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Kurz erklärt: Hochdruckverdichter
Die Auslegung eines Hochdruckverdichters ist die Königsdisziplin im Triebwerksbau. Der AEROREPORT erklärt ihre Aufgabe und die innovativen Technologien, die dahinter stecken.
09.2023 | Autorin: Isabel Henrich | 3 Min. Lesezeit
Autorin:
Isabel Henrich
ist studierte Politologin und Kommunikationswissenschaftlerin. Bei der MTU steuert sie den redaktionellen Prozess des AEROREPORTs und ist zuständig für die Konzeption und Entwicklung der Inhalte.
Verdichter sind das Herzstück eines Triebwerks. Seit über 50 Jahren entwickelt, fertigt und repariert die MTU Aero Engines Hochdruckverdichter (HDV). Die Auslegung des HDV ist die Königsdisziplin im Triebwerksbau. Wer sie beherrscht, spielt in der Triebwerksliga ganz oben mit.
Welche Aufgaben haben Hochdruckverdichter?
Der Anteil der vom Fan angesaugten Luft, der ins Kerntriebwerk gelangt, wird im Nieder- und Hochdruckverdichter weiter komprimiert. Der Niederdruckverdichter leistet die Vorverdichtung, der Hochdruckverdichter übernimmt die Hauptverdichtung. Die Hochdruckverdichter der MTU weisen sehr hohe Wirkungsgrade bei niedrigem Gewicht auf.
Verdichterentwicklung bei der MTU
Ihr Verdichter-Know-how erwarb die MTU anfangs im militärischen Bereich: Von ihr stammen Mitteldruck- und Hochdruckverdichter des Tornado-Triebwerks RB199, Niederdruck- und Hochdruckverdichter des Eurofighter-Antriebs EJ200 sowie der Mitteldruckverdichter des TP400-D6 im Militärtransporter Airbus A400M.
Für das EJ200 hat die MTU erstmals Verdichterstufen in Blisk-Bauweise konzipiert, die inzwischen auch sehr erfolgreich in MTU-Komponenten ziviler Triebwerke verwendet werden.
Zum RB199 steuerte die MTU erstmals eigenverantwortlich entwickelte und gebaute Komponenten bei - etwa den Mittel- und Hochdruckverdichter oder die Mitteldruckturbine.
Ihren ersten zivilen HDV entwickelte und baute die MTU für das PW6000, den A318-Antrieb. Aktuelles Aushängeschild ist der HDV für den ökoeffizienten Getriebefan (GTF), den die MTU gemeinsam mit Pratt & Whitney entwickelt hat. Diese Erfolgsstory geht weiter: In der neuesten GTF-Variante, dem GTF Advantage™, kommt ein nochmals verbesserter HDV zum Einsatz.
Mit der Beteiligung der MTU am neuen europäischen Kampfflugzeug, dem Next Generation Fighter (NGF), setzt sich auch die militärische Verdichtertradition fort: Für diesen Jet-Antrieb entwickelt und fertigt die MTU das gesamte Verdichtungssystem bestehend aus Niederdruckverdichter, Übergangskanal und HDV.
Was zeichnet den Hochdruckverdichter im Getriebefan aus?
Der achtstufige, transsonische HDV des GTF hat ein Druckverhältnis von 15:1 und wurde mit Hilfe modernster Auslegungsmethoden optimiert: Er zeichnet sich durch ein äußerst robustes Betriebsverhalten bei hervorragendem Wirkungsgrad aus. Von der MTU kommen die vorderen vier, von Pratt & Whitney die hinteren vier Stufen.
Der GTF-HDV ist in Blisk-Bauweise ausgelegt – erstmals auch in den hinteren Stufen. Dafür fertigt die MTU Nickel-Blisks im Auftrag von Pratt & Whitney mittels des Verfahrens PECM (Precision Electro-Chemical Machining). Weitere HDV-Highlights sind neue Bauweisen, etwa das Casing-Treatment, ein neues Rotorkonzept als Spannverband mit einem Zuganker, der axial ungeteilte Innenring, neue Werkstoffe sowie die neuartige Erosionsschutzschicht ERCoatnt®, eine innovative Multilayerschicht für Schaufeln. Im GTF-Verdichterbereich sind zudem zwei Bürstendichtungen verbaut. Diese innovativen MTU-Dichtungselemente ersetzen herkömmliche Labyrinthdichtungen und reduzieren den verbleibenden Leckagestrom deutlich.
Welche Optimierungen sind für den GTF Advantage angedacht?
Im neuesten GTF, dem GTF Advantage™, kommt ein nochmals verbesserter HDV zum Einsatz – mit weiter gesteigertem Wirkungsgrad. Bei der Überarbeitung wurde der Fokus auch auf gesteigerte Robustheit und Zuverlässigkeit im Betrieb gelegt.
Welche innovativen Technologien finden sich in Hochdruckverdichtern der nächsten Generation?
Die nächste Hochdruckverdichter-Generation wird bereits vorbereitet – unterstützt durch hochentwickelte und immer weiter verfeinerte Simulations-, Rechen- und Auslegungsverfahren in allen analytischen Disziplinen, sowie Rig- und Demonstratorentests.
Ziel ist eine kompaktere, leichtere Bauweise ohne Effizienzeinbußen. Zusätzliche Möglichkeiten ergeben sich durch ein verbessertes Zusammenspiel mit dem davorliegenden Niederdruckverdichter sowie der optimierten Bauweise des Übergangskanals. Auf Bauteilebene ermöglicht die Additive Fertigung in Verbindung mit neuartigen bionischen Auslegungsprozessen die Optimierung der Bauteilgeometrie.
Für den Antrieb des Next Generation Fighters entwickelt die MTU das gesamte Verdichtungssystem bestehend aus Niederdruckverdichter, Übergangskanal und Hochdruckverdichter. Die Auslegung als „Variable Cycle Engine“ (VCE) stellt besondere Herausforderungen an die MTU, denn die Verdichter müssen hinsichtlich ihrer Einsatzspektren besonders flexibel sein. Zur Gewichtssenkung werden neue Werkstoffe und Bauweisen in Betracht gezogen, etwa Faserverbundwerkstoffe (FVK) und Pulvermetall (PM).