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MTU Aero Engines: 90 Jahre Triebwerksexzellenz

Seit neun Jahrzehnten gehört die MTU zur Spitze der Triebwerksindustrie. Seine Innovationskraft und Expertise haben das Unternehmen dorthin gebracht – und die Geschichte ist noch längst nicht auserzählt.

12.2024 | Autorin: Eleonore Fähling | 4 Min. Lesezeit

Autorin:
Eleonore Fähling gehört seit 2014 zum Redaktionsteam des AEROREPORT und ist seit 1999 verantwortlich für die MTU-Mitarbeiterzeitung. Zu ihren luftfahrtjournalistischen Schwerpunkten gehören Luftfahrtgeschichte und Branchenthemen.

Die MTU blickt auf eine bewegte Geschichte voller technischer Meilensteine zurück. Seit ihren Anfängen als BMW Flugmotoren GmbH hat das Unternehmen immer wieder Grenzen verschoben – mit bahnbrechenden Technologien wie der Niederdruckturbine und dem Hochdruckverdichter für den Getriebefan sowie dem Aufbau eines globalen Instandhaltungsnetzwerks.

Auch im militärischen Bereich hat sich die MTU als Partner für modernste Antriebstechnologien etabliert und gestaltet die nächste Generation von Antrieben für Kampfflugzeuge und Hubschrauber. Mit einer klaren Vision, emissionsfreies Fliegen möglich zu machen, verbindet das Unternehmen jahrzehntelange Erfahrung mit modernster Technologie und prägt die Zukunft der Luftfahrt.

Die Geschichte der MTU zeigt: Fortschritt entsteht dort, wo Tradition auf Innovation trifft.

90 Years and Beyond: Seit neun Jahrzehnten gehört die MTU Aero Engines zur Spitze der Triebwerksindustrie. Das nächste Kapitel der Erfolgsstory werden Antriebskonzepte sein, die bis zum Jahr 2050 emissionsfreie Luftfahrt ermöglichen. Die Expertise und Leidenschaft der Mitarbeiter:innen haben die MTU dorthin gebracht und werden sie weiter in die Zukunft tragen.

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Montage, Reparatur und Einbau von BMW 801 Flugmotoren im BMW-Werk Allach.

Von Anfang an dabei

Die MTU Aero Engines AG hat ihren Unternehmensursprung in der BMW Flugmotorenbau GmbH, die 1934 gegründet wurde, um in Allach bei München die Flugmotorenaktivitäten der Bayerischen Motorenwerke AG zu bündeln. BMW war bereits im Ersten Weltkrieg in der Flugmotorenproduktion tätig – das BMW-Logo kann als stilisierter Flugzeugpropeller interpretiert werden. Während des Verbots der Flugmotorenproduktion durch den Versailler Vertrag konzentrierte sich BMW zunächst auf Motorräder und Automobile und begann in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre wieder Flugmotoren herzustellen.

1933 richteten die Nationalsozialisten die Wirtschaft auf die Kriegsrüstung aus und förderten gezielt technische Entwicklungen wie die des Strahltriebwerks. Die BMW Flugmotorenbau GmbH produzierte luftgekühlte Flugmotoren mit sternförmig angeordneten Zylindern und entwickelte das Strahltriebwerk BMW 109-003, das bereits 1941 erstmals flog.

Wiederanfang und Wachstum

Die U.S. Army nutzte nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Firmengelände der BMW Flugmotorenbau GmbH zehn Jahre lang als Motoren-Instandhaltungswerk für Armeefahrzeuge. 1955 kaufte MAN den nördlichen Teil des Werksgeländes in München-Allach. Die verbliebenen Mitarbeiter bauten auf dem restlichen BMW-Gelände die Infrastruktur auf, um sich erneut mit Luftfahrtantrieben zu beschäftigen. In den 1950er-Jahren exportierte BMW erfolgreich Autos und Motorräder und nahm auch die Flugmotorenproduktion wieder auf.


Mit dem Lizenzbau des AVCO Lycoming Sechszylinder-Flugmotors gelang BMW der technische Wiederanschluss – wie schon einmal nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Lizenzbau des Pratt & Whitney-Flugmotors Hornet.

Strahltriebwerkskompetenz erwarb das Unternehmen wenig später mit dem Lizenzbau des J79 von GE. Das Überschall-Triebwerk kam in der deutschen Version des Lockheed F-104 „Starfighters“ und bis 2013 in der McDonnell Douglas „Phantom II“ der deutschen Luftwaffe zum Einsatz.

Im Juli 1969 entstand aus dem Zusammenschluss der MAN Turbo GmbH und den Triebwerksaktivitäten der Daimler Benz AG die Motoren- und Turbinen-Union, kurz MTU, um den deutschen Anteil am Triebwerk RB199 für das Mehrzweckkampfflugzeug Tornado zu entwickeln und zu bauen. Das junge Unternehmen war damit auch gleich erstmals als Risk and Revenue Share Partner (RRSP) an einem Triebwerksprogramm beteiligt.

Die MTU sammelte internationale Erfahrungen und beteiligte sich an verschiedenen militärischen und bald auch zivilen Triebwerksprogrammen, darunter 1983 als einer der Gründungspartner am V2500, in den Nullerjahren am A380-Antrieb GP7000 und kurz darauf an der höchst erfolgreichen Getriebefan-Triebwerksfamilie.

1981 eröffnete die MTU Maintenance ihren Instandhaltungsshop in Hannover - heute die Zentrale eines Netzwerks mit über 6.000 Mitarbeiter:innen. Im Bereich der zivilen Instandhaltung zählt das Unternehmen zu den Top 3 der weltweiten Dienstleister für Luftfahrtantriebe und Industriegasturbinen. Zu ihrem Kunden-Portfolio gehören Airlines und Betreiber von Industriegasturbinen auf fast jedem Kontinent.

Lycoming GO-480-B1A6: Der Flugmotor wurde von der Lycomings-Division des US-amerikanischen Unternehmens AVCO in Williamsport, USA, entwickelt und gebaut. Von 1958 bis 1963 entstand er als Lizenzmotor bei der BMW Triebwerkbau GmbH in München.

Lockheed F-104 „Starfighters“: Alle Triebwerke der deutschen Starfighter-Flotte kamen bis zur Ausmusterung des Flugzeugs im Jahre 1987 zur Reparatur und Überholung zur MTU.

RB199: Das Triebwerk wurde ab 1969 in Zusammenarbeit mit Rolls-Royce und Avio Aero für den Einsatz im Mehrzweck-Kampfflugzeug Panavia Tornado entwickelt und produziert.

IAE V2500: Die MTU hält einen Anteil von 16 % am Triebwerk und trägt die Verantwortung für die komplette Niederdruckturbine sowie für zahlreiche Anbauteile.

MTU Maintenance: 45 Jahre MRO-Erfahrung und -Kompetenz, betreut über 270 Airline-Kunden und bietet ein breites Portfolio von mehr als 30 Triebwerkstypen.


MTU goes global

Die MTU setzt auf Kundennähe. Sie ist mit ihrem Standortnetzwerk weltweit präsent. 1998 gründete die MTU die erste nordamerikanische Niederlassung, die MTU Maintenance Canada, gefolgt von Vericor Power Systems in Atlanta und Aero Engines Design (AED) in Connecticut. AED wurde 2002 zur MTU Aero Engines North America umbenannt.


2011 erweiterte die MTU ihre Präsenz durch den Kauf von Retan Aerospace in Dallas, Texas. Die MTU Maintenance Dallas hat sich zu einem Zentrum für Vor-Ort-Einsätze entwickelt.

Auch Asien wurde für das bayerische Unternehmen interessant: 1991 begann die MTU mit dem Joint Venture ASSB in Malaysia, das sich auf die Reparatur von Triebwerksschaufeln spezialisierte.

Anfang der 2000er-Jahre folgte ein Joint Venture mit China Southern Airlines im chinesischen Zhuhai. 2021 konnte die MTU Maintenance Zhuhai bereits ihr 20-jähriges Bestehen feiern. Ein zweiter Standort soll 2025 in Jinwan eröffnet werden.

Die internationale Wachstumsstrategie der MTU griff auch in Europa.1999 gründete sie das Joint Venture Ceramic Coating Center für Keramikbeschichtungen in Frankreich, 2013 folgte Aerospace Embedded Systems (AES) in München – beide mit dem französischen Partner Safran Aircraft Engines.

Die MTU Maintenance Lease Services (MLS) in Amsterdam, gegründet 2014, hat sich zu einem bedeutenden Triebwerksleasing-Dienstleister entwickelt.

