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Wie funktioniert ein Turbojet-Triebwerk?

Antriebe für die anspruchsvollsten Bedingungen: Turbojet-Triebwerke sind für den militärischen Einsatzbereich hochspezialisiert. Doch wie funktionieren sie eigentlich?

06.2024 | Autor: Patrick Hoeveler | 5 Min. Lesezeit

Autor:
Patrick Hoeveler ist freiberuflicher Luftfahrtjournalist und unter anderem für die FLUG REVUE tätig.

Neben einem zivilen Turbofan mit seinem großen Bläser wirkt ein schlanker militärischer Turbojet fast schon etwas verloren. Dennoch sind die Grundlagen ihrer Funktion die gleichen: Luft wird komprimiert, mit Kraftstoff vermischt und entzündet. Dabei entsteht eine enorme Energie, welche sowohl die Turbinen antreibt als auch Vorwärtsschub liefert. Die Anforderungen an die jeweiligen Triebwerke könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein:

Zivile Triebwerke sind naturgemäß auf den Reiseflug optimiert, da sich Flugzeuge die meiste Zeit in diesem Flugbereich bewegen. Der Fokus liegt auf möglichst geringen Verbrauchs- und Lärmwerten. Militärische Antriebe müssen relativ wenig Masse sehr hoch beschleunigen und auch noch im Überschallbereich Schub liefern. Im Gegensatz zu den zivilen Turbofans, die einen großen Fan für einen hohen Vortriebswirkungsgrad nutzen, besitzen Turbojets einen viel kleineren Fan um eine hohe Austrittsgeschwindigkeit sicherzustellen. So fließt weniger Luft durch das Triebwerk, die aber höher beschleunigt wird.

Turbojets sind hochspezialisierte Antriebe, die für maximale Leistung unter den anspruchsvollsten Bedingungen ausgelegt sind. Obwohl sie in ihrer Grundfunktion zivilen Triebwerken ähneln, liegt ihr Fokus eindeutig auf den spezifischen Anforderungen militärischer Einsatzbereiche.

So funktioniert ein Turbojet-Triebwerk:

Ansaugen:
Die Luft wird durch die vordere Öffnung des Triebwerks – den Einlass – angesaugt. Bei hohen Geschwindigkeiten, insbesondere im Überschallflug, spielt das Design des Einlasses eine kritische Rolle, da er so konstruiert sein muss, dass er den Luftstrom effizient zum Verdichter leitet und dabei Schockwellen und Luftwiderstand minimiert.

Verdichten:
Nachdem die Luft angesaugt wurde, fließt sie zunächst durch den Niederdruckverdichter, dann durch den Hochdruckverdichter. Mit jeder Stufe wird die Luft weiter komprimiert, wodurch ihr Druck und ihre Temperatur steigen. Diese Verdichtung ist essenziell, um die Effizienz der nachfolgenden Verbrennung zu maximieren und somit einen höheren Schub zu erzeugen.

Verbrennen:
Nach der Verdichtung strömt die Luft in die Brennkammer. Dort sorgen Kraftstoff-Einspritzdüsen für die Bildung eines Brennstoff-Luft-Gemisches, welches dann bei einer Temperatur von über 2.000 Grad Celsius verbrennt. Durch die Erhitzung dehnt sich das Gas auf ein vielfaches Volumen aus und entweicht mit hoher Energie aus der Brennkammer, wo es für den Antrieb der Turbinen sorgt, die auch die Verdichter antreiben.

Ausstoßen (mit Nachbrenner):
Nachdem die Gase die Turbine durchströmt haben, treten sie in den Nachbrenner ein. Dort wird zusätzlicher Kraftstoff direkt in den heißen Abgasstrom eingespritzt und entzündet. Diese weitere Verbrennung erhöht die Temperatur und damit die Austrittsgeschwindigkeit deutlich. Da die Gase nun mit noch höherer Geschwindigkeit ausgestoßen werden, erzeugt dies einen erheblich verstärkten Schub.

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Aufbau eines Turbojet-Triebwerks:

Niederdruckverdichter

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Niederdruckverdichter

In den Verdichtern wird die Luft komprimiert, beim Eurofighter-Triebwerk EJ200 in einem Verhältnis von 26:1, das heißt am Ende der Kompressoren herrscht ein 26 mal so hoher Druck wie am Anfang. Der Niederdruckverdichter ist deutlich kleiner als die Bläser ziviler Triebwerke, die hier den Großteil ihres Schubs generieren. Bei reinen Turbojets wie dem General Electric J79 der F-4 Phantom gibt es keinen Nebenstrom wie bei zivilen Triebwerken, die gesamte Luft fließt durch das Kerntriebwerk. Moderne Kampfflugzeugtriebwerke wie das EJ200 sind technisch gesehen Turbofans, auch wenn nur ein geringer Teil der Luft in den Nebenstrom geht. Das Verhältnis liegt hier bei 0,4:1. Zum Vergleich: beim PW1100G-JM des Airbus A320neo beträgt die Rate 12,5:1.


