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Fliegen für die Forschung

Forschungsflugzeuge helfen die Auswirkungen der Luftfahrt auf das Klima zu verstehen und neue Technologien zu erproben, um in Zukunft emissionsfrei fliegen zu können.

07.2022 | Autorin: Monika Weiner | 5 Min. Lesezeit

Autorin:
Monika Weiner arbeitet seit 1985 als Wissenschaftsjournalistin. Die Diplom­geologin interessiert sich vor allem für neue Entwicklungen in Forschung und Technik sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt: Das DLR ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Es betreibt Forschung und Entwicklung in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr, Sicherheit und Digitalisierung. Das DLR Raumfahrtmanagement ist im Auftrag der Bundesregierung für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig.

NASA: Die NASA (National Aeronautics and Space Administration) ist die zivile US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft. Der Hauptsitz befindet sich in Washington, D.C. Zugleich ist die NASA eine wichtige geowissenschaftliche Forschungsinstitution und stellt in den USA die meisten Forschungsgelder für klimawissenschaftliche Forschungsarbeiten bereit.

Wozu braucht man Forschungsflugzeuge, wenn man die Emissionen der Luftfahrt verringern will?

Die Luftfahrt soll sauberer werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Ingenieur:innen wissen, welche und wie viele Schadstoffe beim Fliegen in die Atmosphäre gelangen und auch, inwieweit neue Treibstoffe oder Antriebstechniken die Emissionen verringern.

Mit Forschungsflugzeugen lässt sich herausfinden, welche Substanzen das Triebwerk eines Flugzeugs während des Fluges freisetzt. So wird bei In-Flight-Emissionsstudien unter anderem gemessen, wann wie viel Wasser, Treibhausgase, Feinstaub oder Ruß ausgestoßen werden, oder ob sich Kondensstreifen bilden.

Wie sehen solche Forschungsflugzeuge aus?

Forschungsflugzeuge sind fliegende Labore. Ausgerüstet mit einer umfangreichen Sensorik und Analytik können sie während des Fluges unter anderem Temperatur, Wind, Luftqualität, Schadstoffe und Wolkendichte bestimmen. Die meisten Forschungsflugzeuge sind umgebaute Verkehrs- oder Geschäftsreiseflugzeuge, in deren Kabinen Platz geschaffen wurde für Messgeräte und Computer. Je nach Ausstattung können sie für verschiedene wissenschaftliche Missionen eingesetzt werden – von der Klimaforschung bis zur Erdbeobachtung. Nur ganz wenige Forschungsflugzeuge wie die McDonnell Douglas DC-8 der NASA und die Falcon 20-E5 des DLR sind geeignet, In-Flight-Emissionsmessungen bei Verkehrsflugzeugen durchzuführen.

Forschen während des Flugs: Während der Messflüge mit Forschungsflugzeug HALO des DLR bedienen jeweils vier Wissenschaftler die insgesamt zwölf Instrumente an Bord, mit denen die chemische Zusammensetzung der Luft untersucht wird.

Fliegen im Abgasstrom – eine Herausforderung für die Crew

Ein Forschungsflugzeug, das die Emissionen eines Verkehrsflugzeugs während des Fluges messen soll, muss in möglichst geringem Abstand hinter diesem herfliegen. Dies ist eine enorme Herausforderung – sowohl für die Crew als auch für das Flugzeug, da das vorausfliegende Verkehrsflugzeug starke Turbulenzen erzeugt. Diese Luftverwirbelungen, auch Wirbelschleppen genannt, entstehen zwangsläufig beim Fliegen bei der Auftriebserzeugung durch die Tragflächen. Da unter dem Flügel ein Überdruck und oberhalb des Flügels ein Unterdruck herrscht, bilden sich am Ende der beiden Flügel zwei gegenläufig drehende Wirbel. Diese Turbulenzen können für ein nachfolgendes Flugzeug extrem gefährlich werden. Die Douglas DC-8 der NASA beispielsweise muss aus Sicherheitsgründen mehrere Meilen Abstand zum vorausfliegenden Flugzeug halten. Nur mit einem sehr robusten und sehr wendigen Flugzeug wie der Falcon 20-E5 des DLR lassen sich Messungen direkt im Abgasstrom durchführen. Pilot:innen, die solche Missionen fliegen, brauchen dafür eine eigene Ausbildung und spezielles Training. Wegen der hohen Beanspruchung muss die Maschine nach jedem Einsatz inspiziert werden.

