-know
Airbus A220 – innovativer Mittelstreckenjet aus Kanada
Mit der Übernahme der früheren C-Series von Bombardier landete Airbus den großen Wurf und konnte sein Angebot nach unten abrunden. Bald könnte die A220 nochmal länger werden.
Autor: Andreas Spaeth | 4 Min. Lesezeit veröffentlicht am: 02.07.2025
Autor:
Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.

Wahre Innovationen im Verkehrsflugzeugbau sind selten – echte Premieren gibt es gar nur einmal pro Jahrzehnt, wenn überhaupt. Im Single-Aisle-Segment haben die beiden Giganten Boeing und Airbus längst ihre Platzhirsche etabliert: Boeing seit der Einführung der 737 im Jahr 1967, Airbus seit dem Debüt der A320 exakt 20 Jahre später. Anstatt völlig neue Modelle zu entwickeln, setzen beide Hersteller auf kontinuierlich weiterentwickelte Iterationen ihrer bewährten Bestseller – bei Boeing inzwischen seit fast sechs Jahrzehnten. Einen echten Neuanfang wagte hingegen der kanadische Bombardier-Konzern aus Québec. Mit seiner erfolgreichen Canadair Regional Jet (CRJ)-Familie hatte sich das Unternehmen seit 1991 zeitweise zum drittgrößten zivilen Flugzeughersteller der Welt entwickelt. 2005 präsentierte Bombardier mit der C-Series ein gänzlich neues Konzept für 120 bis 160 Passagiere – und traf damit eine empfindliche Lücke im Produktportfolio von Airbus und Boeing.
Doch bei Entwicklung und Vertrieb der innovativen Zweistrahler mit 2+3-Sitzanordnung übernahmen sich die Kanadier. Für Airbus war die Übernahme des Programms im Jahr 2017 für einen symbolischen kanadischen Dollar einer der besten Deals der Firmengeschichte. Beinahe ohne eigenen Aufwand konnte der Konzern sein Portfolio um ein hochmodernes Verkehrsflugzeug erweitern – und profitierte dabei von der aufwendigen Vorarbeit Bombardiers, das sich gleichzeitig als Konkurrent aus dem Markt zurückzog. Mit den neuen Synergien und der globalen Vertriebskraft von Airbus entwickelte sich das inzwischen A220 genannte Modell zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber. Passagiere schätzen das Flugzeug besonders für seine leisen Triebwerke und die komfortable Kabine.

©AIRBUS 2022 – photo by C. SANTANA
Der innovativen Zweistrahler hat eine 2+3-Sitzanordnung.

©airbus sas 2022
Der Airbus A220 wird in Nordamerika produziert.

©AIRBUS 2022 – photo by C. SANTANA

©airbus sas 2022
Airbus A220 – Zahlen, Daten, Fakten
- Der Airbus A220 ist der einzige Flugzeugtyp des Herstellers, der ausschließlich in Nordamerika produziert wird – in Mirabel bei Montréal, einem ehemaligen Bombardier-Werk, das mittlerweile erheblich erweitert wurde. Der Standort war Teil des Übernahmevertrags zwischen der Regierung von Québec und Airbus.
- Das Flugzeug wird in zwei Versionen angeboten: dem Basismodell A220-100 (35 Meter lang, für 100 bis 135 Passagiere) und der gestreckten Version A220-300 (38,71 Meter lang, für 120 bis 160 Passagiere). Tragflächen und Triebwerke sind bei beiden Varianten identisch.
- Airbus plant seit Langem eine mögliche weitere Streckung der A220 zu einer dritten Variante: der A220-500, die schätzungsweise bis zu 170 Passagiere fassen könnte. Konkrete Informationen dazu liegen bislang nicht vor – viele Fragen, etwa zur Wahl des Triebwerks, sind noch offen.
- Bis Februar 2025 konnte Airbus 904 Exemplare der A220 verkaufen, davon waren bis April 2025 weltweit 410 ausgeliefert. Laut Hersteller ist das allerdings „noch nicht der erhoffte Erfolg“. Nur 70 Maschinen des kürzeren Basismodells A220-100 befinden sich im Liniendienst.
- Air Baltic ist derzeit die einzige größere Fluggesellschaft, die ausschließlich Flugzeuge der A220-Familie in ihrer Flotte betreibt. Sie hatte bereits bei Bombardier die damalige C-Series bestellt.
- Die A220 gilt als sehr effizientes Flugzeug. Das Design, die GTF-Triebwerke sowie die moderne Flugsteuerung sorgen für einen reduzierten Treibstoffverbrauch und niedrigere Betriebs- und Wartungskosten. Zwei Drittel des Effizienzvorteils beruhen laut Airbus auf den GTF-Triebwerken, das verbleibende Drittel auf der leichten Struktur, der modernen Aerodynamik und der Flugsteuerung.
Airbus A220