Schon gewusst?
Im Niederdruckverdichter des EJ200 kamen zum ersten Mal überhaupt integral hergestellte Schaufel-Scheiben-Kombinationen, die so genannten Blisks (Blade Integrated Disks) zum Einsatz.


Hochdruckverdichter

 hochdruckverdichter

Hochdruckverdichter

Die vom Niederdruckverdichter schon vorverdichtete Luft wird hier weiter komprimiert. Auch hier kommen heutzutage Blisks zum Einsatz, die eine höhere Leistungsdichte pro Stufe ermöglichen. Da der bei konventionellen Ausführungen nötige Platz für die Schaufelfüße entfällt, lassen sich mehr Schaufeln auf der Scheibe unterbringen.


Schon gewusst?
Das Druckverhältnis ist hier in der Regel nicht so hoch wie in zivilen Ausführungen, da bei Kampfflugzeugen aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit zum Beispiel im Überschallflug die Luft aufgestaut wird. Das heißt, die Luft ist bereits etwas komprimiert, wenn sie ins Triebwerk hineinkommt.


Brennkammer

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Brennkammer

Hier wird in die verdichtete Luft, die bereits eine hohe Temperatur aufweist, Kraftstoff eingespritzt, und das Gemisch entzündet. Dadurch entsteht eine enorme Energie, die von den Turbinen genutzt wird.


Schon gewusst?
Da die Flammtemperatur mit über 2.000 Grad Celsius über dem Schmelzpunkt der verwendeten Legierungen liegt, muss Luft aus dem Verdichter abgezapft und zur Kühlung eingeblasen werden.


Hochdruckturbine

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Hochdruckturbine

Der Abgasstrahl treibt beschaufelte Laufräder an. Dabei sitzt die Hochdruckturbine auf derselben Welle wie der Hochdruckverdichter und sorgt so für den nötigen Schwung des Kompressors.


Schon gewusst?
Die Temperatur am Eintritt der Turbine im EJ200 beträgt mehr als 1.500 Grad Celsius, deshalb werden auch die Turbinenschaufeln mit Abzapfluft aus den Verdichtern gekühlt.


Niederdruckturbine

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Niederdruckturbine

Analog zur Hochdruckturbine sorgt die Niederdruckturbine für den Antrieb der Niederdruckwelle. Anschließend treten die Verbrennungsgase aus dem Triebwerk aus und sorgen mit ihrem verbliebenen Potenzial für Schub.


Schon gewusst?
Das EJ200 verfügt jeweils über eine einstufige Turbine, die aus einer Einkristall-Nickellegierung besteh mit einer keramischen Wärmedämmschicht versehen ist.


Nachbrenner

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Nachbrenner

Als Spezialität bei den militärischen Triebwerken lässt sich nach den Turbinen nochmal Kraftstoff in die verbleibende Luft einspritzen und dann nachverbrennen. Auf diese Art erhöht sich die Temperatur und damit die Austrittsgeschwindigkeit deutlich. Einen Nachbrenner gibt es nur bei Kampfflugzeugtriebwerken. Er führt zu einem deutlich erhöhten Kraftstoffverbrauch, ermöglicht aber kurzfristig eine erhebliche Steigerung der Leistung und Geschwindigkeit, insbesondere für Überschallflug oder schnelle Beschleunigungen.


Schon gewusst?
Beim EJ200 lässt sich mit Hilfe des Nachbrenners eine Schubsteigerung von 30 Prozent generieren.


Schubdüse

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Schubdüse

Damit das Triebwerk optimal funktioniert und die Austrittsgeschwindigkeit möglichst hoch ist, muss die Schubdüse am hinteren Ende des Triebwerks variabel sein und als Druckregler funktionieren. Je höher die Temperatur und damit der Druck im Abgasrohr, desto weiter fährt die Düse auf. Beim Nachbrennerbetrieb öffnet sich die Düse im Moment der Kraftstoffeinspritzung sogar vollständig. Ansonsten droht die Gefahr, dass sich die heiße Luft aufstaut und sich so negativ nach vorne auf die dortigen Komponenten auswirkt.


Schon gewusst?
Im Gegensatz zu zivilen Antrieben ist die Schubdüse mit einem Verstellmechanismus ausgestattet, um den Auslassdurchmesser zu ändern.


Regelung und Überwachung

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Regelung und Überwachung

Sämtliche Vorgänge im Triebwerk werden vollautomatisch im Triebwerksregler überwacht und geregelt. Aufgrund des breiteren Aufgabenspektrums kommen auf die Steuerung eines militärischen Triebwerks mehr Funktionen zu , als auf einen Regler im zivilen Triebwerk. Auch die auszuhaltenden Umgebungsbedingungen sind deutlich anspruchsvoller, etwa Beschleunigungslasten bis zum Neunfachen des eigenen Gewichts.


Schon gewusst?
Beim Abfeuern von Lenkflugkörpern können heiße Abgase ins Triebwerk eingesaugt werden. Um negative Auswirkungen zu verhindern, fährt die Regelung in einer solchen Situation die Leitschaufeln leicht zu und die Düse etwas auf. Außerdem schaltet sie die Zündung ein, um einem möglichen Flammabriss im Triebwerk entgegenzuwirken.


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