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Neue Antriebe: Mit Wasserstoff in die Zukunft
In nachhaltigen alternativen Kraftstoffen, CO2-frei in der Fluggasturbine verbrannt oder in der fliegenden Brennstoffzelle emissionslos in Strom für Elektromotoren umgewandelt – die MTU Aero Engines setzt in Zukunft mit großen Erwartungen auf Wasserstoff.
10.2020 | Autor: Denis Dilba | 6 Min. Lesezeit
Autor:
Denis Dilba
studierte Mechatronik, besuchte die Deutsche Journalistenschule und gründete das digitale Wissenschaftsmagazin Substanz. Er schreibt über verschiedenste Themen aus Technik und Wissenschaft.
Mit ihrer langgezogenen Nase und den beiden propellergetriebenen Turboprop-Triebwerken sieht die in den 1980er-Jahren designte Dornier 228 wahrlich nicht aus wie die Zukunft der Luftfahrt. Wenn aber alles nach Plan läuft und die Maschine in 2026 vom Forschungsflughafen Oberpfaffenhofen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus abhebt, hat sie eine technische Revolution am Flügel: einen speziell für Luftfahrtanwendungen entwickelten Brennstoffzellen-Antriebstrang. „Aus heutiger Sicht hat die Brennstoffzelle in Verbindung mit nachhaltig produziertem Wasserstoff das langfristig größte Potenzial, einen nahezu emissionsfreien Luftverkehr zu ermöglichen. Das ist unsere Vision für die Zukunft“, sagt MTU-Technik-Vorstand Lars Wagner. „Unserer Meinung nach könnte so ein Brennstoffzellen-System künftig eine ausreichende Leistung und Reichweite für den Primärantrieb von Regional-, Kurz- und auch Mittelstreckenflugzeugen bereitstellen.“
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Konsequenterweise ist die MTU Aero Engines daher Entwicklungs-Partner in dem ambitionierten Brennstoffzellen-Projekt. Im August 2020 hat Wagner gemeinsam mit Professor Rolf Henke, Luftfahrt-Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Absichtserklärung zur Entwicklung des Brennstoffzellen-Antriebsstrangs unterschrieben. Ziel der Partner ist es, die Dornier 228 mit einer Hochleistungs-Brennstoffzelle und einem einseitigen elektrischen Propellerantrieb der Leistungsklasse von über 500 Kilowatt auszurüsten und dann im Flug zu testen. Der Antriebsstrang wird dann bis auf Wasser und Wasserdampf keine Emissionen aufweisen. Bis zu 80 Experten sollen an dem zukunftsweisenden Projekt arbeiten. „Die in der Kooperation gewonnenen Erfahrungen und Daten, unter anderem in den Bereichen Regelung und luftrechtliche Qualifizierung, sind für unsere weitere Produktentwicklung von entscheidender Bedeutung“, betont Wagner.
©DLR
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Dornier 228: Das zweimotorige turbinengetriebene Propellerflugzeug soll als Testflugzeug mit einer wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle ausgerüstet werden.
Brennstoffzellen für Luftfahrtantriebe müssen leistungsfähiger werden
Barnaby Law, Chief Engineer Flying Fuel Cell der MTU, hat keine Zweifel, dass der durchaus sportliche Zeitplan eingehalten werden kann. Hauptsächlich getrieben von der Automobilindustrie seien die Leistungsgewichte der Brennstoffzellen in den vergangenen zehn Jahren immer besser geworden, parallel dazu hätten sich breitere Zuliefererketten etabliert. „Das ist insgesamt eine gute Absprungbasis, um die Technologie für Luftfahrtanwendungen weiterzuentwickeln“, sagt der Experte. Denn um Brennstoffzellen als Primärantriebssystem für Flugzeuge mit einer größeren Anzahl Passagieren und einer relevanten Reichweite einsetzen zu können, müssen sie noch leistungsfähiger werden. Unüberwindbare Hürden sind hier laut Law nicht zu befürchten: „Da in der Luftfahrt die Gewichtsreduktion eine höhere Bedeutung hat als in der Automobilindustrie, sind Ansatzpunkte schon absehbar, wie wir die Brennstoffzellen optimieren können,“ sagt der Brennstoffzellen-Spezialist.
Zum einen bieten beispielsweise leichtere Hightech-Werkstoffe - wie das in der Luftfahrt beliebte Titan -, die Möglichkeit, Gewicht zu sparen. Zum anderen ist auch eine etwas höhere Beladung mit dem teuren, aber leistungssteigernden Katalysator-Material Platin tolerabel. Aber selbst mit diesen absehbaren zusätzlichen Kosten sei die Brennstoffzelle im Vergleich mit anderen klimafreundlichen Lösungen immer noch günstig, so Law. Damit Passagierflugzeuge mit Brennstoffzellenantrieb fliegen können, sind aber auch noch andere Technologien nötig – allen voran das Tanksystem. Da Wasserstoffgas auch in Drucktanks noch sehr viel Volumen einnimmt, soll für Luftfahrtanwendungen auf minus 253 Grad Celsius gekühlter flüssiger Wasserstoff zum Einsatz kommen. Law: „Den Tank kann man sich dann wie eine große Thermoskanne vorstellen.“
Flying Fuel Cell: MTU-Spezialist Barnaby Law, Chief Engineer Flying Fuel Cell, erklärt, welche Vorteile eine Brennstoffzelle hat.
