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Die Delta-Airline aus Botswana
Das Okavango-Delta ist ein afrikanisches Naturparadies voller wilder Tiere. Mack Air betreibt hier mitten im Busch einen Flugdienst nach höchsten Airline-Standards.
06.2023 | Autor: Andreas Spaeth | 6 Min. Lesezeit
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Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.
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„In der Hauptsaison von Juni bis August stehen hier bestimmt 35 davon, dann wird Maun nach Flugbewegungen der zweitgrößte Flughafen Afrikas nach Johannesburg.“
Chef von Mack Air
Heck an Heck stehen sie aufgereiht in der afrikanischen Morgensonne – einmotorige Turboprop-Flugzeuge des Typs Cessna Grand Caravan. Leicht zu erkennen sind die Zwölfsitzer an ihrer Hochbeinigkeit, die den mächtigen Vierblattpropellern vorn genug Bodenfreiheit gibt und die kofferartige Ausstülpung unter dem Rumpf für das Gepäck der Passagiere ermöglicht. Nirgendwo auf der Welt sind so viele Grand Caravans stationiert wie am Flughafen Maun im Nordwesten Botswanas im südlichen Afrika.
„In der Hauptsaison von Juni bis August stehen hier bestimmt 35 davon“, sagt Michael Weyl, Chef von Mack Air. „Dann wird Maun nach Flugbewegungen der zweitgrößte Flughafen Afrikas nach Johannesburg.“ Normalerweise wirkt Maun eher verschlafen, die verstreut liegende Stadt sieht aus wie ein großes Dorf und der Flughafen wird bisher international nur aus dem benachbarten Südafrika bedient. Fast alle rund 240.000 Passagiere wollen jährlich ohnehin nur das eine – ins Okavango-Delta weiterfliegen.
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Einheitliche Flotte: Mack Air verfügt über eine Flotte von 18 Cessna Grand Cara-van EX, die am Flughafen Maun stationiert sind.
Das Okavango-Delta, Traumziel und Traumjob für Pilot:innen
Eines der größten und wildreichsten Feuchtgebiete Afrikas ist ein Naturparadies und zählt zum Unesco-Welterbe. Es ist Traumziel vieler Reisender und hier zu fliegen ist ein Traumjob für viele Pilot:innen. Die private Mack Air ist der mit Abstand wichtigste Anbieter, die größte private Airline Botswanas und die modernste in dieser Kategorie in ganz Afrika. Gut 106.000 Passagiere flog Mack Air 2019 zu 51 Buschpisten in Botswana und 38 in Simbabwe, neuerdings bietet sie sogar Linienflüge im touristisch attraktiven Grenzgebiet beider Länder an.
Ohne Flugzeuge geht nichts im Delta – die Mehrzahl der 74 meist luxuriösen Lodges sind je nach Saison zeitweise nur auf dem Luftweg erreichbar, Allrad-Lastwagen versuchen parallel über unebene Fahrwege aus Maun schwere Versorgungsgüter heranzuschaffen. Alle Gäste, das Personal und sämtliche Frischwaren kommen mit der Grand Caravan von Mack Air oder einem der Lodgeeigenen Flugdienste. Die 1994 gegründete Mack Air allein verfügt heute über 18 der neuesten Cessna Grand Caravan EX.
Das zwölfsitzige Flugzeug ist seit 1984 als geräumiges und robustes Arbeitspferd zur Erfolgsgeschichte geworden. Wahlweise kann es mit Rädern, Schwimmern und oft auch in einer Kombination aus beidem ausgerüstet werden, alternativ mit Schneekufen. Die Turboprop ohne Druckkabine kann sowohl als Passagier- oder als Frachtflugzeug betrieben werden. Größter Abnehmer in der Flotte ist der Kurierdienst FedEx mit 234 Exemplaren in der Cargomaster-Version. Erst im Januar 2023 wurde das 3000. Exemplar der Grand Caravan weltweit ausgeliefert, in Afrika ist der Hochdecker gerade für Flüge in abgelegene Regionen und Landungen auf unbefestigten Buschpisten sehr beliebt.
