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Wirbelschleppen abschwächen, Airport-Kapazitäten steigern

Tests zeigen, dass vor Landebahnen installierte Platten gefährliche Wirbelschleppen von vorausfliegenden Flugzeugen deutlich schneller zerfallen lassen.

06.2020 | Autor: Thorsten Rienth | 3 Min. Lesezeit

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Thorsten Rienth schreibt als freier Journalist für den AEROREPORT. Seine technikjournalistischen Schwerpunkte liegen neben der Luft- und Raumfahrtbranche im Bahn­verkehr und dem Transportwesen.

Ein bisschen sieht alles noch nach einem Geistesblitz aus der Werkstatt aus: Dunkelgrüne LKW-Planen, straff über Holz­rahmen gezogen, neun Meter lang, vier Meter hoch. An der Unterseite sind Scharniere integriert, damit sich die Platten, eine neben der anderen, über eine Bodenverankerung aufstellen lassen. Abspannleinen halten sie schließlich in Position. Doch der Aufbau der sogenannten Plate-Lines ist alles andere als Spielerei: Aufgestellt kurz vor der Landebahn, könnte die mittlerweile vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt patentierte Konfiguration die Abstände zwischen landenden Flugzeugen verkürzen.

Wir können mittlerweile die belastbare Aussage treffen, dass die Platten die Lebensdauer der langlebigen Wirbel um etwa 30 Prozent reduzieren.

Dr. Frank Holzäpfel, DLR-Institut für Physik der Atmosphäre, Wolkenphysik und Verkehrsmeteorologie

Rund zehn Kilometer Sicherheitsabstand müssen kleine und mittlere Flugzeuge derzeit zu vorausfliegenden schwereren Maschinen einhalten. Grund sind Wirbelschleppen, die sich an seinen Flügelspitzen aufrollen. Dort, wo der Unterdruck der Tragflächenoberseite und der Überdruck der Tragflächenunterseite zusammentreffen.

„In den langlebigen Wirbeln steckt richtig Kraft“, erklärt Dr. Frank Holzäpfel vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre, Wolkenphysik und Verkehrsmeteorologie. „Für nachfolgende Flugzeuge können sie zu einem echten Problem werden.“

Hochmodernes Testequipment

Das liegt vor allem daran, dass die Wirbel ausgerechnet im Flugpfad nachfolgender Flugzeuge gelegentlich einige Zeit verharren. Auch am Boden und an Gebäuden können die zirkulierenden Wirbel Schäden verursachen. An den vertikalen Bodenplatten, so Holzäpfels Kalkül, würden sie sich schneller abschwächen, bestenfalls sogar einfach zerfallen. Treffen die Wirbelschleppen auf die Platten, bilden sich nämlich entgegengesetzte Sekundärwirbel. Die Wirbelschleppen zerstören sich praktisch selbst.

**Gefährliche Turbulenzen:** Für nachfolgende Flugzeuge sind Wirbelschleppen ein echtes Sicherheitsrisiko. Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Gefährliche Turbulenzen: Für nachfolgende Flugzeuge sind Wirbelschleppen ein echtes Sicherheitsrisiko.

Gefährliche Turbulenzen: Für nachfolgende Flugzeuge sind Wirbelschleppen ein echtes Sicherheitsrisiko.

**Platten vs. Wirbelschleppen:** An diesen neun Meter langen und vier Meter hohen Platten zerstören sich die Wirbelschleppen praktisch selbst. Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Platten vs. Wirbelschleppen: An diesen neun Meter langen und vier Meter hohen Platten zerstören sich die Wirbelschleppen praktisch selbst.

Platten vs. Wirbelschleppen: An diesen neun Meter langen und vier Meter hohen Platten zerstören sich die Wirbelschleppen praktisch selbst.

Im Wasserschleppkanal, in Strömungssimulationen und in ersten Flugversuchen mit einem G550-Testflugzeug am DLR-Standort Oberpfaffenhofen konnten Holzäpfel und Kollegen den grundsätz­lichen Zusammenhang bereits nachweisen. Nun hat sich das DLR mit Austro Control, der österreichischen Flugsicherung, und einigen weiteren Partnern für das Projekt „Wake turbulence separation optimisation“ zusammengetan. Ziel der vom EU-Forschungsprogramms SESAR geförderten Initiative ist es, die Wirksamkeit der Plattenkonfiguration im Live-Betrieb am Wiener Flughafen nachzuweisen.

Dazu wurde hochmodernes Testequipment installiert. Ein neuartiges und erstmals an einem Flughafen getestetes Wolkenradar liefert einen tiefen Einblick in Windrichtung und -scherung komplexer Wolken- und Niederschlagsszenarien. Ein Mikrowellenradiometer erstellt ein vertikales Temperatur- und Feuchtigkeitsprofil. Umfangreiche weitere Sensorik überwacht den Aufbau. Um das alles auch direkt vor einer Landebahn installieren zu können, durchlief der Aufbau ein enormes Genehmigungsprozedere.

Aber er lohnte sich ganz offensichtlich. „Die ersten Auswertungen der Messdaten zeigen, dass die Wirbelschleppen in der Nähe der Platten tatsächlich deutlich schneller zerfallen“, berichtet Holzäpfel. „Wir können mittlerweile die belastbare Aussage treffen, dass die Platten die Lebensdauer der langlebigen Wirbel um etwa 30 Prozent reduzieren.“

Gegenrotierende Luftwirbel: Wirbelschleppen entstehen, wenn der Unterdruck der Flügeloberseite und der Überdruck der Unterseite mit großer Kraft aufeinandertreffen. Korkenzieherförmig breiten sich die Schleppen dann vor allem von den Tragflächenenden her aus.

Türöffner für dichtere ­Anflugstaffelungen

Der Wert ist allerhand. „Sehr erfreulich“, nennt ihn mit Christian Kern der Leiter Air Traffic Management bei Austro Control. „Sollte sich der Wert bestätigen, können die Plate-Lines auf allen Flughäfen für gesteigerte Sicherheit bei den nachfolgenden Flugzeugen sorgen – und im besten Fall für mehr Kapazität an den Flughäfen.“ Schließlich würden schneller verschwindende Wirbelschleppen eine dichtere Staffelung des Anflugverkehrs ermöglichen. Aufwendige Bauarbeiten zur Erweiterung der Infrastruktur ließen sich vermeiden.

Natürlich hängt all das ganz wesentlich vom Regelwerk für Landeanflüge ab, etwa jenen der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA. Gleichwohl: Der validierte Effekt der Platten wäre dort eine gute Voraussetzung für weiterführende Überlegungen über kürzere Abstände zwischen landenden Flugzeugen.

Das DLR will die Zeit für eine Weiterentwicklung der Plattenkombination aus LKW-Planen, Holzrahmen und Scharnieren nutzen. „Wir arbeiten schon an der Spezifikation und Herstellung einer permanenten Platteninstallation“, berichtet DLR-Physiker Holzäpfel.

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