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Nachhaltige Kraftstoffe: SAF als Hebel für sauberes Fliegen

04.2024 | Autorin: Nicole Geffert | 6 Min. Lesezeit

Autorin:
Nicole Geffert arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.

Wenn es um eine klimaneutrale Luftfahrt geht, führt kein Weg an Sustainable Aviation Fuels vorbei. Fabian Donus vom MTU-Technologiemanagement erklärt warum.

AEROREPORT: Herr Donus, nachhaltige Kraftstoffe, auch bekannt als Sustainable Aviation Fuels (SAFs), sind ein zentrales Thema in der Luftfahrt. Welche Vorteile haben sie gegenüber fossilem Kerosin?

Fabian Donus: Auch SAFs können schon heute im Luftverkehr eingesetzt werden, denn sie erfüllen die gleichen Standards. Allerdings haben sie eine deutlich geringere Klimawirkung als Kerosin aus fossilen Quellen. Die Logik hinter SAF ist, dass das im Flug emittierte CO2 bei der Herstellung des Kraftstoffs wieder zurück geführt wird und so ein möglichst geschlossener CO2-Kreislauf entsteht. Hierfür muss das CO2 der Atmosphäre vorher bestmöglich entnommen worden sein. Ein weiterer positiver Effekt ergibt sich dadurch, dass bei der Verbrennung von SAFs weniger Rußpartikel entstehen. Diese sind mitverantwortlich für die Entstehung von Kondensstreifen, die wiederum neben CO2 und Stickoxiden zur Erderwärmung beitragen. Heutige SAF-Herstellverfahren basieren entweder auf Biomasse oder erneuerbaren Energien und CO2. Die tatsächlich eingesetzte Menge ist derzeit jedoch noch viel zu gering.

Kurzvita
Bevor Fabian Donus 2008 zur MTU Aero Engines kam, studierte er Luft - und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart. 2019 wechselte er ins Innovationsmanagement, bei dem er sich intensiv mit den Themen Klimawirkung und nachhaltige Luftfahrt auseinandersetzte. Seit Anfang 2024 ist er bei der MTU Leiter des Technologiemanagements.

„Eine Erhöhung des SAF-Anteils im Kraftstoff hat großes Potenzial, die Klimawirkung zu reduzieren.“

Fabian Donus

MTU-Technologiemanagement

AEROREPORT: Wie viel SAFs benötigt die Luftfahrt denn?

Donus: Grundvoraussetzung für eine klimaneutrale Luftfahrt bis 2050 ist die flächendeckende Einführung von SAF. Heutige Prognosen gehen von einem Bedarf von etwa 600 Millionen Tonnen pro Jahr aus. Derzeit können allerdings nur etwa 0,1 Prozent des weltweiten Treibstoffbedarfs der Branche durch nachhaltige Kraftstoffe gedeckt werden. Aus diesem Grund hat die Europäische Union (EU) die Gesetzesinitiative ReFuelEU Aviation verabschiedet. Sie sieht einen Mindestanteil von SAFs für alle Flüge von EU-Flughäfen vor. Laut ReFuelEU Aviation müssen Kraftstoffanbieter sicherstellen, dass der Anteil von SAFs ab 2025 bei zwei Prozent, 2030 bei sechs Prozent und 2050 bei 70 Prozent liegt. Für synthetische Kraftstoffe gilt ab 2030 eine Quote von 1,2 Prozent, die bis 2050 auf 35 Prozent erhöht wird. Auch in anderen Ländern gibt es Bestrebungen, den SAF-Anteil zu erhöhen. In den USA setzt man vor allem auf Anreize mit dem Inflation Reduction Act. Hier erhalten Kraftstoffanbieter Steuervergünstigungen, wenn sie SAF vertreiben.

Ziel aller Maßnahmen ist es, einen verbindlichen Rahmen zu schaffen, der die Nachfrage ankurbeln soll. SAFs sind auch deshalb noch keine echte Alternative am Markt, weil sie deutlich teurer sind als fossiles Kerosin.

Zertifizierung von Sustainable Aviation Fuels

SAFs müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Die American Society for Testing and Materials (ASTM) legt diese Anforderungen fest und hat derzeit sieben Verfahren zur Herstellung von SAFs zertifiziert. Die Nachhaltigkeit der SAFs wird von verschiedenen Institutionen bewertet: Auf globaler Ebene hat die International Civil Aviation Organization (ICAO) im Rahmen des Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) entsprechende Kriterien festgelegt. Auf EU-Ebene gelten die Richtlinien für erneuerbare Energien.