Neue Standorte in Osteuropa, wie die 2009 gegründete MTU Aero Engines Polska in Rzeszów, haben sich erfolgreich etabliert. EME Aero, ein 2019 gegründetes Joint Venture mit Lufthansa Technik in direkter Nachbarschaft, beschäftigt 1.090 Mitarbeiter:innen in einem modernen Instandhaltungswerk für Getriebefan-Triebwerke.

Die jüngste Gründung ist die MTU Maintenance Serbia, seit 2022 wichtiger und wachsender Bestandteil des MTU-Maintenance-Netzwerks.

Um noch schneller und flexibler für ihre Kunden weltweit da zu sein, hat die MTU in den letzten zehn Jahren ihre On-Site-Service-Präsenz gestärkt mit Standorten in São Paulo, Brasilien, und Perth, Australien, die sich anfangs auf die Instandhaltung von Industriegasturbinen spezialisiert hatten, mittlerweile aber auch Flugtriebwerke im Programm haben.

MTU Maintenance Dallas: Der Standort am Fort Worth Alliance Airport in der Nähe von Dallas, Texas, ist das wichtigste Drehkreuz der MTU Maintenance für ON-SITEPlus-Leistungen in Nordamerika.

ASSB in Malaysia: Der Standort ist seit über 30 Jahren das Kompetenzzentrum der MTU für die Reparatur von Schaufeln in Hoch- und Niederdruckturbinen mit modernsten Verfahren.

MTU Maintenance Zhuhai: Der Standort ist spezialisiert auf die Instandhaltung, Reparatur und Überholung von IAEs V2500-A5 und Pratt & Whitneys PW1100G-JM sowie CFM56-5B/-7B- und LEAP-Triebwerken von CFMI.

AES: Das Joint Venture konzipiert, entwickelt und betreut kundenspezifische High-Performance-Embedded-Lösungen für die Branchen Luft- und Raumfahrt, Verteidigung und zukünftige Luftmobilität.

MLS: Das Team verfügt über langjährige Erfahrung im MRO-Geschäft und ist damit bestens aufgestellt, um Fluggesellschaften, MRO-Anbietern und Leasinggebern umfassende Lösungen über den gesamten Lebenszyklus eines Triebwerks anzubieten.

EME Aero: Der hochmoderne Standort im polnischen Jasionka führt Demontage, Montage und Tests durch und hat im Januar 2020 mit der Instandsetzung des PW1100G-JM begonnen

MTU Maintenance Serbia: In der hochmodernen Anlage reparieren Expert:innen Fanschaufeln, Gehäuse, Niederdruckverdichterschaufeln und statische Teile.

Einsatz am Flügel: Bei den OSS-Einsätzen der MTU Maintenance muss es meist schnell gehen. Wie hier beim GE90, dem größten Triebwerk der Welt, dass die Expert:innen wieder startklar gemacht haben.


Triebwerkskomponenten „made by MTU“ gehören weltweit zu den besten

Im Laufe ihrer 90-jährigen Geschichte hat die MTU zahlreiche bahnbrechende Technologien entwickelt – vor allem im Bereich der Niederdruckturbine und des Hochdruckverdichters. Das Entwicklungsprojekt für den Advanced Technology Fan Integrator (ATFI) Anfang der Nullerjahre etwa führte zur Pratt & Whitney GTF™-Triebwerksfamilie, die seit 2016 im Linienflugbetrieb ist.


Beim PW2000, dem ersten zivilen Triebwerk, an dessen Entwicklung die MTU ab 1981 beteiligt war, festigte das Münchner Unternehmen seinen Ruf als maßgebliche Instanz für die Niederdruckturbine.

Ihr Meisterstück hat es aber mit der schnelllaufenden Niederdruckturbine für den Getriebefan (GTF) abgeliefert: Ihre Technologie ist weltweit einzigartig und wird für diese Anwendung ausschließlich von der MTU beherrscht.

Doch es gibt ein weiteres Modul, bei dem weltweit der Name MTU mit Respekt genannt wird: der Hochdruckverdichter, den sie schon seit den frühen 1970er-Jahren beim RB199 verantwortet, seit 1986 beim EJ200 und erstmals im zivilen Bereich seit den frühen Nullerjahren beim PW6000.

