good-to-know

„Before the Flight“: Taxiing – die hohe Kunst des Rollens

Bevor ein Flugzeug abheben kann, muss es oft kilometerlang rollen. Dieses Taxiing ist eine Herausforderung für Piloten und Fluglotsen.

02.2022 | Autorin: Monika Weiner | 5 Min. Lesezeit

Autorin:
Monika Weiner arbeitet seit 1985 als Wissenschaftsjournalistin. Die Diplom­geologin interessiert sich vor allem für neue Entwicklungen in Forschung und Technik sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.

Wie gelangt ein Flugzeug vom Gate zur Startbahn?

Die Gepäckfächer sind geschlossen, die Passagiere angeschnallt, die Türen verriegelt. Mit einem kaum spürbaren Ruck setzt sich das Flugzeug in Bewegung. Während die Fluggäste bereits dösen oder das Treiben am Flughafen beobachten, herrscht im Cockpit höchste Konzentration: Um die Parkposition am Gate zu verlassen, wird ein spezielles Pushback-Fahrzeug benötigt, das die Maschine – meist mit Hilfe spezieller Stangen, die am Bugrad befestigt werden – rückwärts auf das Rollfeld herausschiebt. Erst wenn das Flugzeug genügend Platz hat, um vorwärts weiterzurollen, wird das Pushback-Fahrzeug abgekoppelt. Von nun an steuert der Pilot die Maschine bis zur Startbahn. Eine Herausforderung – nicht nur wegen der Spannweite der Flügel, sondern auch wegen der zahlreichen Vorschriften, die beim Taxiing beachtet werden müssen.

Klare Verkehrsordnung: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Klare Verkehrsordnung: Die Beschilderung der Taxiways ist weltweit einheitlich und wird durch das internationale Buchstabieralphabet geregelt.

Was bedeutet Taxiing?

Das Wort ist abgeleitet vom englischen Begriff „to taxi“, übersetzt „rollen“. In der Luftfahrt versteht man unter Taxiing die Bewegung eines Flugzeugs am Boden. Und diese kann ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen: Durchschnittlich zehn Minuten dauert das Taxi-out vor dem Start. Am Ende des Fluges kommen für das Taxi-in, das benötigt wird, um von der Landebahn zum Gate zu rollen, weitere fünf Minuten hinzu. Damit sich die Flugzeuge beim Taxiing nicht gegenseitig behindern, verfügen große Flughäfen über mehrere Taxiways. Diese Rollbahnen sind nach Buchstaben und gegebenenfalls auch noch zusätzlichen Ziffern benannt. Die Beschilderung der Taxiways ist weltweit einheitlich: Schwarze Verkehrszeichen mit gelber Schrift zeigen an, auf welcher Rollbahn man sich gerade befindet; gelbe Schilder mit schwarzer Schrift sind Hinweise auf Abzweigungen.

Wie wird der Verkehr auf den Taxiways organisiert?

Den Betrieb auf den Taxiways regeln Flutlotsinnen und Fluglotsen. Sie erteilen den Piloten Anweisungen nach dem internationalen Buchstabieralphabet. „Taxi via Mike one and Papa three “ bedeutet beispielsweise, dass eine Maschine die Taxiways M1 und P3 verwenden soll. Hinter der Entscheidung, welches Flugzeug auf welche Rollbahn geschickt wird, steckt – vor allem an großen Flughäfen, wo täglich hunderte von Maschinen von den Terminals zu den Startbahnen und zurück dirigiert werden – eine ausgetüftelte Logistik. Um Staus und Kollisionen zu verhindern, müssen die Fluglotsen nicht nur die Rollgeschwindigkeit des Flugzeugs berücksichtigen, sondern auch die Dauer der Stopps, welche benötigt werden, um die Triebwerke zu starten, Systemchecks durchzuführen und Checklisten abzuarbeiten. Hinzu kommt, abhängig vom Flugzeugtyp, die Länge der Startbahn, die für den Take-off erforderlich ist. Dieser Wert entscheidet darüber, an welcher Kreuzung eine Maschine vom Rollfeld auf die Startbahn geschickt wird.

„Push“ nach hinten: Selbstständig Rückwärtsfahren ist mit hohen Lärmemissionen verbunden – außerdem kann der Pilot aus dem Cockpit heraus nicht hinter das Flugzeug blicken. Hierbei unterstützt deshalb ein sogenanntes Pushback-Fahrzeug.

Wer steuert beim Taxiing das Flugzeug?

Taxiing ist bei den meisten Airlines Aufgabe der Pilotinnen und Piloten. Dafür gibt es gute Gründe: Die Fortbewegung am Boden erfordert viel Erfahrungen und Überblick bei der Navigation. Der Pilot muss die Verkehrssituation erfassen und wissen, hinter welchem Flugzeug er auf welche Start- oder Parkposition vorrücken darf. Der Co-Pilot könnte das Flugzeug zwar theoretisch auch steuern, übernimmt dies aber meist nur zu Trainingszwecken oder während der Pilot eine Durchsage an die Passagiere macht.

