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Mit dem Booster abgehen wie eine Rakete und andere geflügelte Worte

Unsere Alltagssprache ist voller Redewendungen, von denen kaum jemand weiß, dass sie aus der Fliegerei stammen. Eine luftfahrt-linguistische Spurensuche zeigt Hintergründe.

11.2021 | Autor: Andreas Spaeth | 5 Min. Lesezeit

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Andreas Spaeth ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.

Die Präsenz der Fliegerei in unserer alltäglichen Sprache ist erstaunlich. „Schweben und fliegen haben sich sehr früh in sprichwörtlichen Redensarten niedergeschlagen“, erklärt Rolf-Bernhard Essig, Kurator der Ausstellung „Bombenwetter“, die sich diesem Phänomen widmet und bis zum 31. Oktober 2021 erstmals im Militärhistorischen Museum auf dem alten Flugplatz Gatow in Berlin zu sehen war. Essig zählt klassische Beispiele auf: Ambitionierte, aber unrealistische Ideen sind als hochfliegende Pläne bekannt, wer davon allerdings zu viele hegt, bekommt die Flügel gestutzt. In vielen Kulturen kennt man den Grundsatz: Wer hoch steigt, wird tief fallen. Die Zeit selbst vergeht schließlich im besten Fall wie im Fluge. Solche luftigen Anspielungen sind heute eher Allgemeinplätze, und der Kurator behauptet sogar, dass jeder von uns etwa hundert Mal am Tag buchstäblich geflügelte Worte oder Redensarten solcher und anderer Art zum Besten gibt. Viele Begriffe haben ganz konkrete Ursprünge in der Fliegerei, oft des Ersten und Zweiten Weltkriegs, manche entstanden aber auch erst in den letzten Jahrzehnten. Einige ausgewählte Beispiele stellt der AEROREPORT hier vor.


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Etwas auf dem Schirm haben

Verantwortungsvolle Menschen haben eine Wahrnehmung dafür, was um sie herum wichtig ist oder wichtig werden könnte. Sowohl ganz gegenständlich etwa bei physischen Hindernissen, aber auch im übertragenen Sinn, wenn es um mögliche Entwicklungen von Dingen, Ideen oder Vorhaben geht. Etwas im Blickfeld zu haben und zu beobachten, das drückt man heute gern mit der Formulierung „ich habe es auf dem Schirm“ aus. Ihr Ursprung lässt sich klar auf die Luftfahrt zurückführen. Auch auf die heutige – denn Fluglotsen im Tower bekommen alle Flugzeuge auf ihren Radarschirm, sobald sie in die Kontrollzone des jeweiligen Lotsen einfliegen. Eine Aufreihung an Papierstreifen – oder das gleiche in digitaler Form – erinnert jeden Lotsen an alle Flüge die gerade zu überwachen sind. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Zweiten Weltkrieg, als aus dem alten deutschen Begriff „Funkmess“ das Radar (Radio Detection and Ranging) wurde. Bei dieser Ortungstechnik werden elektromagnetische Wellen ausgesandt, die von fliegenden Objekten als Echo reflektiert, empfangen und ausgewertet werden und so auf dem Radarschirm erscheinen.


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Helikoptereltern

Diese Spezies von Eltern lässt ihre ausufernde Überwachung und Bemutterung des eigenen Nachwuchses zur Herausforderung für andere werden. Ein früherer Präsident des Deutschen Lehrerverbands unterscheidet sogar drei Typen von Helikoptereltern: „Den Transporthubschrauber, den Kampfhubschrauber und den Rettungshubschrauber.“ Die Helikoptereltern werden schon länger im Duden aufgeführt, der ultimativen Autorität für zeitgemäße deutsche Sprache, das Verb „helikoptern“ schaffte es 2020 erstmals in die Neuausgabe. Dort wird die Bedeutung so erklärt: „Die eigenen Kinder aus übertriebener Fürsorge ständig überwachen.“ Erstmals sei der Begriff „helicopter parents“ vor etwa 30 Jahren von US-amerikanischen Kinderpsychiatern verwendet worden. Die Herkunft des Begriffs wird in Gatow passend neben der Salon-Version des Hubschraubers Mil Mi-8S erklärt, der zu jener Zeit noch in aktiver Verwendung war.


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Abgehen wie eine Rakete

Raketen haben bereits eine erstaunlich lange Karriere in der Umgangssprache hinter sich. „Wie eine Rakete hochfahren“ war bereits im Grimm’schen Wörterbuch des 19. Jahrhunderts aufgeführt und bezeichnete damals eine plötzliche, hastige Bewegung. Sprachlich regten abzischende Raketen die Menschen seit jeher zu schöpferischen Redewendungen an und ihre Schnelligkeit und Explosivität machten sie sprichwörtlich. Die Bedeutung der Rakete in der Umgangssprache hat sich jedoch gewandelt. Immer wieder ging es um die negativen Folgen von Hochmut und Arroganz, die mit Raketen als Sinnbild verdeutlicht wurden. „Wenn die Rakete am höchsten ist, dann platzt sie“ war eins davon. Der Flugkörper stand zur vorletzten Jahrhundertwende auch für einen leicht aufbrausenden Menschen. „Abgehen wie eine Rakete“ steht seit den 1950er Jahren für besonders temperamentvolles, agiles und schnelles Verhalten.


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Die Reißleine ziehen

Am Anfang der Zeitleiste des Ursprungs von Begriffen, die sich auf das Flugwesen zurückführen lassen, steht die Aussage „die Reißleine ziehen.“ Was heute in etwa bedeutet eine gefährliche Entwicklung noch rechtzeitig zu beenden, stammt aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende und kommt aus der Ballonfahrt. Schon 1910 lässt sich die Verwendung des Begriffs belegen. Ende des 19. Jahrhunderts führte ein Berliner Verein über 20 meteorologische Forschungsfahrten mit dem Ballon „Phönix“ durch. Hier feierte die moderne Reißleine Premiere: Ein rotes Band, mit dem zur schnellen Entgasung des Ballons ein aufgeklebter oder aufgenähter Stoffstreifen von der Hülle abgerissen werden konnte. So ließen sich gefährliche Schleiffahrten bei der Landung verhindern, ohne den Ballon nachhaltig zu beschädigen. Der daraus hervorgegangene Begriff ist im heutigen Wirtschaftsjargon sehr präsent, etwa wenn ein Unternehmen ein mit hohen Investitionen gestartetes Produkt oder Projekt abrupt stoppt.


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Booster

Wenn es heute einen Begriff gibt, der bei Markennamen fast inflationär genutzt wird, ist es „Booster“. Da gibt es den Booster Energy Drink, den Hydro Booster als kosmetische Gesichtsmaske, den Immunbooster zur Nahrungsergänzung oder Booster Mascara in der Kosmetik – und das ist nur eine kleine Auswahl. Im englischen Original heißt das in etwa Verstärker, Verbesserung oder Zusatzteil, das leistungssteigernd wirkt. Der Booster hat seinen Ursprung allerdings als Erststufe von mehrstufigen Raketen – und als Start-Hilfsrakete, als solche auch in der Luftfahrt genutzt. So auch in Deutschland, als 1960 Versuche begannen, die Lockheed F-104 G Starfighter der Luftwaffe so auszustatten, dass sie bei zerstörten Pisten notfalls auch ohne die sonst nötige Startstrecke von vollen 1.700 Metern in die Luft kommen würde. Dank eines Feststoff-Raketenmotors konnte das Flugzeug dann mit minimaler Startstrecke in acht Sekunden 200 Meter Höhe und 500 km/h erreichen.

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