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On-Site-Service: Mobile Teams für eilige Triebwerksreparaturen
Für eilige Reparaturen hat die MTU weltweit Shops aufgebaut. Die mobilen Teams sind darauf spezialisiert, Reparaturen am Flügel oder bei der Airline durchzuführen, um einen reibungslosen Triebwerksbetrieb sicherzustellen. Sie meistern komplexe Herausforderungen – von Boroskop-Inspektionen über Top-Case-Reparaturen an Hochdruckverdichtern bis hin zum Austausch ganzer Module.
05.2024 | Autorin: Nicole Geffert | 9 Min. Lesezeit
Autorin:
Nicole Geffert
arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.
- Michael Schreyögg spricht über Trends in der Triebwerksinstandhaltung
- On-Site-Service: Mobile Teams für eilige Triebwerksreparaturen
- MTU Maintenance: Ausbildungsprogramme weltweit
- Technisches Kundentraining: Vertrauen durch Transparenz und Expertise
Zwei Jahrzehnte hatte Michael Kautzschmann das Ruder der Qualitätssicherung bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg in Ludwigsfelde in der Hand. Bei den konzernweiten Qualitätsinitiativen der MTU ist er bis heute vorn dabei. „Qualität bedeutet Sicherheit und die spielt in der Luftfahrt eine zentrale Rolle“, sagt er.
Zunehmend verlangen die Airlines wegen steigenden Kostendrucks kleinere und gezieltere Reparaturen statt umfangreicher Instandhaltungen. Und auch die Triebwerksarchitektur verändert sich zunehmend dorthin, dass Arbeitsumfänge am Flügel durchgeführt werden können. Kautzschmann: „Statt ein Triebwerk um die halbe Welt zu schicken, um es in einem Shop reparieren zu lassen, sollte es möglichst vor Ort wieder fit gemacht werden.“
Dieser Service ist eine Stärke der MTU Maintenance. An ihren weltweiten Standorten für ON-SITEPlus Service (OSS) sind mobile MTU-Teams darauf spezialisiert, Reparaturen am Flügel oder bei der Airline vor Ort durchzuführen, um einen reibungslosen Triebwerksbetrieb sicherzustellen.
Einsatz am Flügel: Bei den OSS-Einsätzen der MTU Maintenance muss es meist schnell gehen. Wie hier beim GE90, dem größten Triebwerk der Welt, dass die Expert:innen wieder startklar gemacht haben.
Als die Nachfrage nach schnellem Service stieg, baute die MTU ihre Standorte in Dallas, USA, Sāo Paulo, Brasilien und Perth, Australien zu Service-Centern für die Luftfahrt aus – mit Unterstützung von Kautzschmann und MTU-Expertenteams aus Ludwigsfelde. Dort werden nun in Hallen mit speziellen Docks für kleinere Arbeitsumfänge und eilige Reparaturen etwa das CF34, PW800 oder CFM56 wieder einsatzbereit gemacht. Für noch mehr Kundenservice wurden die Fähigkeiten um komplexe Reparaturservices ausgeweitet: angefangen bei Boroskop-Inspektionen über Top-Case-Reparaturen an Hochdruckverdichtern bis hin zum Austausch ganzer Module.