Verkehrspolizei am Flughafen: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Verkehrspolizei am Flughafen: Mit Hilfe von Schlepp- und Follow-me-Fahrzeugen wird dafür gesorgt, dass der Verkehr am Flughafen sicher und geordnet abläuft.

Was passiert, wenn’s mal eng wird?

Es kommt selten vor, dass sich Flugzeuge auf den Taxiways zu nahe kommen. Wenn es aber trotzdem mal passiert, beispielsweise weil sich ein Pilot verfahren hat, wird es kompliziert, denn die Maschinen können nur schlecht manövrieren: Rückwärtsfahren ist, mit Umkehrschub der Triebwerke, zwar möglich, führt aber zu einer hohen Lärmemission. Hinzu kommt, dass der Pilot von seinem Platz im Cockpit den Raum hinter dem Flugzeug nicht überblicken kann. Beim Rangieren ist die Crew daher auf fremde Hilfe angewiesen: Je nach Situation wird ein Follow-me-Fahrzeug gerufen, dessen Fahrer die Flügelspitzen beobachten kann und dabei sicherstellt, dass diese kein Hindernis berühren. Im Notfall muss ein Pushback-Fahrzeug kommen und die Maschine soweit zurückschieben, bis sie auf der Rollbahn ausreichend Platz hat, um vorwärts weiterzufahren.

Vom Taxiing zum „Flying“

Das Taxiing ist erst dann beendet, wenn die Fluglotsinnen und Fluglotsen die Erlaubnis zum Start erteilen, die Maschine vom Taxiway auf die Startbahn abbiegt und beschleunigt.

Wie sieht die Zukunft aus?

Technische Entwicklungen können das Taxiing nachhaltiger machen

Flugzeugtriebwerke sind optimiert für den Flug, nicht für eine langsame Fortbewegung auf dem Boden. Flughafenbetreiber, Airlines, Flugzeug- und Triebwerkshersteller suchen daher nach neuen, energiesparenden Antriebssystemen für die Fortbewegung auf dem Boden. Verschiedene Konzepte für Ground-based-Systems oder On-board-Systems wurden bereits entwickelt und zum Teil auch erprobt.

Die einfachste Möglichkeit, den Energieverbrauch beim Taxiing zu senken, erfordert kein zusätzliches Equipment: Beim Single Engine Taxiing, kurz SET, lässt der Pilot während des Rollens nur eines der Triebwerke laufen. Alle weiteren nimmt er erst kurz von dem Start in Betrieb. Schätzungen zufolge lässt sich der Treibstoffverbrauch am Flughafen auf diese Weise um mehr als 20 Prozent senken.

Das Flaggschiff der bodengestützten Systeme ist der TaxiBot, ein autonomes Schleppfahrzeug mit einem hybriden Diesel-Elektro-Antrieb, das schon auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol getestet wurde. Ein Fahrer steuert den TaxiBot rückwärts an das Bugfahrwerk des Flugzeugs heran und dockt dort an. Damit wird das Fahrzeug zu einem externen Antriebssystem, das der Pilot vom Cockpit aus steuern kann. Mit Hilfe des TaxiBots kann er nun bis zu einer Halteposition kurz vor der Startbahn fahren, erst dort werden die Triebwerke eingeschaltet. Auf diese Weise lassen sich Treibstoff-, Kohlendioxid- und Stickoxideinsparungen von über 50 Prozent erreichen.

Die On-board-Systeme basieren auf Elektromotoren, die in eines oder mehrere Fahrwerke eingebaut werden könnten. Diese e-Taxiing-Systeme, kurz ETS, würde die Manövrierbarkeit von Flugzeugen verbessern, den Einsatz von Pushback-Fahrzeugen überflüssig machen und die Lärmemission an Flughäfen deutlich verringern. Der für den Betrieb der Elektromotoren notwendige Strom könnte an Bord entweder von den schon vorhandenen Hilfstriebwerken, den Auxiliary Power Units, kurz APUs, erzeugt werden oder mit Brennstoffzellen. E-Taxiing hat nach Aussage der Entwickler das Potenzial, die Emissionen von Luftschadstoffen um mehr als die Hälfte zu reduzieren.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:


Der AEROREPORT ist das Luftfahrtmagazin der MTU Aero Engines, Deutschlands führendem Triebwerkshersteller.
„Die Welt der Luftfahrt mit MTU-Brille“ bringt auf den Punkt, worüber der AEROREPORT berichtet. „REPORT“ steht für Hochtechnologie
und exzellenten Service „Made by MTU“, „AERO“ für den Blick über den Tellerrand hinaus, auf allgemeine Luftfahrtthemen.

Fliegen und die Technologie, die es ermöglicht, sind faszinierend und bieten ein breites Themenspektrum für ein Luftfahrtmagazin: mehr als hundert Jahre Geschichte und viele Fragestellungen für die Zukunft der Luftfahrt angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit.