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Flugzeugrecycling: Schatzkästchen mit Flügeln

Viel zu schade zum Wegwerfen: Ausgediente Flugzeuge enthalten Ersatzteile, Wertstoffe und sogar Baumaterialien für stylische Upcycling-Möbel.

10.2020 | Autorin: Monika Weiner | 4 Min. Lesezeit

Autorin:
Monika Weiner arbeitet seit 1985 als Wissenschafts­journalistin. Die Diplomgeologin interessiert sich vor allem für neue Entwicklungen in Forschung und Technik sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.

Jahrzehntelang wurden sie kaum beachtet: Stillgelegte Verkehrsmaschinen, die am Rande abgelegener Flugplätze parkten. Erst nach und nach erkennt man, welche Schätze auf den „Flugzeugfriedhöfen“ schlummern: Triebwerke, Turbinen-Komponenten, Avionik und Fahrwerk können als Ersatzteile dienen, die Rumpfbauteile enthalten wertvolle Metalle wie Aluminium, Titan oder Kupfer, die wiederverwendet werden können. Aus Sitzen, Wandelementen oder Flügelteilen lassen sich außerdem hochwertige Möbel fertigen.

Recycling & Upcycling

Recycling: Einen bestimmten Wertstoff oder ein Produkt wiederverwenden bedeutet, diesen Wertstoff nach seinem Gebrauch für seinen ursprünglichen Zweck wieder einzusetzen. Verliert ein wiederverwertetes Produkt an Qualität, spricht man von „Downcycling“.


Upcycling: Produkte, die ausgedient haben, also eigentlich als Abfall gelten, werden im Rahmen von Upcycling ganz einfach in neue Produkte umgewandelt. Übrigens wird Upcycling auch als kreative Zweckentfremdung bezeichnet. Hierfür werden ausrangierte Produkte als Materialien betrachtet und zu neuen Produkten umgearbeitet und aufgewertet.

Das Flugzeugrecycling ist in Europa ein noch junger Wirtschaftszweig, doch er entwickelt sich schnell. Der größte Player ist das französische Unternehmen TARMAC Aerosave, an dem auch Airbus beteiligt ist. In Deutschland teilen sich eine Reihe kleiner und mittelständischer Unternehmen, die spezialisiert sind auf Flugzeugrückbau und Recycling, den Markt. Das Ziel: Eine möglichst vollständige Wiederverwertung aller Materialien.

Ein komplettes Flugzeug zu zerlegen, alle Bestandteile sortenrein zu trennen und aufzuarbeiten ist eine Kunst für sich: Da müssen beispielsweise Trieb- und Fahrwerke, die noch als Ersatzteile dienen können, fachgerecht ausgebaut werden. Als nächstes gilt es, alle Schadstoffe zu entfernen – beispielsweise Löschmittel, Kerosin und Öle aus den Hydraulikleitungen.

„Wenn alle Vorarbeiten erledigt sind, dauert der Rückbau, je nach Größe des Flugzeugs, zwei bis sechs Tage“, berichtet Marc E. Keske, CEO der MoreAero GmbH. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Flugzeuge an der Stelle zu entsorgen, wo sie als letztes gelandet sind. “Der Rückbau vor Ort hat für die Eigner den Vorteil, dass sie die Maschinen nicht mehr überführen müssen und Geld sparen“, erläutert Keske. Seine Teams können überall arbeiten. Alles, was sie benötigen, wird in einen Standard-Container per Bahn oder Schiff zum Einsatzort transportiert: Pumpen, um die Kerosintanks und Bremsleitungen trockenzulegen; Werkzeug, um Pressluftkartuschen oder Sauerstofftanks, die noch unter Druck stehen, zu entfernen; Schrottscheren, die an Bagger befestigt werden können. Am Ende des „Rückbaus“ bleibt von einem Flugzeug nur ein Haufen zerfetzter Bauteile übrig.

Aus Reststoffen werden neue Rohstoffe

Diesen Schrott zu verwerten, ist Aufgabe der Recyclingunternehmen. Sie schreddern die Teile und trennen die Materialien. „Auf diese Weise können verschiedene Metalle aber auch komplexe Legierungen wieder zurückgewonnen werden, die dann der Industrie für die Herstellung neuer Produkte zur Verfügung stehen“, erklärt Gregor Zenkner, Manager Business Development bei CRONIMET, einem Unternehmen, das sich auf Metallrecycling spezialisiert hat. Aus Flugzeugschrott lassen sich beispielsweise temperaturbeständige, titan- und nickelhaltige Superlegierungen gewinnen, die in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt werden können. Alles, was nicht mehr stofflich verwertbar ist, wird verbrannt.

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Ohne schwere Maschinen und Geräte können Flugzeuge nicht zerlegt werden. ©CRONIMET

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Mögliche Ersatzteile wie beispielsweise Trieb- und Fahrwerke müssen fachgerecht ausgebaut werden. Auch Schadstoffe müssen entfernt werden. ©CRONIMET

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Die Zerlegung in die Einzelteile sieht brutal aus, dient aber der Umwelt. ©CRONIMET

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Eine mobile Recyclingeinheit transportiert alles was benötigt wird per Container an den Einsatzort. ©CRONIMET

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Nach der Vorarbeit dauert der Rückbau zwischen zwei und sechs Tagen, je nach Größe des Flugzeuges. ©CRONIMET

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Am Ende des Rückbaus bleibt von einem Flugzeug nur ein Haufen einzelner Bauteile übrig. ©CRONIMET

Jede Veränderung im Flugzeugbau stellt die Recycler vor neue Herausforderungen: Bisher ist der Rumpf der zu entsorgenden Flugzeuge meist aus Aluminium gefertigt, das sich gut wiederverwerten lässt. Mittlerweile verwenden die Flugzeugbauer allerdings zunehmend leichte Faserverbundwerkstoffe – vor allem carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFKs). Früher oder später müssen auch diese CFKs im großen Maßstab rückgebaut und verwertet werden.

Recycling – aus alt macht neu

Kunststoffrecycling: Im thermoplastischen LFT Spritzgießen am Fraunhfoer ICT gefertigte Rückenlehne aus kommerziell verfügbaren Hybridgarnen mit rezyklierten Kohlenstofffasern. reCa-HiT wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg gefördert. ©Frauenhofer

Das zweite Leben der faserverstärkten Kunststoffe

Wie das technisch und ökonomisch gelingen kann, erforscht Torsten Müller am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT. „Grundsätzlich lassen sich auch carbonfaserverstärkte Verbundmaterialien recyceln. Dies ist bisher allerdings aufwändiger und teurer als eine Beseitigung durch Verbrennen oder, wenn dies in dem jeweiligen Land erlaubt ist, auch die Deponierung“, berichtet der Forscher. Ein typischer im Flugzeugbau eingesetzter Kunststoff ist Epoxidharz, in den die Fasern eingebettet sind. Will man diese zurückgewinnen, muss das Epoxidharz unter Sauerstoffabschluss von den Fasern getrennt werden. Für diese Pyrolyse werden spezielle Anlagen benötigt.

Technisch einfacher ist das Recycling der teureren carbonfaserverstärkten thermoplastischen Kunststoffe. Diese lassen sich schreddern und anschließend durch Erwärmung in eine neue Form bringen, erläutert Müller: „Das Recyclat hat zwar – schon wegen der kürzeren Faserlängen – nicht dieselben Eigenschaften wie das Primärmaterial, man kann aber beispielsweise Kabelkanäle daraus herstellen, die dann sogar in einem neuen Flugzeug eingesetzt werden könnten.“ Generell stoße die Kreislaufwirtschaft beim Kunststoffrecycling jedoch schnell an ihre Grenzen, weil die Materialien meist nicht sortenrein vorlägen.

Upcycling – neue Schätzen entstehen

Designmobiliar aus Flugzeugteilen: Upcycling liegt voll im Trend. Aus alten Flugzeugteilen werden exklusive Möbel. ©WilcoDesign

Upcycling: Schrott im neuen Glanz

Neben dem klassischen Recycling etabliert sich zunehmend ein neuer Markt, der alte Teile in neuem Glanz erstrahlen lässt: das Upcycling. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt: Ganze Flugzeuge mutieren zu Wohnungen oder Hotels; kleine „aeropods“ aus Rumpfteilen lassen sich als Wintergarten oder Pavillon einsetzen; verschiedene Firmen bieten Trolley-Möbel, Taschen und Accessoires aus Sitzbezügen und Schwimmwesten an.

Marius Krämer, einer der Gründer und Inhaber von Wilco Design macht mit seinem Team aus alten Flugzeugteilen exklusive Möbel. Die Rohstoffe findet er bei Airlines und Entsorgern. „Mit Upcycling liegen wir voll im Trend. Die Menschen legen immer mehr Wert darauf, Dinge nicht wegzuwerfen, sondern wiederzuverwerten“, sagt Krämer. Sein Möbelsortiment reicht von Wandbars aus Bordwänden über restaurierte Trolleys und Sitze bis hin zu Tischen aus Flügelteilen. Es gibt sogar einen Whirlpool, der im ersten Leben der Triebwerkseinlass eines Airbus war.

Auch die Airlines haben den neuen Trend erkannt und vermarkten ihn. Lufthansa beispielsweise hat eine eigene Upcycling-Collection für Miles and More-Kunden mit verschiedenen Produkten vom Messenger Backpack bis zum Flying Coffee Table – alle versehen mit Angaben, woher die ausgemusterten Teile stammen. Das Flugzeugrecycling wird so zum Lifestyle.

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