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Forschung an leiserem Überschallknall
Don Durston arbeitet im Windkanal an der Erforschung neuer Formen leiserer Überschall-Flugzeuge wie der X-59, die im Quiet SuperSonic (QueSST)-Programm eingesetzt wird.
10.2022 | Autor: Andreas Spaeth | 3 Min. Lesezeit
Autor:
Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.
©NASA/Glenn Research Center/Quentin Schwinn
Don Durston, Luftfahrtingenieur beim Ames-Forschungszentrum der NASA in Kalifornien, arbeitet im Windkanal an der Erforschung neuer Formen leiserer Überschall-Flugzeuge wie der X-59, die im Quiet SuperSonic (QueSST)-Programm eingesetzt wird. Die Testkampagne startet 2023, das Ziel ist es, den Überschallknall so zu verringern, dass ein Flug über Land möglich wird. Die X-59 ist speziell darauf ausgelegt, statt eines Knalls nur noch einen leiseren, dumpfen Schlag auszulösen. Ein wesentlicher Faktor, um das zu erreichen, ist, die extrem lange Flugzeugnase, die die vordere Schockwelle dämpft.
AEROREPORT: Überschallflugzeuge leiser zu machen – ist das mit dem QueSST-Programm ein neues Ziel für die NASA?
Don Durston: Überhaupt nicht, daran arbeiten wir bereits seit den 1950er Jahren, seit wir durch Chuck Yeagers Flug gelernt haben, dass der Knall laut ist. Schon 1964 hat die US-Regierung in Oklahoma City ein Experiment durchgeführt, wo sie die Stadt ständig mit dem Überschallknall bombardiert haben, achtmal am Tag für sechs Monate, das hat die Leute verrückt gemacht. Die NASA, die FAA und die Air Force arbeiten daran schon sehr lange Zeit.
©Lockheed Martin
„Low Boom“ Testflugzeug: Lockheed Martin begann mit dem Bau des Flugzeugs 2018. Hier wird die Nase des X-59 Flugzeug an der Vorderseite des Flugzeugs positioniert.
©Lockheed Martin
AEROREPORT: Wie hat sich das Design der X-59 im Laufe der Zeit entwickelt?
Durston: Schon 2009 hat unser Projekt an Boeing und Lockheed Martin Aufträge vergeben, leisere Überschallflugzeuge zu entwickeln. Sie haben aber nicht das geringe Lärmniveau von 75 dB erreicht, das wir mit der X-59 erreichen wollten. Sie lagen etwas darüber, aber auch das war schon ein Fortschritt. Sie haben weiter an ihren Konzepten gearbeitet und beide 2016 der NASA ihre Entwürfe für ein Low-Boom-Testflugzeug präsentiert. Wir haben uns dann für Lockheed Martin entschieden. Danach wurden die Designs in mehreren Stufen überarbeitet, bis Lockheed Martin im November 2018 mit dem Bau des Flugzeugs begann. Seitdem haben wir noch mehr dazugelernt, aber das wird erst in späteren Designs berücksichtigt werden können.
AEROREPORT: Wie zuversichtlich sind Sie, dass die X-59 in der Realität die niedrigen Lärmwerte erreichen kann, so wie in Ihren Computersimulationen?
Durston: Für einige Testbereiche bin ich zuversichtlich. Wir werden sie über unterschiedlichen Orten in heißen und kalten, trockenen und feuchten Wetterbedingungen fliegen. Ich vermute, dass unter einigen dieser Bedingungen der Knall vielleicht ein wenig lauter, unter anderen etwas leiser sein wird. Wir haben vier verschiedene Auftriebsvorrichtungen in dem Flugzeug, drei davon können wir anpassen, was wiederum auch einen lauteren oder leiseren Knall verursachen kann. Unsere Teams berechnen das bereits.
©Lockheed Martin
Tests vorm Erstflug: Es werden zahlreiche Tests durchgeführt, um einen sicheren Erstflug zu gewährleisten. Ein Teil davon besteht in der Analyse von Daten, die für das Flugsteuerungssystem der X-59 in Windkanaltests mit niedriger Geschwindigkeit gesammelt wurden.
©NASA
Windkanaltests: Dieses kolorierte Schlierenbild zeigt ein kleines Modell des X-59 Quiet SuperSonic Technology Flugzeugs der NASA.
©Lockheed Martin
©NASA
AEROREPORT: Aber das wichtigste Ergebnis, eins das sie nicht simulieren können, wird die Reaktion des Publikums sein, das dem Lärm der Überflüge ausgesetzt ist...
Durston: Wir wollen das Feedback von den Leuten hören. Es gibt eine lange Liste möglicher Orte für diese Tests, wir brauchen eine Bandbreite an Klimazonen und sowohl mehr als auch weniger städtische Gegenden. Am Ende wird das an vier bis sechs Orten in den USA stattfinden. Jede Flugtestkampagne wird einige Monate dauern. Da ist viel Logistik nötig, wir brauchen all die Ausrüstung, das Wartungspersonal und ein Verfolgungsflugzeug, vermutlich eine F-15 oder F-18. Die X-59 wird wahrscheinlich von Militärbasen aus starten, aber wir müssen sicherstellen, dass es in der Nähe auch andere Flughäfen mit langen Pisten gibt, wo sie notfalls landen kann. Und wir müssen uns die Daten einer Testkampagne anschauen und dann entscheiden, ob wir es beim nächsten Mal vielleicht etwas anders machen. Das kostet alles Zeit, vermutlich einige Wochen in jedem Ort.
AEROREPORT: Erwarten Sie, dass bald eine neue Überschall-Ära mit leiseren Flugzeugen beginnen könnte?
Durston: Wir werden vermutlich in eine Phase eintreten, wo wir einen Knall haben, der leise genug ist, sodass wir mit dem Bau eines Überschall-Passagierflugzeug beginnen können, das auch über Land fliegt. Doch dann stellt sich die Frage: Auch wenn der Lärm eines Flugzeugs vielleicht leise genug wäre, wird es die Leute stören, wenn es davon hunderte am Tag gibt? Das könnte eine Herausforderung sein.
The Quiet Crew: Mit der QueSST Mission will die NASA ein Forschungsflugzeug mit einer Technologie entwickeln, die die Lautstärke des Überschallknalls drastisch senken soll. Luftfahrtingenieur Don Durston forscht dazu im Windkanal.