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Wie Wasserstoffantriebe auf das Klima wirken
Wasserdampf aus Brennstoffzellen und Wasserstoffverbrennung in Triebwerken können Kondensstreifen bilden – die MTU Aero Engines arbeitet bereits daran, mögliche Klimaeffekte zu minimieren.
06.2021 | Autor: Denis Dilba | 6 Min. Lesezeit
Autor:
Denis Dilba
studierte Mechatronik, besuchte die Deutsche Journalistenschule und gründete das digitale Wissenschaftsmagazin Substanz. Er schreibt über verschiedenste Themen aus Technik und Wissenschaft.
Ohne Wasserdampf in der Atmosphäre wäre es auf der Erde äußerst ungemütlich. Als Hauptakteur des natürlichen Treibhausgaseffekts sorgt er maßgeblich dafür, dass die Temperatur auf unserem Planeten im Mittel bei plus 15 Grad Celsius liegt und nicht um den Gefrierpunkt oder darunter. Und ohne gasförmiges Wasser in der Lufthülle der Erde gäbe es auch keine Wolken oder Regen. Kurz: Wasserdampf macht das Leben, so wie wir es kennen, erst möglich. Gelangt Wasserdampf aber nicht durch natürliche Verdunstung aus Flüssen, Seen und Meeren in die Atmosphäre sondern durch Flugzeugtriebwerke, trägt auch er wie Kohlendioxid (CO2) relevant zur menschengemachten Erderwärmung bei – insbesondere dann, wenn sich durch den Wasserdampf in großer Höhe langlebige Kondensstreifen-Zirren bilden. Dieser Effekt und auch die durch Stickoxide hervorgerufene Klimawirkung sind noch nicht abschließend verstanden: Bis heute sind die komplexen Vorgänge in der Atmosphäre Gegenstand der Forschung.
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In der Vergangenheit waren die Ziele für die Luftfahrt auf die Minimierung des direkten CO2-Effekts ausgerichtet. In dieser Hinsicht waren die Luftfahrtunternehmen sehr erfolgreich: So konnte der durchschnittliche Verbrauch der deutschen Passagierflugzeug-Flotte und damit ihre CO2-Emissionen unter anderem durch den Einsatz von effizienteren Triebwerken allein seit 1990 bis zum Jahr 2019 um 43 Prozent gesenkt werden. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde dann aber Forschungsergebnis um Forschungsergebnis deutlicher, dass CO2 nur einen Teil der Klimawirkung der Luftfahrt ausmacht. „Global gesehen kann man heute sagen: Ungefähr ein Drittel der Klimawirkung des Flugverkehrs entsteht durch das emittierte Kohlendioxid und rund zwei Drittel durch die Bildung langlebiger Kondensstreifen, Stickoxide und anderer Aerosole“, sagt Reinhard Herbener vom Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau, Experte für die Klimawirkung des Luftverkehrs.
Neues Ziel: Reduktion aller klimawirkenden Faktoren
Die im September 2020 veröffentlichte und bisher umfangreichste Studie zur Klimawirkung des Luftverkehrs bestätigt und präzisiert diese Ergebnisse. Erstmals haben die Wissenschaftler:innen dabei auch Wirkungen räumlich inhomogener Effekte in ihren Berechnungen berücksichtigt – wie das global unterschiedlich verteilte Auftreten und Wirken von Kondensstreifen-Zirren in Abhängigkeit von Flugverkehr und Wetterbedingungen. „Diese durch Wasserdampf-Emissionen erzeugten Wolken können sowohl einen erwärmenden Effekt auf die Erdtemperatur haben als auch kühlend wirken”, sagt Prof. Robert Sausen vom Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Die Studie konnte ihre Klimawirkung nun genauer als bisher quantifizieren: „Wir haben herausgefunden, dass der Einfluss der Kondensstreifen-Zirren weniger als die Hälfte der zuvor geschätzten Klimawirkung entfaltet, aber immer noch den größten Beitrag des Luftverkehrs zur globalen Erwärmung beisteuert", sagt Sausen.
