good-to-know
Kurz erklärt: Die Triebwerksregelung
Die voll digitale Regelung (DECMU) ist für die Steuerung eines Triebwerks zuständig und sorgt für den sicheren Betrieb. Beim EJ200 leistet sie noch mehr.
04.2024 | Autor: Patrick Hoeveler | 4 Min. Lesezeit
Autor:
Patrick Hoeveler
ist freiberuflicher Luftfahrtjournalist und unter anderem für die FLUG REVUE tätig.
Hier laufen alle Fäden zusammen: Nicht umsonst gilt die Regelung als das Gehirn eines Triebwerks. Wie Nervenbahnen führen zahlreiche Leitungen dem System Informationen zu, die in einer Box, nicht größer als ein Schuhkarton, verarbeitet werden. Egal ob Druckwerte, Temperaturen oder Positionssignale, mit Hilfe ausgeklügelter Algorithmen verarbeitet die spezielle Software die Daten und erstellt entsprechende Ausgabebefehle an Stellmotoren und andere Untereinheiten. Mit anderen Worten: Alles, was die Steuerung des Antriebs betrifft, läuft über den voll digitalen Regler.
Dieser Inhalt könnte Sie auch interessieren
Neuer Schub für das Eurofighter-Triebwerk EJ200
Dank neuer Aufträge nimmt die Serienfertigung des Eurofighter-Antriebs noch mal Fahrt auf.
DECMU: Digitaler Regler für das EJ200
Die Digital Engine Control and Monitoring Unit
Aus Sicherheitsgründen verfügt die Regelung über zwei parallele Kanäle, die sich gegenseitig überwachen. Bei Problemen wechselt das System automatisch den Kanal. Die Pilot:innen im Cockpit bekommen davon in der Regel nichts mit. Nur bei gravierenden Schwierigkeiten gibt es eine Fehlermeldung. Ansonsten speichert das System den Vorgang, so dass die Bodenmannschaft nach der Landung die Daten auslesen kann.
Gehirn des Triebwerks: Die DECMU ist am vorderen Ende des Triebwerks befestigt. Dort führen zahlreiche Leitungen dem System Informationen zu, die in einer Box, nicht größer als ein Schuhkarton, verarbeitet werden. Alles, was die Steuerung des Antriebs betrifft, läuft über den voll digitalen Regler.
Regelung und Überwachung in einem
Wie der Name schon sagt, kombiniert die DECMU die Regelung des Triebwerks mit der Überwachung und dem Erfassen von Daten, die für die Instandhaltung wichtig sind. Höchsten Stellenwert hat natürlich die Betriebssicherheit im Flug. So erfassen die Sensoren im Schnitt alle zehn Millisekunden die Signale neu, um das Triebwerk laufend auf die aktuellen Bedingungen einzustellen. So kann bei einem sich ankündigenden Problem möglichst schnell reagiert werden und im Extremfall das Triebwerk abgestellt werden, bevor es zu gravierenden Schäden kommt. Aber das Gerät hält auch zahlreiche, Betriebsdaten fest, die nach dem Flug ausgewertet werden können und wichtige Informationen für die Instandhaltung der Triebwerke liefern.
Interessanterweise erfordert die Aufgabenstellung der aktuellen Regelung weniger Rechenleistung als in einem aktuellen Mobiltelefon. Dafür müssen aber alle Berechnungen schnell und mit sehr hoher Präzision und Sicherheit erfolgen.
Fit für die Zukunft
Trotz der unbestrittenen Leistungsfähigkeit des bestehenden Reglers arbeitet die MTU Aero Engines derzeit an einer neuen Ausführung. Grund für die Entwicklung der
„Die alte DECMU ist vorwiegend mit militärischen elektronischen Komponenten bestückt, die weltweit immer mehr an Bedeutung verlieren. Die ganze Militärindustrie geht zunehmend auf Industriekomponenten zurück, wie man sie auch in Automobile verbaut“, erklärt Werner Oberndorfer, Leiter Projekt- und Auftragssteuerung Reglerentwicklung bei der MTU. „Die Lebenszyklen von Luftfahrtgerät und Elektronik sind diesbezüglich maximal inkompatibel. Gerade bei einem militärischen Fluggerät reden wir von Einsatzzeiten von bis zu 60 Jahren, während sich die Entwicklungszyklen am Elektronikmarkt kontinuierlich verkürzen und sich alle paar Jahre grundlegende Veränderungen ergeben.“
Alle sechs Monate überprüfen deshalb die Triebwerksexpert:innen der MTU jede Komponente und teilen diese in Risikoklassen ein: Je höher die Risikoklasse, desto näher rückt das Ende der Lebensdauer und damit auch das der Verfügbarkeit. So sollen Probleme möglichst früh erkannt werden, um eventuell schon vorsorglich Ersatzkomponenten zu identifizieren, bevor diese nicht mehr beschaffbar sind. Die Aufgabe ist nicht ganz ohne, schließlich besteht die DECMU aus bis zu 20.000 elektronischen Bauteilen.
Die neue DECMU bekommt nun ein komplett neues Innenleben, das zudem auch mehr Rechenleistung, Speicher und verbesserte Schnittstellen aufweist. Damit lassen sich in Zukunft auch weitere Instandhaltungsfunktionen in die Software einbauen. „Hier wird es Verbesserungen geben, die helfen können, die Instandhaltungskosten des Triebwerks noch weiter zu reduzieren“, sagt Stephan Lang, DECMU-Chefingenieur bei der MTU. Trotzdem bleibt die
©EUMET
New Generation Fighter: Ein Kampfflugzeug der sechsten Generation, das die Vernetzung des Kampfflugzeugs mit unbemannten Komponenten ermöglicht und weiterentwickelte Schlüsseltechnologien nutzt – insbesondere im Bereich Elektronik und Sensoren.
Die nächste „nächste Generation“
Für das New Generation Fighter Engine (NGFE), das Triebwerk für das europäische Kampfflugzeug der nächsten Generation, das im Rahmen des Future Combat Air System (FCAS) entsteht, liefert die DECMU-NG des EJ200 zwar wieder einige technologische Grundlagen, doch in Zusammenarbeit mit Safran Aircraft Engines wird hier ein komplett neues System entstehen. Dabei untersuchen die Ingenieur:innen auch Konzepte mit verteilter Intelligenz, bei denen die Rechenoperationen nicht mehr in einer Box zusammenlaufen, sondern näher an den Sensoren oder in smarten Aktuatoren erfolgen. Dies hätte den Vorteil kürzerer Regelstrecken und damit noch schnellerer Reaktionszeiten.