aviation
Vogelschlag – Strategien gegen den Crash
Die Kollision mit einem Vogel oder gar einem Vogelschwarm kann in der Luftfahrt verheerende Folgen haben. Unterschiedliche Strategien helfen, Schäden zu vermeiden.
07.2020 | Autorin: Monika Weiner | 4 Min. Lesezeit
Autorin:
Monika Weiner
arbeitet seit 1985 als Wissenschaftsjournalistin. Die Diplomgeologin interessiert sich vor allem für neue Entwicklungen in Forschung und Technik sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.
Kollisionen mit Vögeln – sogenannter „Vogelschlag“ – verlaufen meist glimpflich, verursachen jedoch jährlich Schäden in Höhe von rund 2 Milliarden Dollar. „Allein in Deutschland registrieren wir im Jahr um die 2.500 Fälle: Beschädigungen treten meist an Triebwerken, Radom, Flügelvorderseiten und Fahrwerk auf“, berichtet Christian Hellberg, Geschäftsführer des deutschen Verbandes für biologische Flugsicherheit DAVVL e.V.. Der Verband wurde in den 1960er Jahren gegründet, um Maßnahmen zur Prävention von Vogelschlag zu erarbeiten. Zu den Mitgliedern zählen u.a. alle deutschen Verkehrsflughäfen, Airlines aber auch die Hersteller von Flugzeugen sowie Pilotenvereinigungen.
Die gefährlichsten Momente sind Start und Landung: Bis zu einer Flughöhe von 500 Metern teilen sich Flugzeuge den Luftraum mit ihren natürlichen Vorbildern – und die halten sich weder an Luftverkehrs- noch Rechtsvorschriften. „Am schlimmsten sind Schwärme. Sie können erhebliche Schäden verursachen. Flughäfen in Meeresnähe, wo es Gänse und Möwen gibt, sind besonders gefährdet. Hier ist die ständige Beobachtung des Luftraums besonders wichtig“, betont Hellberg.
Natürliche Feinde schützen vor Vogelschlag: Um Flughäfen für Vögel unattraktiv zu machen, engagieren die Betreiber oftmals Falkner. Diese bringen speziell ausgebildete Greifvögel mit, die auf dem Gelände jagen.
Natürliche Feinde schützen vor Vogelschlag: Um Flughäfen für Vögel unattraktiv zu machen, engagieren die Betreiber oftmals Falkner. Diese bringen speziell ausgebildete Greifvögel mit, die auf dem Gelände jagen.
Vogelschlagprävention am Boden: Mäuse und Kaninchen, die den Flughafen bevölkern, locken Fressfeinde an. Der Iltis hilft, sie aufzustöbern und zu vertreiben.
Vogelschlagprävention am Boden: Mäuse und Kaninchen, die den Flughafen bevölkern, locken Fressfeinde an. Der Iltis hilft, sie aufzustöbern und zu vertreiben.
Kunstvogel für mehr Sicherheit: Um zu ermitteln, welche Belastungen die Kollision mit einem Vogel erzeugt, hat ein Forscherteam beim DLR einen Vogel-Dummy entwickelt. Dessen physikalische Eigenschaften sind vergleichbar mit denen eines echten Vogels gleicher Masse.
Kunstvogel für mehr Sicherheit: Um zu ermitteln, welche Belastungen die Kollision mit einem Vogel erzeugt, hat ein Forscherteam beim DLR einen Vogel-Dummy entwickelt. Dessen physikalische Eigenschaften sind vergleichbar mit denen eines echten Vogels gleicher Masse.
Den Aufprall erforschen: In der Beschussanlage beschleunigt eine Gaskanone Vogeldummies auf hohe Geschwindigkeiten. Auf diese Weise können die Forscher einen Aufprall simulieren und untersuchen, welche Auswirkungen ein Vogelschlag auf Flugzeugteile hat.
Den Aufprall erforschen: In der Beschussanlage beschleunigt eine Gaskanone Vogeldummies auf hohe Geschwindigkeiten. Auf diese Weise können die Forscher einen Aufprall simulieren und untersuchen, welche Auswirkungen ein Vogelschlag auf Flugzeugteile hat.
Um Kollisionen zu vermeiden, beschäftigen alle Flughäfen eigene Vogelschlagbeauftragte, die darauf spezialisiert sind, das Flughafengelände für Vögel unattraktiv zu machen: Pflanzen, die Nahrung bieten oder sich als Versteck bzw. zum Nestbau eignen, sind tabu, Bächlein und Tümpel ebenfalls. Als Bewuchs sind langhalmige Gräser am besten geeignet, zwischen denen kleine Vögel nicht landen und Greifvögel nicht jagen können.