Airbus A220
- Typ:
- Zweistrahliges Verkehrsflugzeug
- Hersteller/Herkunft:
- Bombardier/Airbus Canada - Montréal-Mirabel, Kanada
- Erstflug:
- 16. September 2013
- Indienststellung:
- 15. Juli 2016 bei Swiss (CS100)
- Produktionszeit:
- 2013 bis heute
- Anzahl gebaut:
- 410 bis April 2025 von 904 Beschäftigten
- Länge:
- 35 Meter (A220-100), 38,71 m (A220-300)
- Spannweite:
- 35,10 Meter
- Reichweite:
- 6.390 Kilometer (A220-100), 6.700 km (A220-300)
- Reisegeschwindigkeit:
- 829-871 km/h
- Sitze (max./typisch):
- 135/120 (A220-100), 160/150 (A220-300)
Dieser Inhalt könnte Sie auch interessieren

GTF™ Triebwerksfamilie
Die Pratt & Whitney GTF™ Triebwerksfamilie treibt Reiseflugzeuge der nächsten Generation an.
Das Triebwerk der A220: PW1500G
Das PW1500G ist ein Getriebefan-Triebwerk von Pratt & Whitney, das speziell für die Airbus A220 entwickelt wurde. Sein Untersetzungsgetriebe zwischen Fan und Niederdruckverdichter sowie der antreibenden Niederdruckturbine erlaubt es dem Fan, langsamer zu drehen. Gleichzeitig können Niederdruckverdichter und -turbine erheblich schneller laufen. Dadurch lassen sich geringere Fan-Druckverhältnisse und damit höhere Nebenstromverhältnisse verwirklichen sowie alle Komponenten in ihrem jeweiligen Optimum betreiben. Das verhilft dem PW1500G zu einem sehr hohen Gesamtwirkungsgrad und verringert Treibstoffverbrauch, Kohlenstoffdioxidausstoß und Lärmentwicklung erheblich.
Die MTU Aero Engines ist mit einem Anteil von 15 Prozent am PW1500G-Programm beteiligt und verantwortlich für die Entwicklung und Fertigung der schnelllaufenden Niederdruckturbine sowie der ersten vier Stufen des Hochdruckverdichters. Zudem übernimmt MTU die Instandhaltung des PW1500G über das Joint Venture EME Aero in Polen, das gemeinsam mit Lufthansa Technik betrieben wird.
PW1500G

PW1500G
- Typ:
- Zweiwellen-Zweistromtriebwerk
- Schub (Pfund):
- 19 - 25 k
- Bypass Ratio:
- 12.5:1
- Fan-Druchmesser:
- 1,85 m
- Programmanteil MTU:
- 15% - Entwicklung und Fertigung verschiedener Stufen des Hochdruckverdichters, der schnelllaufenden Niederdruckturbine und von Bürstendichtungen bei allen Anwendungen
Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth erinnert sich

„Und dann kam sie – drehte ein paar Runden, flog einige elegante Kurven, damit alle gut erkennen konnten, was unter der neuen Airbus-Lackierung prangte: Airbus A220-300.“
Als Airbus die C-Series übernommen hatte, begann das Rätselraten: Wie würde das Flugzeug künftig heißen? Da der Typ bereits bekannt war, hielt es das Airbus-Marketing für eine gute Idee, alle ein wenig auf die Folter zu spannen – schließlich war die neue Bezeichnung die letzte offene Frage. A360 vielleicht? Oder A200?
Am 17. Juni 2018 wurden die Medien nach Toulouse eingeflogen und das „Findelkind“ als neues Familienmitglied vorgestellt. Verkaufschef John Leahy hatte die C-Series noch zuvor als „das niedliche kleine Flugzeug“ bezeichnet – eine ironische Abwertung des Rivalen, der Airbus nun überraschend in den Schoß gefallen war.
Wir standen also alle am Pistenrand auf dem Airbus-Gelände und warteten auf eine himmlische Erscheinung, die das Geheimnis lüften würde. Und dann kam sie – drehte ein paar Runden, flog einige elegante Kurven, damit alle gut erkennen konnten, was unter der neuen Airbus-Lackierung prangte: Airbus A220-300. Die Maschine landete und wurde neben einer Bühne empfangen, während bereits A220-Fähnchen verteilt wurden. In diesem Moment war die Verpackung, das Branding, wichtiger als der Inhalt.
Das Flugzeug trug – als Zeichen seiner Herkunft – ein kanadisches Kennzeichen samt kanadischer Flagge.