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Glascockpit im Busch: Modernste Technik im Cockpit unterstützt den Anflug auf kurze Sandpisten im Okavango-Delta.
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Delta-Panorama: Eine Mack Air Cessna Grand Caravan im Tiefflug über einige der vielen Wasserstellen im Okavango-Delta.
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Höhere Steigrate mit neuem Motor
Die neueste Variante EX wird seit zehn Jahren gebaut und ist bereits über 500-mal ausgeliefert worden. Sie verfügt über den Pratt & Whitney Canada PT6A-140-Motor, der 867 PS (647 kW) leistet und die Steigflugfähigkeit um 38 Prozent erhöht. Die Reichweite liegt bei 1.785 km, was in Botswana aber nur in Ausnahmefällen für Charterflüge nach Südafrika benötigt wird – üblich sind im Delta eher Zehn-Minuten-Hüpfer. Für den Start braucht die Maschine voll beladen mit über einer Tonne Nutzlast eine 660 Meter Bahn, zur Landung reichen 570 Meter. Die Pisten im Delta sind mit einem Kilometer recht kurz.
„Für mich ist die Caravan das vollkommenste Buschflugzeug“, sagt Paul Murdock, Pilotenveteran bei Mack Air. Der 61-jährige Neuseeländer hat über 2000 Flugstunden hinter ihrem Steuerknüppel gesessen, mal allein, mal zu zweit, denn die Caravan ist für „Single Pilot Operations“ zugelassen. Derzeit fliegt Murdock auf dem rechten Sitz und gibt botswanischen Pilot:innen bei Mack Air den letzten Schliff, bevor sie alleine fliegen dürfen. „Die Caravan ist perfekt für die Art Flugplätze, die wir bedienen. Durch die hoch liegenden Tragflächen haben wir ein gutes Sichtfeld. Die EX kann dank ihres stärkeren Motors mit 1,4 Tonnen auch mehr Fracht mitnehmen.“
800 Flugstunden sind Bedingung vor dem Alleinflug
Die Grand Caravan EX mit ihrem Glascockpit zu fliegen ist das eine, das aber täglich mit vielen kurzen Strecken mitten in der afrikanischen Wildnis zu tun, ist noch eine ganz andere Herausforderung. Deshalb müssen lokale Pilot:innen, die direkt aus der Flugschule kommen, mindestens 800 Flugstunden absolviert haben und mit einem Fluglehrer fliegen, bis sie allein die Maschine steuern dürfen. „Wir setzen keine Pilot.innen ins Cockpit, die nicht unseren Standards entsprechen. Sie müssen unsere Kriterien erfüllen, und das heißt, sie müssen ziemlich exzellent sein“, betont Paul Murdock.
Innerhalb eines Radius von nur 50 nautischen Meilen (92 Kilometer) gibt es daher im Delta, das sich über 250 Kilometer mal 150 Kilometer erstreckt, etwa 30 Flugfelder, jedes bedient meist zwei oder drei Lodges. „Das ist intimes Fliegen“, sagt Mack Air-Chefpilot Tafadzwa Mugoni. “Sehr kurze Sektoren, hohes Tempo, wir stellen bei den meisten Landungen den Motor gar nicht ab. Das hilft dir sehr, deine fliegerischen Fähigkeiten zu erweitern. Unglaublich ist die Masse an Tieren, Du bist hier immer auf Safari und hast auf einem Flug oft schon vor der ersten Landung die ‚Big Five‘ abgehakt.“
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Abenteuer Afrika: Antilopen, Zebras, Elefanten – der Tierreichtum im Okavango-Delta ist so groß wie kaum irgendwo sonst auf dem Kontinent.