Das PW6000 kein kommerzieller Erfolg, brachte aber den Durchbruch für weitere Entwicklungen in der Partnerschaft mit Pratt & Whitney. Auch bei Turbinenzwischengehäusen, Fertigungs- und Reparaturverfahren hat sich die MTU mittlerweile ganz nach oben vorgearbeitet.

PW2000: Seit 1979 arbeitet die MTU in Kooperation mit Pratt & Whitney an der Entwicklung und Fertigung der PW2000-Triebwerksfamilie. Diese Triebwerke finden sowohl im zivilen als auch im militärischen Sektor Anwendung, insbesondere im Mittel- und Langstreckenbetrieb.

Niederdruckturbine: Die MTU hat den Ruf, einer der erfahrensten und technologisch führenden Niederdruckturbinenhersteller der Welt zu sein.

Hochdruckverdichter: Verdichter sind das Herzstück eines Triebwerks. Seit über 50 Jahren entwickelt, fertigt und repariert die MTU Aero Engines Hochdruckverdichter (HDV).

GTF Triebwerk: Die Pratt & Whitney GTF™ Triebwerksfamilie treibt Reiseflugzeuge der nächsten Generation an. Die neuen Triebwerke bieten Verbesserungen im zweistelligen Prozentbereich bei Kraftstoffverbrauch, Schadstoff- und Lärmemissionen sowie Betriebskosten.


Die Geschichte ist noch längst nicht zu Ende erzählt

Jedes dritte Verkehrsflugzeug weltweit fliegt heute mit MTU-Technologien. Der Triebwerksspezialist hat sich zu einem Global Player mit 18 Standorten weltweit und über 12.000 Beschäftigten aus 88 Nationen entwickelt. Und seine Geschichte ist noch längst nicht zu Ende erzählt.

Die Anforderungen an die Technologien sind heute größer denn je: Flugzeuge und Antriebe müssen noch sparsamer, sauberer und leiser werden – die Vision lautet emissionsfreies Fliegen. Der Leitstern ist das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Der Weg dorthin führt über innovative Technologien und neuartige Antriebskonzepte. Die MTU treibt diese konsequent voran und ist wichtiger Impulsgeber. In ihrer Technologie-Agenda formuliert sie Lösungsmöglichkeiten und Potenziale für nachhaltige zivile Antriebe, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Die MTU-Expert:innen arbeiten an evolutionären und revolutionären Technologien gleichzeitig: Schwerpunkte sind Weiterentwicklungen der Fluggasturbine auf Basis des Getriebefans und die Flying Fuel CellTM.

Flying Fuel Cell™: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Flying Fuel Cell™: Mit der FFC arbeitet die MTU an einem revolutionären Antriebskonzept, das durch eine vollständige Elektrifizierung des Antriebsstrangs nahezu Emissionsfreiheit erreicht.

NGFE: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

NGFE: Die Triebwerksspezialisten MTU Aero Engines, Safran Aircraft Engines und ITP Aero entwickeln das Triebwerk für den New Generation Fighter.

Und auch im militärischen Bereich setzt die MTU Maßstäbe für die Zukunft: Die New Generation Fighter Engine (NGFE) ist das Herzstück des Kampfflugzeugs der nächsten Generation, das im Zentrum des europäischen „Future Combat Air System“ (FCAS) steht. Es wird von der MTU gemeinsam mit Safran Aircraft Engines und dem spanischen Triebwerks- und Komponentenhersteller ITP Aero entwickelt, gefertigt und betreut. Mit dieser Beteiligung der MTU am neuen europäischen Kampfflugzeug, dem New Generation Fighter (NGF), setzt sich auch die militärische Verdichtertradition fort: Für diesen Jet-Antrieb entwickelt und fertigt die MTU das gesamte Verdichtungssystem bestehend aus Niederdruckverdichter, Übergangskanal und Hochdruckverdichter. Damit nicht genug: Die MTU ist auch am Antrieb für die nächste europäische Militärhubschraubergeneration beteiligt.

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Der AEROREPORT berichtet über Hochtechnologie und exzellenten Service „Made by MTU“ und über allgemeine Luftfahrtthemen.

Der AEROREPORT ist das Online-Magazin der MTU Aero Engines, Deutschlands führendem Triebwerkshersteller. Fliegen und die Technologie, die es ermöglicht, sind faszinierend und bieten ein breites Themenspektrum: mehr als hundert Jahre Geschichte und viele Fragestellungen für die Zukunft der Luftfahrt angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit.