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Vor 50 Jahren: Der Airbus A300 schreibt Geschichte

Europa hebt zusammen ab: Ein großes Flugzeug für kleine Distanzen – der Ur-Airbus A300 war vor einem halben Jahrhundert der Versuch, US-Jets Konkurrenz zu machen.

11.2022 | Autor: Andreas Spaeth | 6 Min. Lesezeit

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Andreas Spaeth ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.

Zweimal musste der lange erwartete Erstflug des ersten Airbus A300-Prototyps („A300B“) wetterbedingt verschoben werden. Am 28. Oktober 1972 war dann aber endlich der große Tag der Flugpremiere für das erste europäische Großraumflugzeug. Viele Augenzeugen gab es nicht. In Toulouse und in ganz Frankreich lag die Priorität damals bei der Concorde.

Das hatte sich schon einen Monat zuvor bei der feierlichen Vorstellung des Prototypen gezeigt: Dort rollte der ebenfalls in Toulouse gefertigte zweite Prototyp der Concorde, die drei Jahre zuvor erstmals geflogen war, vor die Halle, kurz danach folgte der Airbus. Die über tausend Ehrengäste, berichten Teilnehmer:innen, liefen alle direkt zur Concorde, die anders als das eher gedrungene Arbeitspferd A300B eine magische Anziehungskraft ausübte.

27.09.1972: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

27.09.1972: Feierliche Vorstellung des ersten Airbus A300-Prototyps.

28.10.1972: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

28.10.1972: Die Crew des Erstfluges bestand unter anderem aus Flugkapitän Max Fischl und Bernard Ziegler als Copilot sowie Günther Scherer als Flugingenieur.

Komplexe Produktionskette

Europa wollte damals mit einem gemeinsamen Flugzeugprojekt endlich der Vormachtstellung von Boeing, Douglas und anderen Lieferanten aus Amerika etwas entgegensetzen. Neben dem schon laufenden Concorde-Projekt war ein konventionelles, zweistrahliges Passagierflugzeug mit 300 Sitzplätzen unter der Bezeichnung Airbus A300 (in Anlehnung an die beabsichtigte Passagieranzahl) geplant. Nach längeren Verhandlungen hatten sich 1969 Deutschland und Frankreich als wichtigste Partner auf eine Kooperation für das Projekt verständigt. Ein logistisch höchst komplexes Unterfangen, denn die Produktion des Flugzeugs wurde auf Dutzende Standorte in halb Europa verteilt. Teile mussten aus Werken in Norddeutschland, England sowie Saint Nazaire und Nantes in Frankreich zur Endmontage nach Toulouse transportiert werden.

Im Oktober 1970 kam der offizielle Programmstart. Bald begannen die Arbeiten an den ersten Prototypen der A300, deren Größe inzwischen auf Drängen der Lufthansa auf etwa 250 Passagiere geschrumpft war. Neu war auch, dass ein Flugzeug dieser Größe kostengünstiger und leiser mit nur zwei Triebwerken fliegen sollte und nicht mit drei oder vier Motoren wie damals üblich.

Erfolgsflugzeug: Von der A300 wurden 561 Stück verkauft. 229 fliegen noch heute, vor allem als Frachter.

Flugtestprogramm über den Pyrenäen

Um 10:39 Uhr setzte sich der Airbus-Prototyp auf der Piste in Bewegung und hob nach 30 Sekunden ab, angetrieben durch zwei CF6-50-Triebwerke von GE Aviation. Im Flugzeug saßen an diesem Morgen unter anderem Flugkapitän Max Fischl und Bernard Ziegler (Sohn des Airbus-Chefs Henri Ziegler) als Copilot sowie Günther Scherer als Flugingenieur. Fast zwei Stunden lang spulte die Besatzung hoch über den Pyrenäen ihr Testprogramm ab, alles lief glatt. Dann ging es zurück nach Toulouse, wo die Piloten bei starkem Seitenwind landeten.