Kautzschmann: „Wenn eine Airline uns ruft, ist die MTU Maintenance in der Lage, binnen 24 Stunden weltweit ein spezialisiertes Team loszuschicken – wie unlängst bei einem Einsatz für ein GE90, das größte Triebwerk der Welt, das ein gemischtes OSS-Team aus Ludwigsfelde, Hannover und Dallas wieder startklar gemacht hat.“
Qualität ist ein dynamischer Prozess. „Kundenbedürfnisse und Markttrends ändern sich, Technologien werden weiter entwickelt. Darauf haben wir unsere Arbeit abzustimmen“, sagt Kautzschmann. Wie das gelingt? „In unserem MRO-Netzwerk tauschen wir unser Know-how regelmäßig aus, lernen dabei von den Besten und überprüfen sorgfältig unsere Standards – immer mit dem Ziel, weltweit maximale Qualität und Sicherheit zu liefern.“
Hier geht’s auf die Reise zu vier Destinationen, an denen die MRO-Expertenteams der MTU ihre Fähigkeiten und ihr Können am Triebwerk unter Beweis stellen:
„Dass wir unser Wissen und unsere Ressourcen innerhalb des MRO-Netzwerks teilen, ist von unschätzbarem Wert. Für unsere Kunden schafft das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Sicherheit der MTU-Produkte.“
Customer Program Manager bei der MTU in Perth
Perth, Australien
Eine Weihnachtsfeier bei über 40 Grad Celsius mit Barbeque statt Plätzchen: Für Sven Zimmermann, Triebwerksmechaniker bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg, war das der gelungene Abschluss eines fünfwöchigen Trainings im westaustralischen Perth. Der Experte für das Triebwerk CF34-10E arbeitet für das On-Site-Serviceteam in Ludwigsfelde. Seine Einsätze führen ihn vor allem quer durch Europa.
Im November 2023 dauerte der Flug zum Einsatzort länger als sonst, denn es ging zum MTU Maintenance Service Centre Australia. Diesmal empfing nicht ein Kunde den Experten, sondern das australische MTU-Team. Auf dem Programm stand ein spezielles Training am Hochdruckverdichter (HDV) des CF34.
Der MTU-Standort in Perth ist eigentlich spezialisiert auf Services für Industriegasturbinen aus der LMTM-Serie von GE Vernova. Anfang 2023 wurde er allerdings von der australischen Zivilluftfahrtbehörde CASA auch als Instandhaltungsbetrieb für das GE-Triebwerk CF34-10E zugelassen – als einziger On-Site-Serviceanbieter für Luftfahrtantriebe im Südpazifik.
„Unser Kunde in Australien hatte eine HDV-Top-Case-Reparatur seines CF34-10E-Triebwerks angefragt“, berichtet Matiu Cox, Customer Program Manager bei der MTU in Perth. „Mit dem Training haben wir gleich doppelt gepunktet: Wir konnten der Airline zeigen, wie gut das On-Site-Service-Netzwerk der MTU funktioniert, und die Chance nutzen, unsere Fähigkeiten an dem Triebwerk zu erweitern.“
Die Top-Case-Reparatur gehört zu den umfangreichsten Arbeiten, die vor Ort geleistet werden können. Um Zugang zum neunstufigen Rotor des Hochdruckverdichters zu bekommen, müssen unzählige Rohrleitungen, Pumpen und Ventile abgebaut werden. Cox: „Die Reparatur ist komplex.“ Und Zimmermann ergänzt: „Wir operieren quasi am offenen Herzen.“
„Wir sind zwar ein kleinerer Standort als Ludwigsfelde, legen aber natürlich ebenso größten Wert auf Qualität“, sagt Cox. „Dass wir unser Wissen und unsere Ressourcen innerhalb des MRO-Netzwerks teilen, ist von unschätzbarem Wert. Für unsere Kunden schafft das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Sicherheit der MTU-Produkte.“
„Die mobilen Teams in Perth und Dallas führen viele Reparaturen am Flügel aus, das macht die Hälfte ihrer Einsätze aus.“
Certifying Staff bei der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg
Dallas, USA, und Perth, Australien
Michael Eng bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Das ist gut so, denn er braucht für seinen Job eine ruhige Hand: Seit 20 Jahren ist für den Triebwerksspezialisten der MTU in Ludwigsfelde das Boroskop das wichtigste Werkzeug. „Damit inspiziere ich das Innere eines Triebwerks, um Qualität oder Verschleiß von Bauteilen zu prüfen“, sagt Eng, der zum Certifying Staff gehört und Module nach der Montage für den Betrieb freigeben darf.
„Boroskopie ist gerade auch beim On-Site-Service gefragt“, sagt Eng. Bei diesen Einsätzen vor Ort reparieren die mobilen Teams der MTU – wenn möglich – das Triebwerk direkt am Flügel, ohne dass es auseinander gebaut werden muss. Das spart der Airline Zeit und Kosten.
Doch Boroskopieren will gelernt sein, denn nur der geschulte Blick entdeckt auch kleinste Schäden und nur mit Erfahrung kann man sie richtig beurteilen. Eng und weitere MTU-Expert:innen haben deshalb ein Ausbildungskonzept für Boroskop-Inspektionen erarbeitet, um Triebwerksprofis an den weltweiten MRO-Standorten der MTU zu qualifizieren. So reiste Eng für mehrere Wochen zum MTU Maintenance Service Centre Australia und anschließend weiter zur MTU Maintenance Dallas in die USA. Das Trainingskonzept hatte er mit im Gepäck.
„Die mobilen Teams in Perth und Dallas führen viele Reparaturen am Flügel aus, das macht die Hälfte ihrer Einsätze aus“, schildert Eng. Auf dem Programm standen daher Intensivtrainings fürs Boroskopieren der Triebwerke CF34-8, CF34-10 sowie CFM56-7. „Ein CFM56-7 sorgfältig zu boroskopieren, dauert rund zehn Stunden“, informiert der MTU-Experte. „Entscheidend ist, dass die Messergebnisse und die Schadensbeurteilung zuverlässig sind.“
Außer top ausgebildetem Personal kommt es auch auf das richtige Werkzeug an. Die MTU-Standorte in Perth und Dallas verfügen natürlich über modernes Boroskop-Equipment. „Das Spannende an solchen Trainings ist, dass auch ich von den Erfahrungen der Anderen lerne“, berichtet Eng und resümiert: „Von dem intensiven Austausch profitieren alle.“
„Diese Lösung war nur möglich, weil das MTU-Team so flexibel mit GOL zusammenarbeiten konnte. Dadurch konnten die Durchlaufzeit und die Logistikkosten im Vergleich zu der Option, die Triebwerke in einen Shop außerhalb Brasiliens zu schicken, reduziert werden.“
GM Aerotech MRO und Executive Director of Maintenance and SCM
São Paulo, Brasilien
Gol Airlines ist ein langjähriger Kunde der MTU. Die MTU war einer der ausgewählten Instandhaltungsbetriebe für ein GOL-Projekt, bei dem die Hochdruckturbinenschaufeln einiger CFM56-Triebwerke im Schnellverfahren ausgetauscht werden sollten.
Kay Annemüller, Triebwerkspezialist und Certified Engineer vom On-Site-Service der MTU in Ludwigsfelde, wurde zusammen mit zwei Triebwerksmechanikern losgeschickt – ihr Ziel: Belo Horizonte im Südosten Brasiliens, wo Gol’s MRO Aerotech I seine Basis hat. Dort stand bereits ein Team der MTU Maintenance do Brasil bereit, um gemeinsam mit den Experten aus Ludwigsfelde den Wechsel der Schaufeln durchzuführen.
Der Auftrag war für das MTU-Expertenteam aus São Paulo gleichzeitig ein Training-on-the-job, um künftig eigenhändig diese anspruchsvolle Reparatur durchführen zu können. Der MTU-Standort in São Paulo ist ein On-Site-Servicezentrum für Flugzeugtriebwerke und Industriegasturbinen. Das Team ist zugelassen für Boroskop- und End-of-Lease-Inspektionen, Top-Case-Reparaturen an Hochdruckverdichtern, tauscht Fan-Schaufeln und Getriebe aus, repariert und ersetzt Bauteile in verschiedenen Triebwerkskomponenten, etwa Hochdruckturbinenschaufeln.
„Die Hochdruckturbine ist das am höchsten beanspruchte Modul im Triebwerk mit extrem hohen Drücken und Temperaturen“, erläutert Annemüller. Gerade die Zerlegungstiefe hat es in sich – hierfür ist die Erfahrung eines Experten unerlässlich. Seit 14 Jahren arbeitet Annemüller bei der MTU in Ludwigsfelde. Dass er sein Know-how im MRO-Expertennetzwerk weitergibt, ist für ihn selbstverständlich.