Natürlich habe auch die MTU Aero Engines die Entwicklung der wissenschaftlichen Ergebnisse in den vergangenen Jahren kontinuierlich verfolgt, sagt Fabian Donus, Innovationsmanager bei der MTU. „Wir arbeiten schon seit einiger Zeit daran, die neuen Erkenntnisse in unseren Klimazielen und Technologieentwicklungen zu verankern.“ Dabei betrachten Donus und seine Kolleg:innen nicht nur heutige Triebwerke noch einmal unter dem neuen Blickwinkel einer optimalen Gesamtreduktion aller klimawirkenden Faktoren. Denn auch sie können unter bestimmten Umweltbedingungen langlebige Kondensstreifen erzeugen: Bei der Verbrennung von Kerosin entsteht neben CO2 als zweites wesentliches Reaktionsprodukt Wasserdampf. Die MTU-Ingenieur:innen haben vor allem auch die verbleibende Klimawirkung der kommenden Triebwerksgenerationen auf Basis von Wasserstoff im Fokus. Denn sowohl modifizierte Triebwerke, die das energiereiche Element direkt verbrennen, als auch Brennstoffzellen, die daraus Strom für Elektroantriebe produzieren, erzeugen zwar keine CO2-Emissionen mehr, aber Wasserdampf.
Innovationsmanager bei der MTU: Fabian Donus betrachtet nicht nur heutige Triebwerke noch einmal unter dem neuen Blickwinkel einer optimalen Gesamtreduktion aller klimawirkenden Faktoren, er hat vor allem auch die verbleibende Klimawirkung der kommenden Triebwerksgenerationen auf Basis von Wasserstoff im Fokus.
„Den technischen Aufwand, heutige Triebwerke so umzurüsten, dass sie mit Wasserstoff funktionieren, halten wir für moderat.“
MTU-Experte für Advanced Propulsion Systems
Die direkte Wasserstoffverbrennung
Die direkte Verbrennung von Wasserstoff könnte dabei etwas schneller einsatzfähig sein und eine Brücke hin zur fliegenden Brennstoffzelle bilden, die nach MTU-Einschätzung bereits 2035 abheben könnte. „Den technischen Aufwand, heutige Triebwerke so umzurüsten, dass sie mit Wasserstoff funktionieren, halten wir für moderat“, sagt Dominik Wirth, MTU-Experte für Advanced Propulsion Systems. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entstehen ausschließlich Wasserdampf und Stickoxide. „Welche Klimawirkung sich dadurch ergibt und wie groß sie im Vergleich zu konventionellen Triebwerken sowie der Brennstoffzelle ist, untersuchen wir gerade in einer aufwändigen Studie“, sagt Wirth. Was man sicher sagen könne, ist, dass bei der Wasserstoffverbrennung mehr Wasserdampf entsteht als bei herkömmlichen Kraftstoffen. Das müsse aber nicht zwingend schlecht sein, sagt der Experte: „Die allermeisten Kondensstreifen verdampfen wenige hundert Meter hinter dem Flugzeug schon wieder und sind hinsichtlich ihrer Klimawirkung vollkommen irrelevant.“
MTU-Experte für Advanced Propulsion Systems: Bei der Verbrennung von Wasserstoff entstehen ausschließlich Wasserdampf und Stickoxide. Dominik Wirth untersucht welche Klimawirkung sich dadurch ergibt.
Aus Sicht von UBA-Experte Herbener ist bei der Wasserstoffverbrennung vorteilhaft, dass deutlich weniger Aerosole entstehen als in herkömmlichen Triebwerken. „Man hat keinen Schwefel und keinen Ruß, die zu Kondensationskeimen werden können und die Wolkenbildung anregen.“ Da in der Atmosphäre aber auch natürliche Aerosole wie Staubpartikel oder organische Moleküle vorkommen, die als Wolkenkeime dienen, verhindert der Vorteil der saubereren Verbrennung nicht, dass die dabei entstehenden Wasserdampf-Emissionen kondensieren. Wirth und sein Team versuchen daher auch zu verstehen, wie die Klimawirkung von langlebigen Kondensstreifen minimiert werden könnte. Eine Herausforderung, da diese von unzähligen Parametern abhängt. Der MTU-Experte nennt unter anderem die Größe der sich um die Kondensationskeime bildenden Eiskristalle, deren Anzahl, die Sonneneinstrahlung und die Helligkeit des Hintergrundes. Wirth glaubt aber, dass es durch mehr Wissen um die Prozesse der Wolkenbildung perspektivisch gelingen wird, den Klima-Effekt von Kondensstreifen zu reduzieren.
Chief Engineer Flying Fuel Cell bei der MTU: Bei einer Brennstoffzelle entstehen außer Wasserdampf keine anderen Emissionen mehr. Barnaby Law arbeitet daran, Teile des entstehenden Wassers wieder in die Brennstoffzelle zurückzuführen
„Vielleicht können wir die Brennstoffzelle sogar so auslegen, dass gar kein schädlicher Wasseranteil mehr entsteht.“
Chief Engineer Flying Fuel Cell bei der MTU
Die fliegende Brennstoffzelle
Bei einer Brennstoffzelle entstehen außer Wasserdampf tatsächlich keine anderen Emissionen mehr. „Und weil die Prozesse innerhalb der Brennstoffzelle auf deutlich niedrigerem Temperaturniveau ablaufen als bei der Wasserstoffverbrennung, tritt vermehrt auch flüssiges Wasser aus”, erklärt Barnaby Law, Chief Engineer Flying Fuel Cell bei der MTU. Aus dem gleichen Grund entstehen bei einem brennstoffzellenbasierten Antrieb auch keine Stickoxide: Sie bilden sich erst bei Temperaturen oberhalb von 1.300 bis 1.400 Grad Celsius. Law und seine Kolleg:innen arbeiten unter anderem daran, Teile des in der Brennstoffzelle entstehenden Wassers wieder in sie zurückzuführen: „Das System braucht eine gewisse Feuchtigkeit, die in großer Höhe nicht gegeben ist“, so der Experte. Um die Klimawirkung der Brennstoffzelle noch weiter zu minimieren, will Law das emittierte Wasser nach Bedarf verändern: „Wir können große oder kleine Wassertröpfchen erzeugen oder das Wasser auch flüssig als kleines Rinnsal aus dem System führen“, so Law.
„Wir müssen ganz einfach alle Register ziehen, die unseren Klimafußabdruck verkleinern. Das betrifft natürlich auch konventionelle Triebwerke – eine noch kraftstoffsparende Variante des GTF-Antriebes ist längst in Arbeit.“
Innovationsmanager bei der MTU
Im ersten Schritt müsse man aber wie bei der Wasserstoffverbrennung genauer verstehen, welche Tröpfchengröße, welche Tröpfchenverteilung und welche Temperaturunterschiede in welchen Flughöhen welche Klimawirkung verursachen, so der Ingenieur. „Vielleicht können wir die Brennstoffzelle sogar so auslegen, dass gar kein schädlicher Wasseranteil mehr entsteht“, sagt Law. Ob das funktioniert, sei noch offen, „aber wir wissen, dass wir ein gewisses Beeinflussungsvermögen der Wasseremissionen haben.“ Neben solchen technischen Lösungen bestehen darüber hinaus aber noch andere Methoden, um die möglichen Auswirkungen von Wasserdampf zu minimieren. DLR-Mann Sausen geht davon aus, dass man wie für konventionelle Triebwerke auch für Wasserstoffantriebe klimafreundliche Flugrouten planen kann. „Wir müssen ganz einfach alle Register ziehen, die unseren Klimafußabdruck verkleinern“, sagt Innovationsmanager Fabian Donus: „Das betrifft natürlich auch konventionelle Triebwerke – eine noch kraftstoffsparende Variante des GTF-Antriebes ist längst in Arbeit“.