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Hauptsache verständlich: Die wichtigen Abkürzungen der Luftfahrt

Bravo Alpha Two Eight Four. Wo Flugzeuge fliegen, dürfen keine Missverständnisse passieren. Deshalb hat sich in der Luftfahrt eine ganz eigene Kommunikationsweise entwickelt.

08.2020 | Autor: Thorsten Rienth | 4 Min. Lesezeit

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Thorsten Rienth schreibt als freier Journalist für den AEROREPORT. Seine technikjournalistischen Schwerpunkte liegen neben der Luft- und Raumfahrtbranche im Bahnverkehr und dem Transportwesen.

Wer beim Anflug auf den Genfer Flughafen aus dem Fenster schaut, dem bleiben die Zahl-Ziffern-Kombinationen auf der Nachbarbahn nicht verborgen. Je nach Piste und Anflugsrichtung ist dort eine große weiße „04“, „22“, „04L“ oder „22R“ auf den grauen Asphalt geschrieben.

Die Abkürzungen stehen für die Anflugrichtung im Verhältnis zum magnetischen Nordpol. Eine Bahn, die in exakt südliche Richtung zeigt, bekommt eine „18“. Sie entspricht den 180 Grad auf der Kompassrose. Sie decken den Bereich zwischen 175 und 184 Grad ab. In der nördlichen Gegenrichtung sind es 360 Grad, die Bahn wird daher mit einer „36“ versehen. Die Genfer Piste 22 zeigt also ungefähr gen Südwesten. Das „L“ und „R“ stehen bei parallelen Bahnen für Links und Rechts. Liegen gar drei Bahnen in gleicher Ausrichtung, wie etwa an den großen Flughäfen von Frankfurt oder Chicago, erhält die mittlere Bahn den Suffix „C“ für Center.

Keine Silbe zu viel

Die Luftfahrt ist gespickt mit derartigen Abkürzungen. Präzise und möglichst unmissverständlich haben sie zu sein. Ganz besonders gilt das für die Kommunikation zwischen Cockpitbesatzung und der Air Traffic Control, kurz: ATC. Jede überflüssige Silbe, Zahl oder Buchstabenreihe könnte zu potenziellen Missverständnissen führen. Die Anweisung „Reduce to minimum“ gilt nicht nur bei Höhe und Geschwindigkeit im Landeanflug. Sondern für den kompletten Aufbau der Fliegersprache.

Die fußt auf dem Alphabet der Internationalen Zivilluftorganisation „International Civil Aviation Organisation“, dem sogenannten ICAO-Alphabet. „M“ und „N“ ließen sich noch leicht verwechseln, wenn es im Kopfhörer knackt und rauscht. „Mike“ und „November“ wohl kaum. Und aus „Flug BA 284“ wird in der Pilotensprache: Bravo Alpha Two Eight Four.

Wenn dieser Flug von San Francisco nach London Heathrow seinen „Slot“ für den Start einhalten möchte, im Fachjargon CTOT genannt, „Calculated Time for Takeoff“, erbittet er beim Tower zeitig die Freigabe zum Rollen. Zum Beispiel in Richtung Startbahn 28R. Die Antwort aus dem Tower könnte zum Beispiel diese sein: „Bravo Alpha Two Eight Four heavy taxi to runway 28R via Alpha, Quebec, Bravo, Foxtrot, hold short of 01Lima.“

„Heavy“ steht für den Dreamliner Boeing 787-9, mit dem der Flug durchgeführt wird. Es indiziert ein Startgewicht von mehr als 300.000 Pfund. Alpha, Quebec, Bravo und Foxtrott bezeichnen den Weg über das Vorfeld. Dann folgt die Anweisungen, vor der Bahn 01L zu warten. Sie kreuzt die Startbahn 28R, wohin „BA 284“ nun gleich rollen wird.

Was nach Geheimcodes klingt, ist einfach nur reduzierte Kommandosprache, „rotate“, „positive climb“, „gear up“. Das Wetter ist womöglich CAVOC, „clouds and visibility OK“, Wolken und Sicht in Ordnung.

Zusätzlich zum normalen Funkverkehr sind Verkehrsflugzeuge mit Transpondern ausgestattet. Die Bezeichnung setzt sich aus den Wörtern Transmitter und Responder zusammen. Das Funk-Kommunikationsgerät dient allen voran zur Identifizierung von Flugzeugen. Aber auch als Notfallkommunikation, wenn der Funk ausgefallen ist oder ein Funkspruch gerade nicht dienlich ist.

Der Code für eine Flugzeugentführung lautet „7500“. Als Eselsbrücke lernen Flugschüler: „75 – man with knife“. „7600“ ist das Signal für einen Funkausfall, „7700“ bedeutet: Emergency. Zugeordnet zur jeweiligen Flugnummer taucht der Code dann bei sämtlichen Lotsen auf, über deren Bildschirm sich der Flug gerade bewegt.

Bei Airbus lassen sich sogar die Triebwerksvarianten aus der Flugzeugbezeichnung ablesen

Nicht nur auf diesem Bildschirm taucht das jeweilige Kennzeichen des Luftfahrzeugs auf. Es ist auch stets gut sichtbar auf beide Flugzeugrumpfseiten lackiert. Einem Nummernschild gleich soll jedes zivile Flugzeug eindeutig identifizierbar sein. Auf welche Weise regelt in Deutschland die Luftverkehrs-Zulassungs-Verordnung, kurz: LuftVZO.

Kabinensprache: „SPML" ist die Abkürzung für Special Meal, „Galley“ ist die Bordküche, „Bin“ das Gepäckfach über den Sitzen, „Crotch-watch" (übersetzt: Blick in den Schritt), ob alle Erwachsenen und Kinder angeschnallt sind, als „Deadhead“ wird ein Crewmitglied bezeichnet, das sich als normaler Passagier an Bord befindet. "Pax 11Alpha Extensions please“ heißt: der Passagier auf Platz 11A benötigt einen Verlängerungsgurt. Landing Lips bezeichnet das Auffrischen des Make-Ups bei den Stewardessen vor der Landung.

Die Kennzeichen beginnen mit einem „D-“, zum Beispiel D-ABYA. Der nächste Buchstabe definiert die Kategorie des Höchstabfluggewichts. Bei über 20 Tonnen ist dies ein „A“. Danach folgen die individuellen Bezeichnungen der Airline, zum Beispiel bei der Lufthansa ein „B“ für Boeing und ein „Y“ für den Typ 747-8. Der letzte Buchstabe, das „A“, zeigt an, dass es sich bei dem Jet um die erste an Lufthansa ausgelieferte „747-8“ handelt. Bei den folgenden Auslieferungen wird hinten in der Regel einfach das Alphabet weitergeführt, also D-ABYC, D-ABYD, D-ABYE.

Die Hersteller können die Namen und Systematik hinter ihren Flugzeugtypen selbst regeln. Eine A320-200 nennt Airbus zum Beispiel A320-230, wenn der Jet mit Triebwerken des Konsortiums IAE ausgestattet ist. Die dritte Ziffer steht für die Triebwerksbaureihe. Die Bezeichnung „A320-231“ steht für V2500-A1-Triebwerke.

Bei Boeing lassen sich solche Informationen nicht herauslesen. Der Hersteller dockt an seine Flugzeugtypenbezeichnungen reine Kundennummern an. So wurde eine Boeing 777-328ER an Air France ausgeliefert, weil die „28“ das Boeing-Kürzel der Franzosen darstellt. Die Lufthansa besitzt die Boeing-Hausnummer „30“. Die „D-ABYA“ wird also in Seattle als Boeing 747-830 bezeichnet.

Die Genfer Bahnen hießen im Übrigen nicht immer 04/22 und 04L/22R. Erst im Herbst 2018 wurden die Pisten 05/23 und 05L/23R entsprechend umbenannt. Hintergrund ist, dass sich der geomagnetische Nordpol, auf den sich Kompassnadeln ausrichten, im Gegensatz zum geografischen Nordpol in einer Wanderung befindet. Der schwankende Abstand zwischen beiden, macht – im Sinne der richtigen Orientierung – von Zeit zu Zeit eine Neubezeichnung der Pisten nötig. Aber das ist eine andere Geschichte.

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