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Wiederaufnahme des Flugbetriebs

Die Corona-Krise brachte einen beispiellosen Einschnitt in den weltweiten Flugverkehr. Jetzt kommen immer mehr Verkehrsflugzeuge zurück in den aktiven Liniendienst, nachdem sie längere Zeit geparkt waren. Die Wiederaufnahme des Flugbetriebs bringt viel Arbeit mit sich – und die meiste davon entfällt auf die Triebwerke.

07.2020 | Autor: Andreas Spaeth | 3 Min. Lesezeit

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Andreas Spaeth ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Inter­viewpartner in Hörfunk und Fernsehen.

Flugzeuge machen viel Arbeit. Egal, ob sie im Dauerbetrieb stehen oder am Boden geparkt sind. Auf dem Höhepunkt der Krise im April waren nach einer Statistik der Analysten von Cirium weltweit 64% der gesamten Flotte am Boden – knapp 17.000 Verkehrsflugzeuge. Jetzt beginnt die Wiederaufnahme des Flugbetriebs bei vielen Airlines. Das Versetzen eines Verkehrsflugzeugs in den Parkmodus dauert mindestens zwei Tage. Es aus diesem Dornröschenschlaf wieder zu erwecken und fit für den Liniendienst zu machen erfordert für alle routinemäßig anfallenden Arbeiten etwa 80 Mannstunden, auch rund zwei Arbeitstage. Wenn Flugzeuge länger als drei Monate stehen sollen, mottet man sie üblicherweise ein, weil das kostengünstiger und werterhaltender ist. Danach einen Jet zu aktivieren dauert sogar eine Woche. Entscheidend beim Abstellen ist es, Schäden an der empfindlichen Struktur und vor allem den komplexen und teuren Triebwerken durch die ungewöhnlich lange Bodenzeit zu vermeiden. „Flugzeuge stehen nicht gern“, sagt Patrick Scherrer, der in der Wartungsabteilung bei Swiss in Zürich die Abteilung Flugzeug-Erhaltung leitet.

Swiss zeigt was für Arbeiten am Flugzeug vor der Wiederaufnahme des Flugbetriebs erledigt werden müssen.

Wie MTU ihren Kunden auf dem Weg zum #SmartNewNormal hilft

Alles ist anders, seit das Corona-Virus weite Teile der Weltluftfahrt auf den Boden verbannt hatte. Viele bisher betriebene ältere Flugzeuge werden nicht in die aktiven Flotten zurückkehren. Das wirft auch für die Triebwerke als teuersten Komponenten der Flugzeuge viele Fragen auf. Alle Fluggesellschaften müssen sich zügig auf die neue Normalität einstellen und überarbeitete Flottenpläne erstellen, mit denen sie das langsame Wiederhochfahren des Betriebs und die erste Zeit nach der Pandemie bewältigen können. Das erfordert flexible, individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen Airline zugeschnittene Lösungen – möglichst auch mit Digitaler Unterstützung. „Weil wir das größte Triebwerks-MRO-Portfolio weltweit bieten und viele Programme an unterschiedlichen Standorten betreuen, verfügt die MTU Maintenance über besonders ausgeprägte Erfahrungen unseren Kunden mit individuellen Lösungen zu helfen “, sagt Martin Friis-Petersen, Senior Vice President MRO Programs, MTU Aero Engines. Dabei stehen innovative und kosteneffiziente Servicelösungen für Triebwerke im Vordergrund, um einen reibungslosen Neustart der Airlines zu ermöglichen, der sich nach Einschätzung der MTU ab dem zweiten Halbjahr 2020 langsam aber stetig entwickeln wird. Die MTU Maintenance liefert intelligente Instandhaltungs- und Reparaturlösungen, die Alternativen zu teuren Shop Visits anbieten – wie zum Beispiel der Einsatz von Used Serviceable Material oder sogenannten Green Time Engines (Triebwerke mit längerer Restlaufzeit vor dem nächsten Wartungsintervall). Bei den gängigen Typen wie CFM56 oder V2500 können entweder komplette Triebwerke oder Komponenten und Module ausgetauscht und in Flugzeuge eingebaut werden, die wieder im Dienst stehen. „Die MTU Maintenance trägt dazu bei, unserer Branche zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen“, sagt Friis-Petersen. „Wir waren immer flexibel, um auf Kundenbedürfnisse einzugehen und sehen uns als Partner der Airlines. Daran hat sich nichts geändert.“