Zu dieser „passiven Vergrämung“ durch die Gestaltung des Ökosystems kommt das Monitoring: Größere Vögel oder Vogelschwärme lassen sich mit Radar und IR-Kameras lokalisieren. Die Informationen laufen beim Vogelschlagbeauftragten zusammen, gegebenenfalls kann dieser dann Warnmeldungen an Flugsicherung und Piloten schicken.
Im Notfall hilft oft nur ein „Bird Controller“, der die Vögel durch aktive Vergrämung aus dem Luftraum über dem Flughafen vertreibt. Das Spektrum der Maßnahmen reicht hier von Vogelscheuchen über Pyrotechnik, Laser, Knallgasexplosionen bis hin zu regelmäßigen Besuchen professioneller Falkner, die mit ihren Falken, Bussarden und Eulen das Gebiet bejagen. Vogelähnliche Drohnen, die Robirds, die an Flughäfen in Großbritannien, den Niederlanden und USA bereits eingesetzt werden, sind in Deutschland – zumindest bisher – nicht zugelassen.
Durch die verschiedenen Präventionsmaßnahmen sei es in Deutschland gelungen, den Vogelschlag – in der Fachsprache Wildtierschlag genannt – in den letzten 40 Jahren um 60 bis 80 Prozent zu senken, berichtet Hellberg. Gleichzeitig sei das Risiko größerer Schäden bei einigen Vogelarten gestiegen, weil die Anzahl großer Vögel wie Gänse, Kraniche, Reiher oder Kormorane zum Teil deutlich zugenommen habe. Grund dafür seien Naturschutzmaßnahmen und die europaweite Einschränkung der Jagd.
„Das Ziel ist es, die Sicherheit zu erhöhen, indem man durch geeignete Strukturen katastrophale Schäden verhindert: Die Bauteile müssen so gestaltet sein, dass sie durch Vogelschlag nicht zerstört, sondern nur deformiert werden, gleichzeitig aber ihre Funktion behalten, damit das Flugzeug sicher weiterfliegen kann.“
Simulationen für den Ernstfall
Die Kräfte, denen ein Flugzeug standhalten muss, wenn es in der Startphase mit einigen Hundert Stundenkilometern auf einen bis zu vier Kilo schweren Vogel trifft, sind enorm. „Diese zu berechnen ist eine besondere Herausforderung, denn hauptsächlich rechnen wir in der Luftfahrt mit gleichbleibenden, also statischen Kräften, die während des Fluges auftreten. Die Kollision mit einem Vogel stellt jedoch eine dynamische Strukturbelastung dar, die nur Bruchteile von Sekunden dauert“, erklärt Dr. Nathalie Toso vom Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ihr Team entwickelt spezielle Computermodelle, die durch Experimente mit einem Kunstvogel – einem Vogeldummy – verifiziert werden. Mit Hilfe der Modelle können die Forscher am Rechner Zusammenstöße mit unterschiedlichen Fluggeschwindigkeiten, Aufprallwinkeln und Vogelgrößen simulieren. Die virtuelle Testumgebung hilft, Bauteile, die durch Vogelschlag besonders gefährdet sind – Flügelvorderkante, Cockpit-Scheiben, Leitwerkvorderkante und Fahrwerk –, so zu designen, dass sie einem Aufprall standhalten. „Das Ziel ist es, die Sicherheit zu erhöhen, indem man durch geeignete Strukturen katastrophale Schäden verhindert: Die Bauteile müssen so gestaltet sein, dass sie durch Vogelschlag nicht zerstört, sondern nur deformiert werden, gleichzeitig aber ihre Funktion behalten, damit das Flugzeug sicher weiterfliegen kann“, erklärt die Abteilungsleiterin.
Im Notfall den Weiterflug zu ermöglichen, ist auch das oberste Ziel der Triebwerksentwickler. Die Antriebe werden schon in der Designphase so konzipiert, dass sie den hohen dynamischen Belastungen, die bei einem Vogelschlag auftreten, widerstehen.
Härtetest auf dem Prüfstand
Die Stunde der Wahrheit kommt für ein neues Triebwerk dann mit der Zulassungsprüfung: Jedes neue Triebwerk muss die von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA beziehungsweise der amerikanischen Federal Aviation Administration FAA vorgegebenen Tests bestehen: Der Vogelschlag wird im Beisein eines Prüfers auf dem Teststand simuliert. Bestanden hat ein Triebwerk nur, wenn es nach dem Aufprall und einer definierten Erholungsphase noch mindestens 75 Prozent der Leistung erbringt, sowie ein nachfolgendes Testprogramm erfolgreich absolviert. „Die Prüfkriterien sind so gewählt, dass das Flugzeug nach einem Vogelschlag noch sicher landen kann“, erklärt Volker Westphal, Fachstellenleiter Validierung bei MTU.