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Oshkosh – die weltgrößte Flugschau ist das Mekka für Fans der Fliegerei
Aus aller Welt bringen Pilot:innen ihre Flugzeugveteranen, Sportmaschinen und Eigenbauten nach Wisconsin, USA, und feiern einmal im Jahr die Freude am Fliegen.
08.2022 | Autor: Andreas Spaeth | 4 Min. Lesezeit
Autor:
Andreas Spaeth
ist seit über 25 Jahren als freier Luftfahrtjournalist in aller Welt unterwegs, um Airlines und Flughäfen zu besuchen und über sie zu berichten. Bei aktuellen Anlässen ist er ein gefragter Interviewpartner in Hörfunk und Fernsehen.
©CEAA/Andrew Zaback
©Sebastian Thoma
Testprogramm: Der zehnte Eco Demonstrator ist eine Boeing 777-200, die in Oshkosh erstmals öffentlich gezeigt wurde. An Bord werden rund 30 Technologien für umweltfreundlicheres Fliegen erprobt.
©Sebastian Thoma
Flugzeuge, so weit das Auge reicht, in der Luft und am Boden. Kilometer um Kilometer, Dutzende in jeder Reihe. Viele tausend Sportflugzeuge, dazu hunderte „Warbirds“, historische Flugzeuge aus dem zweiten Weltkrieg, die in Amerika Kultstatus genießen, aber auch moderne Großraumjets, Kunstflugstaffeln und neuerdings Flugtaxis. Mittendrin die Ford Tri Motor, eines der ersten Verkehrsflugzeuge der Welt, Baujahr 1928, die auf Hochglanz poliert und mit ihrem typischen Motorensound zum Rundflug abhebt. Das ist das EAA Air Venture Oshkosh, die weltgrößte Luftfahrtschau, eine Woche fröhlicher und dröhnender Ausnahmezustand, eine Art Woodstock der Fliegerei. Sonst ist Oshkosh eine ruhige 66.000-Einwohner-Stadt im US-Bundesstaat Wisconsin an der Mündung des Fox River in den Winnebago-See nördlich von Chicago.
Aber nichts bringt Oshkosh derart auf die Weltkarte wie die Fliegerei: Seit 1970 versammeln sich hier Flugverrückte aus ganz Amerika, die meist mit ihrem eigenen Propellerflieger einschweben. Zunehmend pilgern auch Privatpilot:innen und Enthusiast:innen aus der ganzen Welt zur Mega-Flugschau an den Winnebago-See, viele fliegen sogar mit Einmotorigen über den Nordatlantik um dabei zu sein. So wie Kathrin Kaiser von ihrem deutschen Heimatflugplatz in Bonn-Hangelar, die ihre leuchtend orangefarbene, einmotorige Grumman AA-5 Traveler eigenhändig hergesteuert hat. „Ich habe schon immer von Oshkosh gehört und wollte unbedingt selbst mal hierher“, erzählt sie, die wie viele Oshkosh-Pilger ihr kleines Zelt gleich unter der linken Tragfläche aufgeschlagen hat. Leben am, unter und im Flugzeug, und diese Erfahrung mit tausenden von anderen Flugbegeisterten zu teilen, das ist der Geist von Oshkosh, der alle begeistert.
©Sebastian Thoma
Hybrid fliegen: Die hybrid-elektrisch angetriebene Ampaire 337 ist eine umgebaute Cessna 337. Noch 2022 will Ampaire eine zehnsitzige Cessna Caravan mit umwelt-freundlichem Antrieb in die Luft bringen.
©Sebastian Thoma
„World’s busiest control tower“
„Einmal im Leben muss man in Oshkosh gewesen sein“ heißt es immer wieder von überwältigten Erstbesucher:innen. Die schieren Dimensionen sind für jemanden, der das noch nie gesehen hat, kaum vorstellbar. Der normalerweise eher schläfrige Wittman Regional Airport wird für eine Woche im Jahr zum geschäftigsten Flugfeld der Welt. Allein der Anflug, für den es spezielle Verfahren gibt, und das Verteilen und Parken der unfassbar großen Zahl an Fluggeräten erfordert eine perfekte, gut eingespielte Logistik der Veranstalter in der Luft und am Boden. Eine wichtige und sehr farbenfrohe Rolle spielt dabei die Flotte von umgebauten alten VW-Käfer Cabrios aus den 1960er und 1970er Jahren, die als „Follow Me“-Autos ein Markenzeichen der Show sind.
In diesem Jahr brach die Veranstaltung alle Rekorde – nach der Pandemie kamen mit rund 650.000 Besucher:innen so viele wie noch nie, darunter viele Enthusiast:innen von weither aus insgesamt 92 Ländern. Neben gut 10.000 Privatflugzeugen begaben sich noch insgesamt 3.226 Showflugzeuge zum EAA Air Venture, darunter viele selbstgebaute Maschinen (die sogenannten „Homebuilts“). Der Kontrollturm von Wittman trägt in dieser Woche stets eine stolze Schärpe unter der Kanzel: „World’s busiest control tower.“ Und geschäftig geht es hier allemal zu: In elf Tagen rund um die Schau wurden jetzt fast 19.000 Flugbewegungen durch die Lotsen betreut, das entspricht 121 Starts und Landungen in jeder Stunde, die der Flughafen geöffnet ist (nachts und während der Flugvorführungen gilt das nicht). Das schafft kein anderer Ort.
©EAA/Connor Madison
Static Display: Die Boeing Plaza ist in Oshkosh jener Bereich des Vorfelds, auf dem Großraumflugzeuge gezeigt werden. In diesem Jahr waren der Boeing 777 Eco Demonstrator und ein Airbus A330-900neo zu sehen, daneben Militärflugzeuge.
Spektakuläre Flugshows und innovative Produkte
Ausgerichtet von der gemeinnützigen Experimental Aircraft Association (EAA) bietet das Airventure eine weltweit einmalige Mischung: Es ist das größte Fliegertreffen überhaupt und zieht vor allem mit täglichen stundenlangen, spektakulären Flugshows, von denen Fliegerei-Fans in Europa nur träumen können, auch das große Publikum an. Besonders ergriffen sind viele von den beiden nächtlichen Himmels-Spektakeln – wenn beleuchtete Flugzeuge ihre farbenfrohen Figuren in atemberaubenden Manövern ans Firmament malen, bevor am Ende ein gigantisches Feuerwerk inklusive Flugbegleitung inszeniert wird.
Das Airventure ist auch eine Branchenmesse, auf der viele Hersteller vor allem im Privatflugzeugbereich von Beechcraft bis Pilatus ihre neuesten Produkte präsentieren. Dabei geht es auch um Nachhaltigkeit, so zeigte auch Boeing Flagge und brachte ihren neuesten Boeing 777 Eco Demonstrator nach Oshkosh, der diesmal 30 Technologien von 3D-Druck bis UV-Desinfektion an Bord erprobt, die das Fliegen künftig umweltfreundlicher machen sollen. Eine davon stammt von der deutschen Firma Diehl Aviation und soll bis zu 181 kg Gewicht pro Flug sparen, indem Wasser aus den Waschbecken an Bord zum Spülen der Toiletten wiederverwendet wird.
Der aktuelle 777-Eco Demonstrator ist das neunte derartige Flugzeug in zehn Jahren. „Seit 2012 haben wir so mehr als 200 Technologien getestet, etwa ein Drittel davon findet sich jetzt in unseren Serienprodukten“, sagt Rae Lutters, die Programm-Managerin. Auch kleinere Firmen schaffen Wegweisendes – so Ampaire, die ihre auf Elektro-Hybrid-Betrieb umgerüstete zehnsitzige Cessna Caravan in Oshkosh auch in der Luft vorführte, bis 2024 soll sie zugelassen sein. Kathrin Kaiser kann es wie viele andere kaum erwarten an diese Pilgerstätte zurückzukehren. Kaum jemand jedenfalls war unter den Gästen, der sich Ende Juli nicht mit „bis zum nächsten Jahr!“ aus Oshkosh verabschiedet hätte.