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AEROREPORT: Wie können diese Quoten erreicht werden?

Donus: Die Branche muss sehr schnell die erforderlichen Produktionsmengen erreichen. Interessant sind vor allem synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, die aber noch gar nicht auf dem Markt erhältlich sind. Die Herstellverfahren sind zwar entwickelt und zugelassen, aber es gibt weltweit nur sehr wenige Demonstrationsanlagen. Nach einer Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sind bis 2035 rund 60 neue E-Fuel-Projekte geplant, von denen etwa nur ein Prozent mit einer finalen Investitionsentscheidung gesichert ist. Ein einzelnes Vorhaben im industriellen Maßstab erfordert jedoch die Investition mehrerer Milliarden Euro. Kein Produzent wird eine solche Anlage bauen, ohne sicher zu sein, dass der Kraftstoff auch langfristig nachgefragt wird. Dann ist natürlich auch die Erfüllung der Quote in Gefahr.

AEROREPORT: Welche SAF-Herstellverfahren sind bereits zugelassen?

Donus: SAFs werden derzeit überwiegend aus biogenen Reststoffen hergestellt. Es gibt verschiedene zertifizierte Herstellverfahren, die auf unterschiedlichen Rohstoffen und Prozessen basieren. Ein bekanntes Verfahren, über das heute nahezu das gesamte Volumen erzeugt wird, ist die Hydrierung pflanzlicher oder tierischer Fette und Öle zu Paraffinen, auch bekannt als Hydroprocessed Esters and Fatty Acids (HEFA). Durch die Nutzung anderer zugelassener Verfahren, die wiederum andere Biomassen verarbeiten, kann die SAF-Menge maximiert werden. Natürlich immer unter der Prämisse nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung zu stehen. Eine nachhaltige Versorgung der globalen Flugzeugflotte ist unter Einhaltung dieser Randbedingungen damit aber nicht möglich.

AEROREPORT: Als sehr vielversprechendes Verfahren gilt Power-to-Liquid (PtL). Warum?

Donus: Beim PtL-Verfahren wird Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien, wie Wind-, Wasser oder Solarkraft, erzeugt, mit CO2 zu Kohlenwasserstoffen synthetisiert und zu Flüssigkraftstoff aufbereitet. Um einen CO2-neutralen Kreislauf erreichen zu können, muss das CO2 vorab der Atmosphäre entnommen werden. Die Herstellung großer Mengen synthetischer Kraftstoffe ist also vor allem in Regionen mit viel Wind und Sonne sinnvoll. Einer Abschätzung des Think Tanks Bauhaus Luftfahrt zufolge würde weniger als ein Prozent der globalen Wüstenfläche ausreichen, um den weltweiten Bedarf der Luftfahrt an synthetischen Kraftstoffen zu decken. Um PtL-Verfahren im industriellen Maßstab wirtschaftlich anbieten zu können, werden kurzfristig große geförderte Demonstrationsanlagen benötigt, mit deren Hilfe Erfahrungen über das optimale Zusammenspiel der einzelnen Verfahrensschritte gesammelt werden können. Für den Markthochlauf müssen dann auch ausreichend „grüner“ Strom und CO2 verfügbar sein, bestmöglich aus nachhaltiger Quelle.

AEROREPORT: Flugzeuge dürfen bereits mit SAF fliegen, aber nicht zu hundert Prozent. Warum nicht?

Donus: Wir müssen hier zwischen sogenannten „drop-in"- und „non-drop-in“-Kraftstoffen unterscheiden. „Drop-in“-Kraftstoffe können bereits heute ohne technische Anpassungen an Triebwerk, Flugzeug und Flughafeninfrastruktur getankt werden. Sie werden dabei mit mindestens 50 Prozent herkömmlichem Kerosin gemischt, da dieses Stoffe enthält, die heute noch für einen sicheren Betrieb benötigt werden. Hierzu zählen Aromaten. Aromaten sind organische Verbindungen, die die Schmierfähigkeit, Dichte und Materialverträglichkeit des Flugkraftstoffs verbessern. Notwendig werden sie bei speziellen Dichtungen in Triebwerken damit diese aufschwellen. Die meisten SAFs sind aromatenfrei und damit in einer reinen hundert Prozent Variante aktuell „non drop-in“.

