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Unterwegs in der Concorde, dem schnellsten Passagierjet

Die britisch-französische Concorde war legendär und zwischen 1976 und 2003 der Inbegriff des schnellen und luxuriösen Jetsets. Andreas Spaeth flog achtmal mit ihr und erinnert sich an die Überschall-Ära zurück.

06.2023 | Autor: Andreas Spaeth | 6 Min. Lesezeit

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Andreas Spaeth ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.


„Und trotzdem war das Fliegen mit der Concorde immer aufregend und besonders. Es war offensichtlich, dass die Ingenieurskunst der 1960er Jahre hier bis zum Äußersten alles aufgeboten hatte, um Fluggäste schneller als eine Gewehrkugel am Rande des Weltraums an ihr Ziel zu befördern.“

Andreas Spaeth

Luftfahrtjournalist

Andreas Spaeth ist als Luftfahrtjournalist zwischen 1993 und 2003 insgesamt achtmal mit der Concorde geflogen. Hier schildert er eine Reise mit dem Überschalljet von London-Heathrow nach New York. Eine der letzten Air France-Concordes landete im Juni 2003 für immer am Flughafen Paris-Le Bourget, wo sie seitdem im Museum steht und auch im Rahmen der Paris Air Show (19. – 25. Juni 2023) besucht werden kann.

Mit der Concorde zu reisen war von Anfang bis Ende besonders. Bei British Airways gab es in London-Heathrow eigene Check-In-Schalter, danach ging man in den Concorde Room, eine spezielle Lounge. Concorde-Tickets waren legendär teuer, der durchschnittliche Preis für den Hin- und Rückflug von London oder Paris nach New York, der einzigen zwischen 1976 und 2003 beflogenen Routen, lag bei 12.000 US-Dollar in damaligen Preisen. Dafür flog man mit einem Mythos – und man sparte erheblich Reisezeit, das war das Hauptargument Überschall zu fliegen. Statt rund acht Stunden dauerte der Flug über den Nordatlantik weniger als dreieinhalb Stunden. Die Concorde war buchstäblich eine Zeitmaschine: Flug BA001 startete in London täglich um 10.30 Uhr britischer Zeit, nach 5.833 Kilometern über den Ozean landete sie um 08.30 Uhr Lokalzeit auf dem JFK Airport in New York – früher, als sie abgeflogen war. Die Concorde schaffte es als einziges Flugzeug, nach Ortszeit vor ihrer Abflugzeit zu landen – daher auch „Zeitmaschine“ genannt.

Doppelte Schallgeschwindigkeit: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Doppelte Schallgeschwindigkeit: Die Concorde feierte am 2. März 1969 ihren Erstflug, sie erreichte Mach 2,02.

Hoher Spritverbrauch: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Hoher Spritverbrauch: Die Concorde ist mit dem Triebwerk des Typs Olympus 593 ausgerüstet.

Unterwegs mit Hugh Grant und Paul McCartney

Eine der spannendsten Fragen bei meinen Concorde-Flügen war jedes Mal: Welcher Prominente ist heute mit an Bord? Ich habe im Laufe meiner Überschallflüge unter anderem Liza Minnelli, Hugh Grant, Paul McCartney und Sarah Ferguson aus dem britischen Königshaus getroffen, mit den meisten von ihnen auch kurz gesprochen. So etwas gab es nur in der Concorde, das war fast wie ein Club. Viele Concorde-Passagiere waren Stammgäste, die Crews wussten genau um ihre Vorlieben, man sprach sie stets mit Namen an. Das erstaunlichste für Concorde-Neulinge war jedes Mal, wie klein dieses Flugzeug war, eine Art fliegender Bleistift, ein hochgezüchteter Sportwagen der Lüfte.

Die Concorde war eng – ich musste beim Einsteigen bei nur 1,67 Meter Türhöhe immer meinen Kopf einziehen. Die Kabine mit hundert Sitzen bot jedem gerade etwa so viel Platz wie heute in der Premium Economy. Die Bordunterhaltung beschränkte sich auf wenige Audioprogramme, die Fenster waren kleine Gucklöcher, etwa so groß wie meine Handfläche. Und trotzdem war das Fliegen mit der Concorde immer aufregend und besonders. Es war offensichtlich, dass die Ingenieurskunst der 1960er Jahre hier bis zum Äußersten alles aufgeboten hatte, um Fluggäste schneller als eine Gewehrkugel am Rande des Weltraums an ihr Ziel zu befördern.

Spritverbrauch und Lärm der Concorde waren maßlos

Aus heutiger Sicht war die Concorde maßlos, ein Anachronismus, der jedem Bemühen um Nachhaltigkeit Hohn sprach. Da war ihr unfassbar hoher Spritverbrauch – sie flog ein Viertel der Passagiere eines Jumbo Jets mit dem gleichen Kerosinverbrauch ans Ziel. Eine heutige Boeing 787-9 verbrennt pro Stunde nur ein Viertel von dem der wesentlich kleineren Concorde. Und der unglaubliche Lärm beim Start: Um ihre eleganten Deltaflügel, die für Mach 2 optimiert waren, überhaupt in die Luft zu bekommen, mussten an den vier mächtigen Olympus-Triebwerken die Nachbrenner gezündet werden, die sonst nur Militärjets nutzen.

Durch die kurzzeitige Einspritzung von Kerosin in den heißen Abgasstrahl stieg der Schub um 20 Prozent, der Verbrauch allerdings um die Hälfte. Mit 400 km/h hob die Concorde ab, der enorme Vortrieb presste die Passagiere fast so fest in die Sitze wie bei einem Raketenstart – und die Concorde war ja wirklich eine Art Projektil. Ein tolles Gefühl. Kurz darauf ließen wir über dem Bristol Channel den ersten Jumbo hinter uns, der von oben wie eine lahme Ente wirkte. Nach einer Viertelstunde plötzlich ein kleiner Ruck, wie ein leichter Fußtritt, die Nachbrenner waren wieder aktiviert und mussten helfen, uns auf Überschalltempo zu beschleunigen. Nur eine Minute später durchbrach die Concorde die Schallmauer – an Bord konnte das niemand hören, nur die Geschwindigkeitsanzeige an der vorderen Kabinenwand überzeugte die Passagiere davon. Mach 1,0, einfaches Überschalltempo – und das Machmeter stieg unaufhörlich bis auf Mach 2,02.

„Königin der Lüfte“: British Airways Concorde im Anflug auf Barbados.

Fakten zum schnellsten Passagierjet der Welt

  • Nur 20 Concorde wurden jemals gebaut, zwölf davon standen bei British Airways und Air France zwischen 1976 und 2003 im Liniendienst.
  • Die Flugzeuge wurden in Toulouse und Filton endmontiert, die französisch-britische Koproduktion schaffte die Grundlage für das europäische Airbus-Konsortium.
  • Viele technische Errungenschaften wie die Fly-by-Wire-Steuerung, die es heute in jedem Airbus gibt, wurden erstmals in der Concorde verwirklicht. Genauso Radialreifen und Karbonbremsen.
  • Die Kabine war für bis zu 148 Passagiere konzipiert, doch im Liniendienst gab es nie mehr als hundert Sitze an Bord, deren Komfort der heutigen Premium Economy entsprach.
  • Die Fenster der Concorde waren die kleinsten jemals in einem Verkehrsflugzeug, kaum größer als die Handfläche eines Erwachsenen.
  • Die Reibungshitze ließ im Überschallflug die Temperatur der Rumpfnase auf 127 Grad Celsius ansteigen. Passagiere fühlten die Hitze innen an den Fensterverkleidungen.
  • Der Standardtarif für den Concorde-Flug London-New York und zurück lag 2003 bei 6.636 britischen Pfund (heute umgerechnet etwa 13.200 Euro).
  • Es gibt nur ein Foto, das die Concorde während des Überschallflugs zeigt. Der Grund: Es gab kein anderes Flugzeug, auch keinen Kampfjet, der ihr Tempo mithalten konnte.
  • Der britische Sänger Phil Collins konnte am 13. Juli 1985 dank der Concorde zweimal beim Live Aid-Konzert auftreten, in Philadelphia und in London.
  • Am 7. Februar 1996 schaffte die Concorde den Flug von New York nach London in der Rekordzeit von zwei Stunden, 52 Minuten und 59 Sekunden.

Fensterblick auf Weltraum und Erdkrümmung

Die Concorde flog nun in der oberen Stratosphäre am Rande des Weltraums. Beim Blick aus dem Fenster nach oben sah ich die Weite des Universums – der Himmel ist auch am Tage beinahe pechschwarz. Nach unten bot sich ebenfalls ein seltener Anblick: War der Horizont nicht durch Wolken oder Dunst unscharf konturiert, erkannte man deutlich die leicht gebogene Linie des Horizonts – nichts anderes als die Erdkrümmung. Wir flogen jetzt 57.000 Fuß (rund 17.000 Meter) hoch. „Nur die Astronauten der Raumstation ISS sind jetzt höher als wir“, sagte mir mal British Airways Concorde-Chefpilot Mike Bannister.

„Aber die müssen Raumanzüge tragen, während wir hier im Hemd sitzen und 37 Kilometer pro Minute zurücklegen“. Das Flugzeug schien allerdings stillzustehen, die Oberkante der nächsten Wolken waren mindestens 6.000 Meter unter der Concorde, die Orientierungspunkte fehlten. In der Zeit, die es dauerte, allein diesen kurzen Satz zu lesen, waren bereits über drei Kilometer Distanz zurückgelegt. Obwohl die umgebende Luft in dieser Höhe extrem dünn und mit etwa minus 50 Grad Celsius sehr kalt ist, reichte die durch die Reibung erzeugte Wärme aus, die Aluminiumlegierung des Flugzeugs gehörig zu erhitzen. Am heißesten wurde es an der Spitze – die Concorde-Nase erreicht nach zwei Stunden Überschallflug bis zu 127 Grad Celsius.

Ein Flugzeug, das im Flug länger wird

Während jedes Überschallflugs wurde das Flugzeug etwa 20 Zentimeter länger und schrumpfte bei langsamerer Geschwindigkeit bis zur Landung wieder auf die Originallänge zusammen. Die Leitungen an Bord waren entsprechend flexibel verlegt. Dieses Phänomen ließ sich nur an einem Platz an Bord beobachten, dem Instrumentenpanel des Flugingenieurs. Vor dem Start lag es rechts eng an der Cockpitwand an, während nach zwei Stunden Flug hier plötzlich ein Spalt klaffte, der so breit war, dass man problemlos seine Hand hineinstecken konnte.

„Versuchen Sie das mal – aber wenn Sie die Hand jetzt drin lassen bis zur Landung, dann sind Sie gefangen“, scherzte Pilot Bannister mal mit mir, als ich im besonders engen Cockpit mitfliegen durfte. Viel zu schnell, wie ich fand, ließ er dann schon das Visier vor den Cockpitscheiben versinken und klappte dann für die Landung die berühmte Concorde-Nase herunter. Der Fahrtwind rauschte laut, und kurz darauf berührte unser Hauptfahrwerk schon die Piste am JFK Airport. Diese faszinierende Reise ging so schnell, dass das Bewusstsein, mal eben von Europa nach Amerika gelangt zu sein, immer etwas länger brauchte, um das zu realisieren, als die Flugzeit der Concorde dauerte.

Über den Autor

Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth pilgerte schon als Zehnjähriger allein zum Flughafen seiner Heimatstadt Hamburg um die erste und einzige Concorde-Landung dort im April 1976 von nahem zu erleben. Diese Faszination ließ ihn nie los – und als junger Journalist durfte er 1993 auf Einladung von Air France erstmals damit von Paris nach New York fliegen. Sieben weitere Flüge mit den Betreibern Air France und British Airways folgten, darunter vor den Anschlägen von 2001 auch auf dem Jumpseat im Cockpit. Sein letzter Concorde-Flug führte im Juni 2003 von Paris nach Karlsruhe in der Air France-Concorde Fox Bravo, die seitdem auf dem Dach des Technikmuseums Sinsheim besichtigt werden kann, neben ihrem sowjetischen Gegenstück Tupolew Tu-144. Spaeth hat mehrere Bücher zum Thema Überschallflug verfasst.

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