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ECATA: Intensivtraining und Networking für junge Führungskräfte
Spitzenkräfte aus der Luftfahrtindustrie stärken im Programm des Europaen Consortium for Advanced Training in Aerospace ihre Fähigkeiten in internationaler Teamarbeit.
12.2022 | Autorin: Nicole Geffert | 6 Min. Lesezeit
Autorin:
Nicole Geffert
arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.
Madrid, Cranfield, Toulouse: Was für Reisende ein abwechslungsreicher Städtetrip quer durch Europa ist, waren für Markus Becker drei Stationen eines intensiven Führungskräftetrainings, das sich über elf Wochen erstreckte. Der MTU-Teamleiter für militärische Zentralprozesse, unter die unter anderem die Instandsetzungsprognose und das Bauteilkostenmanagement fallen, gehörte zu den 21 Nachwuchskräften aus acht Nationen, die am ECATA-Programm 2022 teilgenommen haben.
ECATA steht für European Consortium for Advanced Training in Aerospace und ist ein Zusammenschluss von sieben europäischen Universitäten und acht Unternehmen aus der Luftfahrtindustrie, zu denen auch die MTU Aero Engines gehört. Seit nunmehr 30 Jahren betreibt ECATA neben hochkarätiger Nachwuchsförderung vor allem eins: aktives Networking für hochqualifizierte Führungskräfte.
Auftakt in diesem Jahr war in Madrid: „Das Arbeitspensum hatte es vom ersten Tag an in sich“, erinnert sich Becker. „Vorlesungen, Seminare und Workshops reihten sich von morgens bis in den späten Nachmittag aneinander.“ Fachleute aus Industrie und Wissenschaft vermitteln hier Know-how aus dem gesamten luftfahrtspezifischen Themenspektrum.
Über ECATA
Seit 30 Jahren bietet das European Consortium for Advanced Training in Aerospace (ECATA) exzellente Nachwuchsförderung sowie internationales Networking für hochqualifizierte junge Führungskräfte. Im Fokus der Vorlesungen und Seminare stehen das internationale Luft- und Raumfahrtumfeld, Systemintegration und Technologien sowie multinationales Programmmanagement. Zudem stärken die Führungskräfte in einem multinationalen Teamprojekt ihre Fähigkeiten in Teambildung, interkultureller und internationaler Zusammenarbeit. Das Training findet jährlich zwischen Januar und April an drei Universitäten in unterschiedlichen Ländern statt. Sieben europäische Universitäten und acht Unternehmen aus der Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie sind an ECATA beteiligt.
Sehen Sie hier das diesjährige ECATA Webinar zum Thema Sustainable Aviation, Pathways for a Greener Tomorrow
Multinationales Teamprojekt
Doch damit nicht genug. Zum ECATA-Programm gehört auch ein multinationales Teamprojekt, in dem die Spitzenkräfte ihre Fähigkeiten im Projektmanagement, in der internationalen Teamarbeit sowie in der Führung stärken können. „An diesem Projekt haben wir für die gesamte Dauer des Programms oft bis spät in die Nacht zusammen gearbeitet“, berichtet Becker. „Dabei war es durchaus spannend die unterschiedlichen Firmenkulturen zu erleben, also die Art und Weise wie zusammen gearbeitet, miteinander kommuniziert und geführt wird.“
Die Projektaufgabe hätte aktueller und drängender kaum sein können: Die europäische Luftfahrtindustrie erarbeitet gemeinsam Wege und Strategien für eine nachhaltige Luftfahrt bis 2050. Zwei Themen standen im Fokus: Zum einen die Energieintensität und damit die Effizienz der Flugzeug- und Triebwerkskonstruktion sowie verbesserte Betriebsabläufe auf den Flughäfen und Luftverkehrsmanagementsysteme. Zum anderen der Übergang zu umweltfreundlicheren Antriebssystemen und Kraftstoffen wie Sustainable Aviation Fuel (SAF), Flüssigwasserstoff sowie Elektro-/Hybridantriebe.
Komplexes Thema, großer Zeitdruck
Becker skizziert die Herausforderung: „Wir waren in der Ausgestaltung der Projektarbeit völlig frei. Das heißt, wir mussten erst einmal für uns klären, wie wir an das komplexe Thema herangehen und es sinnvoll eingrenzen wollen. Die Projektaufgabe ist sicher auch deshalb so umfassend gewählt worden, damit wir an dieser Herausforderung sowohl als Team als auch als Persönlichkeit wachsen.“ Initiiert und begleitet wird das multinationale Teamprojekt von einem Kundenteam, das sich aus Expert:innen der beteiligten Unternehmen und Hochschulen zusammensetzt.
„Wir haben schnell gemerkt, dass wir am effizientesten in kleinen Teams arbeiten“, sagt Becker. Die Teammitglieder kamen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen, Systemingenieur:innen, IT-Experte:innen und Projektmanager:innen beispielsweise, teils aus dem zivilen, teils aus dem militärischen Bereich. „Es war eindrucksvoll zu erleben, wie ein Team, das sich gerade erst gefunden hat, unter großem Zeitdruck, aber mit hohem Einsatz auf ein gemeinsames Ziel hin arbeitet, unabhängig von der Kultur oder der Firmenzugehörigkeit.“
Die zweite Station war Cranfield, England. Der Ort selbst erwies sich als überschaubar und sympathisch, das Hotel der ECATA-Trainees als behaglich und klein. Die Arbeitsatmosphäre wurde dichter. „Das hat dem Wir-Gefühl spürbar Auftrieb gegeben“, erinnert sich Becker. Zusätzlich zum Teamprojekt entwickelten die Teilnehmenden in dieser Phase auch ein Online-Webinar, das Grundlagenwissen zum Thema Nachhaltigkeit vermittelt: Wie groß ist der Energiebedarf für die Elektrifizierung der Luftfahrt bis 2050? Wie lässt sich ausreichend „grüner“ Wasserstoff herstellen? Wann muss welche Technologie im Markt eingeführt werden?