AEROREPORT: Welchen Nachteil haben Aromaten?

Donus: Aromaten führen infolge des Verbrennungsprozesses im Triebwerk zur vermehrten Bildung von Rußpartikeln. Diese wiederum dienen als Kondensationskeime für Wasser, das dann zu Eiskristallen gefriert. Unter bestimmten Bedingungen bilden sich langlebige Kondensstreifen. Deren signifikante Klimawirkung ist ja bekannt.

Klimawirkung: CO2-Emissionen, NOx-Emissionen und Kondensstreifen machen zusammen die Klimawirkung der Luftfahrt aus.

CO2: Kohlendioxid-Emissionen sind Treibhausgase, die durch Verbrennung verschiedener kohlenstoffhaltiger Materialien entstehen.

NOx: Stickoxide entstehen in Verbrennungsvorgängen aus dem gasförmigen Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2).

Kondensstreifen: Sie entstehen durch die Wasserdampfemissionen eines Flugzeugtriebwerks.

AEROREPORT: Erste Untersuchungen zeigen, dass SAFs die Bildung von Kondensstreifen deutlich reduzieren.

Donus: Und damit kann auch die Wirkung der sogenannten Nicht-CO2-Effekte reduziert werden. Dies ist gerade auf den bereits erwähnten geringeren Aromatengehalt im Vergleich zu fossilem Kerosin zurückzuführen. Flugtests des DLR haben gezeigt, dass eine Reduktion der Partikelanzahl auch die Eiskristallzahl reduziert. Und damit kann auch die Wirkung der sogenannten Nicht-CO2-Effekte reduziert werden. Eine Erhöhung des SAF-Anteils im Kraftstoff hat daher großes Potenzial, die Klimawirkung zu reduzieren. Die nächste Triebwerksgeneration wird schon, wie von allen Herstellern prognostiziert, ohne Aromaten auskommen.

AEROREPORT: Doch auch wenn künftige Triebwerke ohne Aromaten auskommen, werden noch ältere Flugzeuge im Einsatz sein, die auf Kraftstoff mit Aromaten angewiesen sind.

Donus: Genau, denn Flugzeuge haben eine Lebensdauer von 25 Jahren und mehr. Ein Flugzeug, das heute in Betrieb genommen wird, fliegt also noch im Jahr 2050 und darüber hinaus. In den kommenden Jahrzehnten werden wir somit einen Mix aus älteren und neuen Maschinen am Himmel sehen. Deshalb ist meine Einschätzung: Das erste hundertprozentige SAF wird nicht frei von Aromaten sein.

AEROREPORT: Welche Technologien könnten zusätzlich zur Reduzierung der Klimawirkung beitragen?

Donus: Um synthetische Kraftstoffe nachhaltig zu produzieren, muss das für ihre Herstellung benötigte CO2 der Atmosphäre entzogen werden. Hier kommt die Carbon-Capture-Technologie ins Spiel, die der Atmosphäre CO2 entnimmt. Dieses CO2 wird dann im Falle von SAF bei der Herstellung des Kraftstoffs zurück geführt. Da bereits heute die absolute Menge an CO2 in der Atmosphäre zu hoch ist, wird allgemein auch über die langfristige Speicherung in Lagerstätten nachgedacht.

AEROREPORT: Das soll aber nicht die Entwicklung technologischer Innovationen in der Luftfahrt ausbremsen?

Donus: Nein, auf keinen Fall. Es muss auch zukünftig weiter an der Reduzierung des Energieverbrauchs sowie der Klimawirkung von Luftfahrtantrieben gearbeitet werden. Vor allem in Zeiten, in denen die Menge an verfügbarer grüner Energie begrenzt ist, ist es wichtig, möglichst wenig davon einsetzen zu müssen. Weiterhin wird der Energieverbrauch immer einen signifikanten Einfluss auf den Preis haben. Wir sind also auf technologische Innovationen in der Luftfahrt angewiesen, wenn wir zukünftig klimaneutral fliegen wollen. Dennoch halte ich die Carbon-Capture-Technologie für einen wichtigen Baustein, um die ambitionierten Klimaziele über alle Sektoren zu erreichen.

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