Abheben im Auftrag der Wissenschaft

Weltweit gibt es einige Dutzend Forschungsflugzeuge. Meist werden sie betrieben von Forschungseinrichtungen oder -behörden wie der NASA oder dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – dieses verfügt mit zwölf Maschinen über die größte Forschungsflotte Europas. Zu ihr gehört auch das speziell für Untersuchungen der Atmosphärenphysik ausgerüstete High Altitude and Long Range Research Aircraft HALO sowie die kleine und wendige Falcon 20-E5, die im Abstand von nur wenigen Hundert Metern direkt im Abgasstrom eines Jets fliegen kann. Die DC-8 der NASA lässt sich ebenfalls für Emissionsmessungen einsetzen, muss dabei jedoch wegen ihrer Größe mehr Abstand halten.

High Altitude and Long Range Research Aircraft: Mit dem Forschungsflugzeug HALO beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der deutschen Atmosphärenforschung und Erdbeobachtung. HALO basiert auf einem Ultra Long Range Business Jet G 550 der Firma Gulfstream.

Dassault Falcon 20-E5: Das Flugzeug der Forschungsabteilung in Oberpfaffenhofen für Versuche in der Umwelt- und Klimaforschung. Durch die kompakte Bauform und Auslegung des Flugzeugs verfügt diese Falcon über eine sehr hohe Wendigkeit.

Douglas DC-8: Die NASA betreibt einen stark modifizierten Douglas DC-8-Jetliner als fliegendes Wissenschaftslabor. Das Flugzeug wird verwendet, um Daten zu sammeln, die der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Welt dienen.

Welche Messgeräte sind bei solchen Missionen an Bord?

Die Ausstattung ist abhängig vom Flugzeugtypus und von der Mission. Am Bug der Falcon 20-E5 wurde beispielsweise ein Nasenmast befestigt. In diesem befinden sich meteorologische Sensoren, die hochpräzise die Windrichtung in drei Dimensionen, die Feuchte, den Druck und die Temperatur bestimmen. Während des Fluges wird außerdem die Umgebungsluft durch spezielle Lufteinlässe ins Innere der Maschine geleitet und dort auf Spurengase untersucht. Gleichzeitig erfassen Sonden, die sich unter den Tragflächen befinden, Feinstaub-, Ruß- und Eispartikel.

Das deutlich größere Atmosphärenforschungsflugzeug HALO – ein Business-Jet vom Typ Gulfstream G550 – ist ausgerüstet für die Erforschung der grundlegenden Atmosphärenphysik. Dieses "High Altitude and Long Range Research Aircraft" hat 20 Öffnungen für Lufteinlässe und bis zu 50 Zentimeter große optische Fenster, durch welche mit Lasern die Eigenschaften der Wolken gemessen werden können.

Test der Wolkensonde an der Falcon 20E: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Test der Wolkensonde an der Falcon 20E: Vor einem Flug des DLR-Forschungsflugzeugs werden die Wolkensonden getestet, die im Flug physikalische Eigenschaften der Eiskristalle im Kondensstreifen messen.

Welche neuen Erkenntnisse bringen die Emissionsmessungen?