Und nun begannen die Herausforderungen erst: Die A300B hatte noch das Flugtestprogramm vor sich, benötigte die Zulassung und musste dann auf dem Markt verankert werden. Zum Zeitpunkt des Erstflugs lagen gerade mal zehn Bestellungen vor, sechs von Air France und vier von Iberia.

Demonstrationstour Singapur: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Demonstrationstour Singapur: Der A300B am Flughafen Paya Lebar während der Asientour.

Grundstein für die Weltmarktführerschaft

Noch während die Flugerprobung lief, unternahm Airbus mit der A300B ausgiebige Demonstrationstouren nach Amerika, Asien und Afrika. Die meisten Airbus-Leute waren damals schon überzeugt, dass nicht die Concorde, sondern der Airbus die Zukunft sei. Die Zulassung erfolgte am 15. März 1974 sogar sechs Wochen vor dem angestrebten Termin nach 1.585 Flugstunden. Am 23. Mai 1974 startete bei Air France der erste Linienflug mit einem Airbus.

Das Programm musste einige Durststrecken überwinden, eine Bestellung von Eastern Airlines aus den USA brachte 1977 dann aber den ersten Durchbruch auf diesem entscheidenden Markt. Nach einigen Jahren wurden zunächst die A300B und später ab 1983 auch die kürzere A310 zu Erfolgen. Das legte den Grundstein für die Weltmarktführerschaft bei Verkehrsflugzeugen, die Airbus mit der Anzahl an Bestellungen erstmals 1999 erreichte und in acht von zehn Jahren seit 2011 verteidigte. Von der A300, die bis 2007 gebaut wurde, verkauften sich am Ende 561 Stück, heute fliegen noch 229 davon vor allem als Frachter.

Zero-G: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Zero-G: Auf Parabelflügen erreichen Astronauten auch außerhalb des Weltalls Schwerelosigkeit.

BelugaST: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

BelugaST: Entladen des Satelliten Hotbird 13G in KSC-USA.

Über 40 Jahre alte A300B fliegen noch Passagiere

Nach Airbus-Angaben sind sogar 26 Maschinen der allerersten Generation der A300B nach inzwischen teilweise über 40 Jahren Dienst noch immer mit Passagieren unterwegs, vor allem im Iran, wo aufgrund der internationalen Sanktionen Lieferbeschränkungen für neuere Flugzeugtypen bestehen. Seit 1996 war der A300, inzwischen in dieser Aufgabe durch eine A310 ersetzt, in besonderer Mission tätig: Für Parabelflüge, die Forscher:innen und Astronaut:innen Bedingungen echter Schwerelosigkeit verschaffen.

Das Durchschnittsalter der aktiven A300/A310-Flotte beträgt derzeit 28 Jahre. „2021 waren das die am drittstärksten weltweit eingesetzten Frachtflugzeuge nach den Boeing-Typen 757 und 767“ sagt Pascal Vialleton, Chef des A300/A310-Programms bei Airbus. „Die A300 ist für die Frachtversender FedEx, UPS und DHL das Rückgrat ihrer Flotten und es gibt derzeit keine Pläne sie auszumustern.“ Die Lebensdauer der A300-600-Frachter lässt sich durch technische Modifikationen in zwei Stufen auf bis zu 51.000 Zyklen (je ein Start und eine Landung) verlängern bzw. auf 89.000 Flugstunden, ein Limit das auch das meistgeflogene Exemplar noch nicht erreicht hat.

