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Wie klimafreundliche Flugrouten den Luftverkehr grüner machen

Neben weiteren technischen Verbesserungen des Flugzeugs sollen künftig auch klimaoptimierte Flugrouten und kraftstoffsparende Anflugverfahren den Luftverkehr grüner machen.

11.2020 | Autor: Denis Dilba | 5 Min. Lesezeit

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Denis Dilba studierte Mechatronik, besuchte die Deutsche Jour­na­listen­schule und gründete das digitale Wissen­schafts­magazin Sub­stanz. Er schreibt über ver­schieden­ste Themen aus Technik und Wissen­schaft.

Der klimafreundliche Umbau des Luftverkehrs ist längst in vollem Gange. Effizientere Triebwerke, leichtere Verbundwerkstoffe und eine verbesserte Aerodynamik haben maßgeblich dabei geholfen, den Kerosinverbrauch von Flugzeugen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zu reduzieren. So konnte der Anstieg der CO2-Emissionen durch das kontinuierliche Wachstum des Sektors bereits erfolgreich gebremst werden. Und trotz der aktuellen Corona-Krise werden die Bemühungen, die Emissionen durch verbesserte Konstruktionen noch weiter zu senken, ungebrochen ambitioniert fortgeführt. Aber auch wenn technische Maßnahmen künftig noch mehr Treibstoff sparen können, ist allen Akteuren klar, dass die weitere Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks der Branche auch in anderen Bereichen noch mehr Anstrengungen benötigt. Seit einigen Jahren steht daher neben der technischen vermehrt auch die operative Seite des Luftverkehrs im Fokus: Flugrouten, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima optimiert werden, und ein besseres Flugverkehrsmanagement versprechen hier zusätzliche signifikante Beiträge zu einem umweltfreundlicheren Luftverkehr. Umwege und Warteschleifen sollen so minimiert werden.

„Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Arbeiten hat in den letzten Jahren belegt, dass die Klimawirkung von Flugzeugemissionen stark ortsabhängig ist“, sagt Robert Sausen vom Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. „Die Grundidee bei klimaoptimierten Flugrouten ist es, die Bereiche der Atmosphäre zu umfliegen, in denen sich aufgrund der vorherrschenden spezifischen Wetterlagen Emissionen besonders stark auswirken“, erklärt der Pionier in dieser Forschungsdisziplin. Heutzutage werden Flüge auf eine möglichst kurze Flugzeit und einen minimalen Kerosinverbrauch ausgelegt. Durch letztere Maßnahme habe die Luftfahrt zwar schon einen großen Schritt hin zu effizienteren Flugzeugen und einem grüneren Flugverkehr gemacht. „Um weitere Schritte gehen zu können, muss nun aber das Optimierungsziel geändert werden“, sagt Sausen. „Die CO2-Emissionen machen nämlich nur rund ein Drittel der gesamten Klimawirkung eines Flugzeuges aus.“

„Ein bis zwei Prozent der gesamten langlebigen Kondensstreifen, die sogenannten ‚Big Hits‘, bewirken mehr als 80 Prozent der Erwärmung – es reicht also sich vorerst darauf zu konzentrieren.“

Robert Sausen, Forscher am Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Langlebige Kondensstreifen vermeiden

Die restlichen zwei Drittel setzen sich wiederum aus den Erwärmungseffekten durch langlebige Kondensstreifen (zwei Drittel) sowie der Ozonbildung infolge der Stickoxidemissionen zusammen. Eine kleinere Rolle spielten auch noch Wasserdampf und Rußpartikel, die bei der Kerosinverbrennung ausgestoßen werden, so Sausen. „Fasst man alle Faktoren in einer Klimakostenfunktion zusammen, die jedem Ort der Atmosphäre den aktuellen Wert der Gesamtklimawirkung zuordnet, kann man die Flugroute mit den kleinsten Auswirkungen auf das Klima berechnen“, sagt der Forscher. Seine Berechnungen haben gezeigt, dass die Klimawirkung so um 20 Prozent verringert werden kann – ohne technische Änderungen an den Flugzeugen. Rein theoretisch wäre laut Sausen noch mehr drin, wenn alle Maschinen zusätzlich etwas langsamer fliegen würden.

Der Experte schätzt, dass sich eine Gesamtberechnung von klimaoptimierten Flugrouten bei Flugverkehrsmanagern erst in 10 bis 15 Jahren durchsetzen könnte. Schneller hilft ihm zufolge die simple Meidung von Gebieten, in denen sich die langlebigen Kondensstreifen bilden. Die Maßnahme käme ohne große Eingriffe in das globale Luftfahrtsystem aus. Kondensstreifen machten einerseits den Löwenanteil am klimawirkenden Anteil der Nicht-CO2-Emissionen aus, so Sausen. Andererseits brauche man nicht alle von ihnen zu verhindern. „Ein bis zwei Prozent der gesamten langlebigen Kondensstreifen, die sogenannten ‚Big Hits‘, bewirken mehr als 80 Prozent der Erwärmung – es reicht also sich vorerst darauf zu konzentrieren“, so der Atmosphärenphysiker. Da sich die Big Hits nur in sehr kalten und feuchten Luftschichten bilden, die oft nur wenige hundert Meter dünn sind, müsse man nur etwas tiefer oder höher fliegen, um ihre Bildung fast vollständig zu unterdrücken. Flugverbotszonen für Big-Hit-Bereiche oder Mautlösungen könnten schon in fünf Jahren kommen, schätzt der DLR-Wissenschaftler.

Kontinuierlicher Sinkflug spart Kerosin

Um den Kohlendioxid-Ausstoß bei der Landung zu reduzieren, haben die DFS (Deutsche Flugsicherung GmbH) und die Fluggesellschaften den kontinuierlichen Sinkflug weiterentwickelt: Die Flugzeuge beginnen nun später zu sinken. Simulationen für Anflüge zeigen, dass sich damit bis zu 85 Liter Kerosin pro Flug einsparen lassen.

Kontinuierliche Sinkflüge und freiere Routenwahl

Einfach ist eine Anpassung des Flugverkehrsmanagements in keinem Fall, kann Michael Finke vom DLR-Institut für Flugführung in Braunschweig bestätigen. Der Forscher koordiniert das Anfang dieses Jahres gestartete europäisch-chinesische Forschungsprojekt „Greener Air Traffic Operations“, kurz GreAT, das Flugzeuge künftig klimafreundlicher fliegen lassen will. Ziel sind hier, anders als bei Sausens Klimakostenfunktion, verminderte CO2-Emissionen. Allein das ist bereits ein entscheidender Beitrag zu einem umweltfreundlicheren Flugverkehr. „Heutzutage sind Umwege und Warteschleifen keine Seltenheit“, sagt Finke. Der Grund: Bei der Planung einer Flugroute spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Grundsätzlich verhindere etwa die benötigte Luftraumkapazität eine Minimierung der CO2-Emissionen. „Die Flugzeuge müssen beispielsweise aus Sicherheitsgründen in verschiedenen Flughöhen gestaffelt werden – jede Maschine hat aber nur eine verbrauchsoptimale Flughöhe“, so der Experte. Ein anderes Thema seien auch die Gebühren, die beim Überflug von Ländern entstehen. Finke: „Airlines sparen hier, indem sie teure Länder umfliegen, erzeugen so aber wieder mehr CO2-Emissionen.“

„Die Optimierung des Luftverkehrsmanagements ist ein Schritt hin zu nachhaltigem Fliegen. Von einem einzigen Mosaikstein darf man aber nicht die Komplettlösung für einen umweltfreundlichen Luftverkehr erwarten. Es muss an allen Fronten weitergearbeitet und -geforscht werden.“

Michael Finke, Forscher am DLR-Institut für Flugführung in Braunschweig und GreAT-Koordinator

Einen schon länger bekannten, vielversprechenden Ansatz sehen die GreAT-Forscher in sogenannten Continuous Descent Approaches (CDA), auf Deutsch: kontinuierliche Sinkflüge. „Dabei geht das Flugzeug direkt von seiner Reiseflughöhe in den Sinkflug über, der dann bis zur Landung beibehalten wird“, erläutert Finke. Gegenüber herkömmlichen Sinkflügen spart das Kraftstoff. Es gibt aber einen Haken: Da jedes Flugzeug ein anderes vertikales Flugprofil abfliegt, kommt es aufgrund der geltenden Abstandsregelungen zunächst zu Kapazitätsverlusten. „Unsere Aufgabe ist unter anderem, zu untersuchen, wie wir eine breite Anwendung der CDAs ohne Kapazitätsverluste realisieren können“, sagt der Projekt-Koordinator. Bei Langstreckenflügen, dem Teil von GreAT, den die chinesischen Partner ins Auge fassen, könnten kürzere Routen durch eine freiere Routenwahl erzielt werden. „Aktuell ist das nur in einigen Ländern möglich. In anderen Regionen der Welt werden die Flugrouten strikter vorgegeben“, so der DLR-Forscher. „Es könnte schon viel verbessert werden, wenn die freie Routenwahl weltweit eingeführt würde.“

Insgesamt, erklärt GreAT-Koordinator Michael Finke, müsse man aber immer das Gesamtbild im Auge behalten: „Die Optimierung des Luftverkehrsmanagements ist ein Schritt hin zu nachhaltigem Fliegen. Von einem einzigen Mosaikstein darf man aber nicht die Komplettlösung für einen umweltfreundlichen Luftverkehr erwarten. Es muss an allen Fronten weitergearbeitet und -geforscht werden.“

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