Einsatz und Training liefen erfolgreich. Das sieht auch der Kunde so: "Die Zertifizierung der MTU Maintenance do Brasil für den Austausch von HPT-Schaufeln im Shop von GOL Aerotech MRO war entscheidend, um den Bedarf von GOL zu decken. Diese Lösung war nur möglich, weil das MTU-Team so flexibel mit GOL zusammenarbeiten konnte. Dadurch konnten die Durchlaufzeit und die Logistikkosten im Vergleich zu der Option, die Triebwerke in einen Shop außerhalb Brasiliens zu schicken, reduziert werden", sagt Fernando Miwa, GM Aerotech MRO und Executive Director of Maintenance and SCM.
Das Team in Brasilien ist fit für kommende Herausforderungen. Thomas Heinhold, Leiter der MTU Maintenance do Brasil: „Wir haben nicht nur das Know-how, sondern auch die erforderlichen Zulassungen der Luftfahrtbehörden in Brasilien, Europa und den USA. So müssen wir die Triebwerke nicht über den Atlantik schicken, sondern können sie zuverlässig vor Ort reparieren.“
„Wir haben mehr als 18 Jahre Erfahrung in der Instandhaltung des CFM56-7B und teilen dieses Know-how im MRO-Netzwerk.“
COO/Leiter Technical Operations bei der MTU Maintenance Zhuhai
Zhuhai, China
2023 reisten die Triebwerksmechaniker Liang Yongtong und Wei Li von der MTU Maintenance Zhuhai nach Berlin. Die beiden sind Spezialisten für die Instandhaltung von CFM56-7B-Triebwerken. Ihr Wissen ist auch bei Expertenteams der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg gefragt, denn das CFM56-7B ist noch ein Neuling im Shop in Ludwigsfelde. In Zhuhai dagegen kennt man es bestens.
„Wir haben mehr als 18 Jahre Erfahrung in der Instandhaltung des CFM56-7B und teilen dieses Know-how im MRO-Netzwerk“, sagt Christian Ludwig, COO und Leiter Technical Operations bei der MTU Maintenance in Zhuhai. In Ludwigsfelde demonstrierten Yongtong und Li die am chinesischen Standort etablierten Arbeitsabläufe und Spezialwerkzeuge, die in der Demontage und Montage zum Einsatz kommen. Zwei Monate lang arbeiteten sie mit den Teams in Ludwigsfelde Hand in Hand.
In Zhuhai wird nicht nur das CFM56-5/-7 instandgesetzt, sondern auch das LEAP-1A und -1B, das PW1100G-JM und das V2500. Der Shop verfügt über ein umfangreiches eigenes Reparaturportfolio. Mehr als 90 Kunden zählt der Standort und bis zu 450 Shop Visits jährlich können die Teams durchführen. Gerade erst wurde ein modernes Trainingszentrum und ein zweiter Prüfstand eröffnet, um die Wachstumsstrategie der MTU Maintenance Zhuhai zu unterstützen.
Als Zhuhai noch ein junger MTU-Standort war, hat die MTU Maintenance Hannover vor Ort die chinesischen Teams trainiert. „Inzwischen haben wir auf dieser Grundlage ein eigenes Training entwickelt, das auf unseren Erfahrungen in der Produktion und unserer Kultur basiert", sagt Li Hao, Leiter des Trainingscenters in Zhuhai.
Davon profitierte jüngst auch die MTU Maintenance Lease Services in Amsterdam, ein Spezialist für Leasing und Asset-Management. Die Leasing-Teams kennen sich in der Instandhaltung von Triebwerken sehr gut aus. Das macht sie in der Branche einzigartig. Ein Schlüssel zum Erfolg sind Trainings, wie das für das V2500-A5. „Vor dem Training haben wir uns ein klares Bild davon gemacht, was die Leasing-Expert:innen wissen möchten“, sagt Hao. Denn ein Training von der Stange gibt es nicht: Wie auch die MRO-Services der MTU, so sind auch die Trainings im MRO-Netzwerk maßgeschneidert.