Auch andere umweltfreundliche Technologien basieren auf Wasserstoff
Dieses Konzept funktioniere aber nur, da Flugzeuge große Mengen Wasserstoff verbrauchen und die Flüge regelmäßig und planbar sind, so der MTU-Fachmann. „Wenn man einen Flüssigwasserstofftank in ein Auto einbauen würde, damit zum Flughafen fährt und nach zwei Wochen wiederkommt, wäre der Tank grob gesprochen leer.“ Flugzeuge verbrauchen den Wasserstoff bevor er sich erwärmt und gasförmig wird. Einen Haken habe die Lösung aber doch: „Rein physikalisch hat flüssiger Wasserstoff bei gleichem Energieinhalt ein vier Mal so großes Volumen wie Kerosin“, sagt Law. Allerdings sei der Faktor in der Praxis aber etwas kleiner und liege irgendwo zwischen drei und vier. Das heißt: Je größer die geflogenen Distanzen werden, desto größer wird auch der benötigte Wasserstofftank. „Für Strecken bis ungefähr 3.500 nautischen Meilen, knapp 6.500 Kilometer, könne man so einen Tank mit Anpassungen noch sinnvoll in der heutigen Flugzeugkonfiguration unterbringen – darüber hinaus sind andere Lösungen besser“, sagt der Brennstoffzellen-Experte.
„In Frage kommen die direkte Verbrennung von Wasserstoff in den Fluggasturbinen oder Sustainable Aviation Fuels (SAFs), die etwa mit dem Power-to- oder Sun-to-Liquid-Verfahren hergestellt werden können“ sagt Dr. Stefan Weber, Leiter Technologie und Entwicklung bei der MTU. Auf H2-Direktverbrennung könnte theoretisch sofort umgestellt werden. Die nötigen Modifizierungen beim Getriebefan (GTF) wären vergleichsweise einfach umzusetzen, sagt Weber. Nur habe man eben noch nicht ausreichende Mengen an grünem Wasserstoff zur Verfügung. Die SAFs hätten wiederum den Charme der Drop-in-Fähigkeit. „Da braucht man quasi nichts an den Triebwerken, Flugzeugen und der weiteren Infrastruktur ändern“, so der Technologie-Experte. Allein mit diesen beiden Technologien wäre schon viel gewonnen: Die H2-Direktverbrennung kommt ohne CO2-Emissionen aus und vermeidet zudem die Partikelemission. Die SAFs wiederum schließen die CO2-Kette und tragen somit sofort zum klimaneutralen Fliegen bei und haben darüber hinaus das Potenzial aufgrund sauberer Verbrennung weniger Kondensstreifen zu erzeugen.
Das Power-to-Liquid-Verfahren: Dabei wird Wasserstoff mit erneuerbarer Energie erzeugt, mit Kohlenstoffdioxid zu Kohlenwasserstoffen synthetisiert und zu einem Flüssigkraftstoff aufbereitet.
Klimafreundlichere Technologien müssen noch schneller entwickelt werden
Eine im Juni 2020 veröffentlichte Studie des größten europäischen Forschungsprogramms Clean Sky schätzt, dass die H2-Direktverbrennung den globalen Erwärmungseffekt des Fliegens so zwischen 50 und 75 Prozent und SAFs zwischen 30 und 60 Prozent reduzieren können. Der Brennstoffzelle schreiben die Autoren 75 bis 90 Prozent Minderungspotenzial zu. „Um es klar zu sagen: Wir brauchen alle drei Technologien“, so Weber. Einerseits böten die SAFs die einzige Möglichkeit, auch die bestehende Flugzeugflotte klimafreundlicher zu betreiben. Anderseits könne man sich nicht auf einer Lösung ausruhen, wenn es langfristig noch bessere Technologien gibt. Das gilt auch für die Weiterentwicklung der GTFs. So bietet das Konzept des Water-Enhanced Turbofans (WET Engine) in Kombination mit SAFs das Potenzial, auch die Emissionen von Langstreckenflugzeugen weitestgehend zu reduzieren. Dazu wird in einem Wärmetauscher im Triebwerk Wasser verdampft und in die Brennkammer eingespritzt. Zur Verdampfung wird die Abgaswärme genutzt, wodurch die Effizienz des Antriebs deutlich verbessert werden kann. Darüber hinaus ermöglicht eine „nasse Verbrennung“ die fast vollständige Vermeidung von NOx.
Ebenso sei die evolutionäre Weiterentwicklung des GTFs noch nicht am Ende, sagt Weber. Da seien auch noch ein paar Prozentpunkte Kraftstoffersparnis zu holen. „Wenn man die Paris-Ziele ernst nimmt und die Erderwärmung unter zwei Grad halten will, kommt man zu dem Schluss, dass wir all diese klimafreundlichere Technologien schneller und aggressiver entwickeln müssen als bisher – genau das tun wir“, sagt Weber. „Damit die Flying Fuel Cell ihren Beitrag leisten kann, muss sie etwa spätestens 2040 in der Breite einsatzbereit sein“, so der Chef-Technologe. Brennstoffzellen-Experte Barnaby Law geht fest davon aus, dass das funktioniert: „Dann können wir mit einem Flugzeug der A320-Kategorie mit Brennstoffzellenantrieb in den Urlaub fliegen.“