Swiss war Erstbetreiber des Airbus A220, der früheren Bombardier C-Series. An deren Getriebefan-Triebwerken des Typs Pratt & Whitney PW1500G ist auch die MTU beteiligt. Erfahrungen mit diesem Antrieb bei längeren Abstellzeiten gab es allerdings vor Corona noch nicht, dafür war das Flugzeug zu neu. Vor Beginn der Krise verfügte Swiss über 29 A220. Für die Wiederaufnahme des Europaverkehrs im Juni und Juli aktivierte man zuerst die A220, „weil das die kleinsten Flugzeuge sind und am besten geeignet für die Anfangszeit, wo die Nachfrage noch begrenzt ist“, so Scherrer. Um damit wieder fliegen zu können müssen alle Abdeckungen und Abklebungen etwa an Triebwerken, Mess-Sonden, Fenstern, Türen und Fahrwerken beseitigt werden, elektrische Sicherungen aktiviert, Trinkwasser-Systeme gereinigt, aufgefüllt und auf Dichtigkeit geprüft werden. „Die Feuchtigkeit in jeglicher Form ist die größte Herausforderung“, weiß der Chef der Flugzeugerhaltung.“ Bei den Triebwerken gilt das für Wasser von außen, aber auch für den Feuchtigkeitsgehalt der sich im Öl und Kerosin befindet. Selbst Planen, Verklebungen und Deckel schließen Triebwerke nicht hermetisch ab, die Gefahr von Feuchtigkeitsbildung besteht während der gesamten Abstelldauer.

Dagegen gibt es eine besondere Maßnahme, das Einlegen von mit Kieselgel gefüllten Trocknungssäckchen in den Triebwerkseinlauf. Die wiegen jeweils ein halbes Kilo, für eine A220 werden etwa 50 pro Triebwerk davon benötigt, um für Trockenheit zu sorgen. Doch selbst die brachten hier nicht den gewünschten Erfolg. „Daher haben wir alle zehn Tage ein sogenanntes Dry Motoring eingeführt, bei dem die Triebwerke im Leerlauf angeschaltet und die Feuchtigkeit so herausgeblasen wird“, erklärt Patrick Scherrer. Die neue Triebwerksarchitektur habe hier einen gewissen Mehraufwand erfordert, der aber wichtige Erkenntnisse gebracht hat. Um Langzeitschäden im Triebwerk durch Feuchtigkeits-Rückstände in Treibstoff und Öl zu verhindern, wird dem Kerosin, mit dem die Flugzeuge während der Abstellzeit betankt sind, ein wasserbindendes Additiv beigemischt.

Bei der erneuten Inbetriebnahme entfernt man das Additiv und füllt frisches Öl und Kerosin auf. Wenn sich Feuchtigkeitsrückstände zeigen, werden die Triebwerke für 15 bis 20 Minuten auf Volllast hochgefahren, was allerdings bis zu 200 Liter Kerosin verbraucht und damit erhebliche Kosten verursacht. Dieses Verfahren ist bei geparkten Flugzeugen je nach Typ ohnehin ungefähr alle zwei Wochen üblich, um die Triebwerke funktionsfähig zu halten. Die derzeitigen Flotten-Umstrukturierungen bringen auch viele Triebwerkswechsel mit sich, wenn etwa Triebwerke mit längerer Restlaufzeit vor dem nächsten großen Check, sogenannte Green Time Engines, an Flugzeugen angebracht werden, die in Betrieb bleiben sollen. Andere Flugzeuge, die man länger abstellt, werden hingegen mit Antrieben ausgestattet, die so gut wie keine Laufzeit mehr haben. „Das Parken von Flugzeugen“, weiß Patrick Scherrer, „bedeutet erhöhten Aufwand.“ Hier stehen den Airlines neben den eigenen MRO-Betrieben Dienstleister wie die MTU Maintenance zur Seite.

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