Für Airbus spielt die A300-600 eine weitere wichtige Rolle – als Basismodell für die BelugaST (auch A300-600ST Super Transporter genannt), einen Riesentransporter zur Beförderung großer Flugzeugsegmente zwischen den europäischen Werken. Seit 1995 stellte Airbus fünf BelugaST in Dienst, die erst in jüngster Zeit die Zulassung für Transatlantikflüge nach ETOPS 180-Regeln zur Nutzung von Routen bis zu drei Stunden entfernt vom nächsten Flughafen erhielten. Diese Fähigkeit sieht Airbus als wichtig an für den jetzt beginnenden kommerziellen Einsatz der BelugaST, etwa im Satellitentransport. Ihre bisherigen Aufgaben in der Beförderung von Flugzeugsegmenten werden von der noch größeren Beluga XL übernommen werden. Die Geschichte der A300 ist auch nach einem halben Jahrhundert ganz offensichtlich noch nicht vorbei.

Das CF6, ein Meilenstein für die MTU

CF6-50: Das Triebwerk gehört zu den meistverkauften seiner Klasse und war vor 50 Jahren das erste Triebwerk der MTU für die zivile Luftfahrt.

Der 9. Februar 1971 war ein wichtiger Tag in der MTU-Firmengeschichte. Damals unterzeichnete der Münchner Triebwerkshersteller einen Vertrag mit dem US-Unternehmen General Electric (GE) über eine Partnerschaft beim neuen CF6-Antrieb. Der Programmanteil der MTU liegt bei gut neun Prozent, dafür produzieren die Deutschen einige Bauteile für Turbine und Verdichter exklusiv für GE. Der Turbofan mit hohem Nebenstromverhältnis war damals vorgesehen für eine neue Generation an Großraumflugzeugen wie etwa die DC-10 oder die Lockheed L-1011 TriStar. 1971 gewann das CF6-50 die Ausschreibung des A300-Erstkunden Air France für die ersten sechs Flugzeuge und auch der Prototyp, der vor 50 Jahren erstmals abhob, war damit ausgerüstet.

„Das war das erste Mal, dass die MTU als Partner in ein ziviles Triebwerksprogramm mit eingestiegen ist und wir unsere Erfahrung aus dem militärischen Bereich einbringen konnten, ein wichtiger Meilenstein“, sagt Johann Sattler, Leiter Programmmanagement CF6 bei der MTU. Und auch nach einem halben Jahrhundert ist das CF6 alles andere als Geschichte. „Knapp 1.500 Flugzeuge mit CF6-Triebwerken sind heute noch im aktiven Betrieb“, sagt Claudia Gaab, Abteilungsleiterin zivile GE-Programme bei der MTU. Derzeit werden auch jährlich etwa 60 Triebwerke der neuesten Version des Typs produziert, vor allem für die noch mindestens bis 2027 produzierten zivilen Frachtflugzeuge des Typs Boeing 767. Die MTU hat in einem halben Jahrhundert am Standort in München über eine Millionen Einzelteile für das CF6 hergestellt.

Erfolgsmodell: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Erfolgsmodell: Die MTU fertigt für das CF6 Teile der Turbine und des Verdichters – mittlerweile hat sie dafür über eine Millionen Einzelteile produziert.

Bis heute hat das CF6 in allen Versionen mehr Flugstunden absolviert als jedes andere Triebwerk für Großraumflugzeuge. „Dass das CF6 zu dieser Erfolgsgeschichte wurde und die MTU damit auch nach 50 Jahren noch einen wesentlichen Umsatz- und Ergebnisbeitrag erwirtschaftet ist beeindruckend und war natürlich damals in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar“, sagt Claudia Gaab. „Da die Triebwerke der Reihe so lange im Dienst sind, ist auch das Ersatzteilgeschäft wesentlich größer als damals antizipiert.“ Der 1971 mit GE geschlossene Vertrag hatte Modellcharakter für viele weitere gegenseitige Abkommen die bis heute folgten. „Die damalige Vereinbarung schaffte für die MTU die Voraussetzung um als Partner von GE auch an vielen weiteren Programmen, wie zum Beispiel das GE9X oder GEnx, mitzuarbeiten und damit die Zusammenarbeit sukzessive auszubauen. Ohne das CF6-Triebwerk hätten wir das nicht geschafft“, so Gaab.

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