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Alternative Kraftstoffe für die Luftfahrt von morgen
Um die Klimaschutzziele im Luftverkehr zu erreichen, sind nachhaltig produzierte Kraftstoffe unerlässlich. Erste Herstellungsverfahren für Biokerosin sind ausgereift.
04.2018 | Autorin: Nicole Geffert | 6 Min. Lesezeit
Autorin:
Nicole Geffert
arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.
Pflanzen, Holz, Stroh und Algen – wer das liest, denkt nicht sofort an Treibstoff für die Luftfahrt. Und doch eignen sich diese Rohstoffe für die Herstellung alternativer Kraftstoffe, die ein klimafreundlicheres Fliegen ermöglichen. Die International Civil Aviation Organization hat der Branche ambitionierte Ziele gesetzt: Ab 2020 soll der Luftverkehr CO2-neutral wachsen und bis 2050 sollen seine CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 2005 halbiert werden.
Zwar optimieren die Hersteller von Flugzeugen und Triebwerken kontinuierlich ihre Produkte. Doch das allein reicht nicht, die Klimaschutzziele zu erreichen. „Alternative Kraftstoffe mit einer deutlich reduzierten CO2-Bilanz sind für eine nachhaltige Luftfahrt unabdingbar“, sagt Dr. Jörg Sieber, bei der MTU Aero Engines zuständig für das Innovationsmanagement. „Außerdem müssen zur Entlastung der Umwelt die Schadstoffemissionen verringert werden.“
Die MTU macht sich stark für die Einführung von nachhaltigem Kerosin, zum Beispiel über den Think Tank Bauhaus Luftfahrt und den Verein Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany (aireg), in dem sich Fluggesellschaften, Hersteller und Forschungsinstitute engagieren – mit dem Ziel, dass im Jahr 2025 zehn Prozent des in Deutschland getankten Kerosins aus alternativen Rohstoffen stammen. Das entspricht einer jährlich benötigten Menge von 1,1 Millionen Tonnen Kraftstoff.
Mehrere alternative Kraftstoffe für die Luftfahrt bereits zugelassen
Mehrere alternative Kraftstoffe sind bereits für den Flugbetrieb zugelassen. Diese Drop-in-Kraftstoffe lassen sich mit konventionellem Jet A-1-Kerosin vermischen und erfüllen die hohen Anforderungen an Qualität und Sicherheit, die in der Luftfahrt gelten: Wegen der Reichweiten müssen sie eine sehr hohe Energiedichte aufweisen, zudem einen hohen Flammpunkt und einen niedrigen Gefrierpunkt haben. In Reiseflughöhe herrschen immerhin Temperaturen von minus 50 Grad Celsius.
An Ideen für Verfahren, mit denen Biomasse – beispielsweise aus Energiepflanzen – in Treibstoff umgewandelt werden kann, mangelt es den Wissenschaftlern nicht. Das größte Potenzial bescheinigen die aireg-Experten derzeit dem Konversionsprozess über die Hydrierung von Pflanzenölen (HEFA = Hydroprocessed Esters and Fatty Acids). Das HEFA Biokerosin entspricht den Spezifikationen fossilen Kerosins und wurde erfolgreich erprobt. Das Verfahren ist ausgereift. Der Biokraftstoff ist seit 2011 ASTM (American Society for Testing and Materials)-zertifiziert und wird im Passagierluftverkehr bereits in größeren Mengen zu Testzwecken eingesetzt.
Treibhausgasminderung um mindestens 60 Prozent
Zudem liegen Analysen zu Treibhausgasemissionen und anderen Umweltwirkungen vor – mit dem Ergebnis, dass HEFA unter bestimmten Randbedingungen die Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union (EU) einhalten kann. Um sicherzustellen, dass Biokraftstoffe tatsächlich Vorteile für das Klima bieten, müssen sie entsprechend dieser Richtlinie seit 2018 eine Treibhausgasminderung von mindestens 60 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen nachweisen.
Ein weiteres zugelassenes Herstellungsverfahren ist Biomass to Liquid (BtL), für das vor allem die Biomasse Holz genutzt wird. Experten schätzen die Technologie insgesamt als äußerst anspruchsvoll ein, was eine wirtschaftliche Produktion derzeit erschwert – obwohl Biokerosin als Produkt des BtL-Prozesses schon seit 2009 ASTM-zertifiziert ist.
„Neue Treibstoffe müssen einen aufwändigen Zertifizierungsprozess durchlaufen. Mit dem Modell lässt sich das Potenzial eines neuen Kraftstoffs abschätzen, bevor man kostenintensive Laborversuche startet.“
Bewertungsmodell für alternative Kraftstoffe
Wie lässt sich das Potenzial eines neuen Kraftstoffs im Vorfeld bewerten? Forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), von der TU Hamburg (TUHH) und der Universität Stuttgart entwickelten im Projekt „InnoTreib“ ein Modell, mit dem sich nachhaltige Kraftstoffe am Rechner designen lassen. „Neue Treibstoffe müssen einen aufwändigen Zertifizierungsprozess durchlaufen. Mit dem Modell lässt sich das Potenzial eines neuen Kraftstoffs abschätzen, bevor man kostenintensive Laborversuche startet“, sagt Professor Manfred Aigner, Leiter des Instituts für Verbrennungstechnik der Luft- und Raumfahrt des DLR. Eine positive Bilanz zieht auch Professor Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TUHH: „Die im Projekt erarbeiteten Methoden ermöglichen es, vielversprechende Kombinationen zu identifizieren, wie nachhaltig produzierte Biokraftstoffe möglichst effizient in Flugzeugtriebwerken eingesetzt werden können.“
Kraftstofferzeugung mit Windkraft und Sonnenenergie
Langfristige Alternativen könnten auch nicht-biogene Prozesse sein. Eine internationale Forschergruppe hat im Projekt „SOLAR-JET“ erstmals Flugzeugtreibstoff aus Sonnenlicht, Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt. Vorteil: Der alternative Treibstoff basiert auf fast unbegrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen. Zukunftsweisend sind auch Power-to-Liquid-Verfahren, bei denen Wasserstoff mit Hilfe von Windkraft und Solarenergie erzeugt, mit Kohlenstoffdioxid zu Kohlenwasserstoffen synthetisiert und zu einem Flüssigkraftstoff aufbereitet wird.
Die Beispiele zeigen: Es steckt viel Bewegung in der Branche. Und doch besteht die größte Herausforderung darin, die Verfahren wirtschaftlicher zu machen. Biokraftstoffe kosten immer noch das Doppelte oder mehr als konventionelles Kerosin. Weltweit wird deshalb an Lösungen zur Kostensenkung gearbeitet.
Denn Alternativen zu nachhaltig produziertem Kerosin gibt es derzeit nicht. Der Einsatz von rein elektrisch betriebenen großen Verkehrsflugzeugen liegt noch in ferner Zukunft. Nachhaltige Drop-in-Kraftstoffe können dagegen in den Flugzeugen von heute zum Einsatz kommen, die wegen ihrer langen Nutzungszeiten auch in den kommenden Jahren Menschen und Güter an ihr Ziel bringen.