Endspurt in Toulouse: Dort finalisierten die Trainees zum Abschluss ihres Teamprojekts ihren 150-Seiten starken Technical Report Sustainable Aviation, Pathways for a Greener Tomorrow. Eine von vielen Erkenntnissen, die Becker aus dem ECATA-Programm mitnimmt: „Mich hat das Training bestärkt in dem Wissen, dass ich auch ein größeres Team führen kann und diese Aufgabe auch gern ausübe.“ Und noch eine weitere Erfahrung nimmt er aus dem Intensivtraining mit: „Bei einem Projekt dieser Größe ist die Teambildung zu Beginn das A&O. Ein funktionierendes Miteinander und eine Arbeitsatmosphäre, in der alle ihre Stärken und ihr Know-how einbringen können, sind Erfolgskriterien für ein Projekt.“
ECATA: Das European Consortium for Advanced Training in Aerospace betreibt hochkarätige Nachwuchsförderung und aktives Networking.
Kooperieren über Firmengrenzen hinweg
Die MTU ist bereits seit dem zweiten Jahr nach der ECATA-Gründung mit an Bord: Erster Teilnehmer der MTU war Michael Schreyögg, heute MTU-Vorstand Programme. Die ehemaligen Teilnehmenden haben sich zu dem europäischen Netzwerk ECATA Alumni Association (ECALAS) zusammengeschlossen. André Sinanian, Geschäftsführer der MTU Maintenance Berlin-Brandenburg vertritt die MTU als Mitglied im Supervisory Board von ECATA, welches dem ECATA Program als oberstes Gremium vorsteht. „Die MTU schickt jedes Jahr junge Führungskräfte in das Training, weil wir davon überzeugt sind, dass sie dort die erforderlichen Fähigkeiten ausbauen können, ein Team in einem internationalen Luftfahrtprojekt mit mehreren Partnern zu leiten und sich in der Branche international zu vernetzen.“
Antoine Peugnet, Leiter Programmmanagement FCAS IT-Environment bei der MTU, hat das ECATA-Training 2021 durchlaufen und ist jetzt Mitglied im Management Board von ECATA: „Die MTU entwickelt zivile und militärische Triebwerksprogramme in internationalen Kooperation. Das europäische Future Combat Air System-Projekt, in dem ich arbeite, ist hierfür ein gutes Beispiel. Es wird von der MTU gemeinsam mit Safran Aircraft Engines und dem spanischen Triebwerks- und Komponentenhersteller ITP Aero entwickelt, gefertigt und betreut. Gerade für junge MTU-Führungskräfte ist es wichtig zu erfahren, wie sich eine multinationale Zusammenarbeit erfolgreich aufbauen lässt und wie man in einer solchen Kooperation über Firmengrenzen hinweg effizient zusammenarbeitet.“
Multinationales Teamprojekt: 21 Nachwuchskräften aus acht Nationen haben am ECATA-Programm 2022 teilgenommen.
Internationales Netzwerk
Schließlich gilt es unterschiedliche Interessen, Firmenkulturen und Ziele zusammenzuführen, um gemeinsam erfolgreich zu sein. „Ich selbst profitiere von den Erfahrungen, die ich im E-CATA-Programm gemacht habe, für meine Tätigkeit bei der MTU“, sagt Peugnet. ECATA biete aktives Networking, und zwar nicht nur für die Teilnehmenden, die anschließend im Alumni-Netzwerk weiter miteinander in Verbindung stehen. „Auch das ECATA-Kundenteam bildet ein internationales Netzwerk.“
Das kann MTU-Experte Barnaby Law nur bestätigen. Der Chief Engineer Flying Fuel Cell hat in dem ECATA-Programm 2022 eine Rolle im Kundenteam übernommen. „Ich habe die Chance genutzt, neue Kontakte zu knüpfen“, sagt Law. „Das zeichnet das ECATA-Programm ebenfalls aus: Das Kundenteam ist mit exzellenten Fach- und Führungskräften besetzt.“
Zudem haben ihn die Ergebnisse des Teamprojekts beeindruckt – nicht nur die auf dem Papier, sondern auch die Art und Weise, wie die jungen Führungskräfte sich engagiert und das Thema bearbeitet hätten. „Wir als Kundenteam haben vor allem strategische Aspekte in den Fokus gerückt“, sagt Law. Welche neuen Technologien sind erforderlich? Wie wirken sich diese auf die Luftfahrtindustrie aus? Wie kann die Branche daraus gestärkt hervorgehen?
Die Ergebnisse werden im Januar 2023 auf der Tagung „AIAA Science and Technology Forum and Exposition“ in Chicago präsentiert. Und Anfang 2023 startet dann auch bereits der nächste ECATA-Jahrgang, diesmal sogar mit zwei jungen MTU-Führungskräften im Training.