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Reiche Tierwelt: Ein Gnu blickt auf eine Herde Impala-Antilopen – gerade die großen Herden sind eine Besonderheit im Okavango-Delta.
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PT6 – Der Alleskönner
Das Propellerturbinen-Triebwerk Pratt & Whitney Canada PT6 ist ein Klassiker in der Luftfahrt, erstmals geflogen 1961. Es gibt den Antrieb in verschiedenen Größen für Anwendungen: vom einmotorigen Sportflugzeug über Hubschrauber bis hin zum größten Typ PT6A für schwerere zweimotorige Flugzeuge wie der Cessna Grand Caravan EX oder dem Regionalzubringer Shorts 360. Allein vom großen PT6A existieren rund 12.000 Exemplare, alle Versionen des PT6 zusammen dürften rund 55.000 Mal gebaut worden sein.
Erfolgsgarant: Die PT6A-Triebwerksfamilie ist das weltweit beliebteste Triebwerk seiner Klasse. Die mit dem PT6A gewonnenen Erfahrungen haben dazu beigetragen, dass viele weitere Triebwerksfamilien von Pratt & Whitney entstanden sind.
„Tiere haben hier freie Bahn, wir sind nur Besucher“
Davon können alle Pilot:innen in Maun unglaubliche Geschichten erzählen, nirgendwo sonst kommen sich Luftfahrt, Löwen, Leoparden und andere wilde Tiere regelmäßig so nahe wie im Okavango-Delta. „Ich war im Endanflug und plötzlich sah ich ein Rudel aus fünf Löwen genau an der Landebahnschwelle liegen, wo ich aufsetzen wollte“, berichtet Samantha Steel. Die 35-jährige Pilotin entschied sich zunächst für einen Low Pass, einen Überflug in geringer Höhe, doch ohne die gewünschte Wirkung. „Die Löwen hatten gerade gefressen, die hatten dicke Bäuche und waren so träge, dass sie nicht bewegen wollten“, erinnert sich die Pilotin.
„Ich bin dann trotzdem gelandet, und unsere Flugzeuge sind nicht leise“, sagt die Südafrikanerin, „aber die Löwen haben sich überhaupt nicht bewegt, das kümmert die einfach nicht, die sind an Flugzeuge gewöhnt.“ Und auf den Buschpisten gelten andere Prioritäten als auf Flughäfen. „Tiere haben hier freie Bahn“, sagt Samantha Steel, „wir sind nur Besucher. Das ist für uns Pilot:innen eine riesige Herausforderung. Die Pisten sind kurz, überall tummeln sich Tiere und es gibt viele Beinahe-Kollisionen.“
Störrische Strauße, gefräßige Hyänen
Samantha Steel weiß auch von notorisch störrischen Straußenvögeln zu berichten, die beinahe grundsätzlich nicht gewillt sind, das Flugfeld zu räumen. Und von gefräßigen Hyänen, die sich die Piste schon mal als weiß gedeckten Tisch aussuchen, um ihre gerade erlegte Beute genüsslich zu verspeisen – just zur Zeit der planmäßigen Landung der Cessna Caravan. „Da musste ich dreimal den Anflug abbrechen und einen Go-Around machen“, erzählt sie. Ihr Kollege Paul Murdock erinnert sich an ein Nashorn, das sich drei Monate lang nicht von der Landepiste vertreiben lassen wollte. „Wenn man es mit dem Auto versucht, denken die Tiere, das sei eine Herausforderung und rammen den Wagen, das hat einige haarige Situationen gegeben.“
Trotzdem fühlen sich die Pilot:innen hier gut aufgehoben: „Früher waren die Dinge zwar viel entspannter“, weiß Murdock. „Aber das ist gut so, es ist jetzt noch viel sicherer als vorher, wir haben alle möglichen Risiken ausgeschlossen.“ Aber auf den weiter lockenden Nervenkitzel, welche Laune der Tierwelt bei der nächsten Landung im Delta wartet, will ohnehin kein Pilot verzichten.