Die Forschungsflüge der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die Emissionen im Luftverkehr verringern lassen. Beispielsweise durch nachhaltige Kraftstoffe, die mit Hilfe regenerativer Energie gewonnen werden können und weder Aromate noch Schwefel enthalten. Bereits bei der Mission 2018, bei der die Douglas DC-8 der NASA einem Airbus A320 des DLR folgte, der mit 50 Prozent nachhaltigem Kraftstoff betankt war, stellten die Forscher:innen eine – verglichen mit herkömmlichem Treibstoff – verringerte Rußemission fest.

Bei der Forschungsmission 2021 – hier folgte die Falcon 20-E5 des DLR einem Airbus A350, der ausschließlich mit nachhaltigem Kraftstoff flog – wurden noch weniger Rußpartikel gemessen. Besonders interessant ist dies, weil an den Rußpartikeln der Wasserdampf aus dem Abgasstrom und aus der Umgebungsluft kondensieren kann. Ist die Umgebungsluft in 8 bis 12 Kilometern Flughöhe kalt genug, erstarren die Tröpfchen zu Eiskristallen und bilden Kondensstreifen, die mehrere Stunden am Himmel stehen und zur Klimaerwärmung beitragen können, indem sie die Abstrahlung der Wärme ins All verringern. Weniger Ruß - und damit verbunden auch weniger Kondensstreifen – sind daher gut für das Klima.

Betanken des A350: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Betanken des A350: Am Standort in Toulouse wird der Airbus A350-900 für den ersten Flug mit 100 Prozent nachhaltigem Flugkraftstoff betankt.

Geht Fliegen ganz ohne Emissionen?

Eine saubere Alternative zu herkömmlichen Treibstoffen ist Wasserstoff. Dieser kann nachhaltig mit Ökostrom hergestellt und im Flugzeug mit Hilfe einer Brennstoffzelle in Strom verwandelt werden. Übrig bleibt bei diesem Prozess nur Wasser. Der in der Brennstoffzelle gewonnene Strom lässt sich nutzen, um das Flugzeug mit Hilfe eines Elektromotors und eines Propellers zur Vortriebserzeugung anzutreiben. Hierfür braucht man jedoch eine komplett neue, elektrische Antriebstechnik.

Diese wird derzeit von der MTU Aero Engines zusammen mit dem DLR entwickelt. Die Ingenieur:innen bei der MTU arbeiten bereits an einem elektrischen 600kW-Antriebsstrang. Dieser soll dann in einem DLR-Forschungsflugzeug vom Typ Do228 erprobt werden. Aus Sicherheitsgründen wird nur einer der Antriebe durch einen elektrischen ersetzt, auf diese Weise kann die Maschine im Notfall mit dem zweiten Turboprop-Triebwerk noch fliegen und landen. Mitte der Dekade sollen die Testflüge beginnen.

Welchen Beitrag können Forschungsflugzeuge in Zukunft für die Luftfahrt leisten?

Um das Fliegen in Zukunft nicht nur emissionsfrei, sondern auch effizienter zu machen, wollen die Forscher:innen in Zukunft auch die Flugphysik verbessern. Um beispielsweise mit weniger Kraftstoff und möglichst ohne Kondensstreifen ans Ziel zu kommen, könnte man die Aerodynamik verbessern und gleichzeitig auch die Flugrouten optimieren. Die fliegende Forschungsplattform Falcon 2000LX ISTAR soll dabei helfen. Die Abkürzung ISTAR steht für „In-flight Systems & Technology Airborne Research“. Dieses Forschungsflugzeug der nächsten Generation ist so konzipiert, dass es sich eignet, die Eigenschaften neuer Flugzeugentwürfe schon während der Entwicklung an einem „Digitalen Zwilling“, aber auch später unter realen Betriebsbedingungen zu erproben. Auf diese Weise sollen Flugzeugentwickler Zeit und Kosten sparen – ähnlich wie im Automobilbau, wo Fahrzeuge mit Computermodellen virtuell erprobt werden, lange bevor der erste reale Crashtest stattfindet.

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