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Tanksysteme in Flugzeugen: Mehr als nur Behälter

Vor dem Start muss ein Flugzeug betankt werden. Doch wo wird das Kerosin eigentlich verstaut? Welche Auswirkungen hat die Tankverteilung auf die Flugleistung? Und wie ändern sich die Anforderungen mit alternativen Kraftstoffen? Der AEROREPORT beantwortet die wichtigsten Fragen.

08.2023 | Autorin: Monika Weiner | 7 Min. Lesezeit

Autorin:
Monika Weiner arbeitet seit 1985 als Wissenschaftsjournalistin. Die Diplomgeologin interessiert sich vor allem für neue Entwicklungen in Forschung und Technik sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.

Wohin mit dem Sprit? Hohlräume werden zu Tanks

Pro Minute sprudeln beim Betanken bis zu 800 Kilogramm Kerosin in die Tanks, das entspricht knapp 1.000 Litern. Verkehrsmaschinen können zahlreiche Tonnen Treibstoff aufnehmen – in den Airbus A380 passen etwa 254.760 Kilogramm. Würde dieser Treibstoff ausschließlich im Rumpf untergebracht wie bei kleinen Propeller-Flugzeugen üblich, ginge enorm viel Stauraum verloren. Und auch das Gewicht der Flugzeugkonstruktion wäre höher: Während des Fluges zieht die Gravitationskraft den Rumpf nach unten, während die Tragflächen durch die Auftriebskraft nach oben gedrückt werden. Je schwerer der Rumpf und je leichter die Flügel, desto größer sind die Spannungen, denen die Verbindungsbauteile, die Flügelwurzeln, standhalten müssen. Minimieren lassen sich die Spannungen nur, indem man möglichst viel Gewicht in die Flügel verlagert. Die Tragflächen sind daher ein idealer Ort, um Kerosin zu transportieren.

Wie viel Sprit in die Tanks gepumpt wird, hängt ab von der geplanten Flugstrecke. Die erforderliche Füllmenge berechnet der Bordcomputer. Dabei gilt: So viel wie nötig und so wenig wie möglich. Um unnötiges Gewicht zu vermeiden, wird genau so viel getankt, dass das Flugzeug sein Ziel erreichen kann plus einer Sicherheitsreserve für den Fall, dass der Flug länger dauert, weil beispielsweise der Zielflughafen überlastet ist und sich daher die Landung verzögert.

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Erste Lieferung: Premium AEROTEC liefert den ersten RCT Rear Center Tank für den A321XLR an Airbus.

Welche Tanks gibt es?

Um Gewicht zu sparen, verzichten die Konstrukteure bei den großen Verkehrsflugzeugen auf Stahl- oder Kunststofftanks und nutzen stattdessen die Hohlräume in den Tragflächen. Weil diese Tanksysteme in die Struktur integriert sind, heißen sie Integraltanks. Abhängig von der Flügelkonstruktion gibt es mehrere solcher Tanks, die mit einem speziellen Dichtungsmaterial abgedichtet und über ein Leitungs- und Pumpsystem miteinander verbunden werden. Grundsätzlich unterscheidet man in innere, rumpfnahe Tanks und äußere Tanks, die sich in der Nähe der Flügelspitzen befinden. Bei Kampfflugzeugen gilt das gleiche Prinzip der Integraltanks, zusätzlich werden häufig Innentanks als ballistischer Schutz im Flügel verwendet.

Einige Flugzeuge, beispielsweise die Boeing 747, verfügen darüber hinaus über einen Rumpftank, der sich zwischen den Tragflächen unter dem Boden der Fahrgastkabine befindet. Auch der neue Airbus A321XLR, ein Narrowbody mit einer Rekord-Reichweite von 8.700 Kilometern, wird mit einem Rumpftank ausgestattet: Dieser „Rear Center Tank“ ist integraler Bestandteil der Flugzeugstruktur und hat ein Fassungsvermögen von 12.900 Litern.

Langstrecken-Flugzeuge haben meist auch noch einen zusätzlichen Trimmtank im Leitwerk. Dieser hilft während des Fluges die horizontale Lage zu stabilisieren: Wenn der Füllungs-grad und damit das Gewicht der Flügeltanks abnimmt und sich damit der Schwerpunkt des Jets nach hinten verschiebt, kann Sprit aus dem Trimmtank nach vorne gepumpt werden.

A321 XLR Worksharing-Zuordnung

Welcher Tank wird zuerst mit Kerosin befüllt?

Grundsätzlich werden die äußeren Tanks als erste befüllt und als letztes entleert. Dies hat einen einfachen Grund: Nach dem Hebelgesetz wirkt die Masse an der Flügelspitze am stärksten der Belastung durch den Auftrieb entgegen und minimiert so die Spannungen an der Flügelwurzel. Die ideale Verteilung des Kraftstoffs auf die verschiedenen Tanks wird über den Bordcomputer automatisch geregelt und auf einem Display im Cockpit angezeigt. Pilot und Copilot können über den Tankwahlschalter manuell nachregeln. Während des Fluges hat die Füllung der Verbrauchstanks, auch Feed-Tanks genannt, oberste Priorität, denn sie versorgen die Triebwerke.

Kontrolle: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Kontrolle: Ein Mechaniker, der nicht nur schlank und gelenkig sein muss, sondern auch keine Angst vor engen Räumen haben darf, inspiziert den Tank.

Hohlräume werden zu Tanks: Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Hohlräume werden zu Tanks: Die Tragflächen sind ein idealer Ort, um Kerosin zu transportieren.

Warum regelmäßige Inspektionen wichtig sind

Die Schwingungen und Vibrationen der Tragflächen bei Start und Landung und während des Fluges, wenn beispielsweise Turbulenzen durchflogen werden, belasten auch die Dichtungen der Tanks. Werden bei der Routine-Inspektion vor dem Start oder bei größeren Kontrollen, die meist nachts stattfinden, Leckagen bemerkt, ist eine umgehende Inspektion erforderlich. Dafür muss zunächst das gesamte Kerosin abgelassen und das Tanksystem belüftet werden. Erst dann kann ein Mechaniker, der nicht nur schlank und gelenkig sein muss, sondern auch keine Angst vor engen Räumen haben darf, die Tanks inspizieren: Über Öffnungen in der Flügelunterseite, so genannte Man Holes, können die Spezialist:innen in die In-tegraltanks einsteigen, dort über eine Sichtkontrolle („Detailed Visual Inspection“) nach Schäden suchen und undichte Stellen abdichten.

Herausforderungen im Betrieb: Schäden vermeiden

Während des Fluges wird Kerosin aus den Tanks zu den Triebwerken gepumpt. Damit dabei kein Unterdruck entsteht, der die weitere Kerosin-Zufuhr blockieren würde, sind Verkehrsflugzeuge mit einem Tank-Belüftungssystem ausgestattet. Während des Fluges wird die Luft durch die Fluggeschwindigkeit in diese Lufteinlässe gedrückt und bildet somit ein Luftpolster auf dem Kraftstoff im Tank. Dieser reduziert nicht nur die Verdunstung des Treibstoffs, sondern unterstützt auch die Arbeit der Pumpen.

Durch die Luft, die in die Tanks gelangt, kann sich Kondenswasser bilden. In dem feuchten Milieu, das so entsteht, können sich allerdings Mikroben ansiedeln und vermehren. Die Folge sind Biofilme, die in kleinste Risse eindringen, die Aluminiumlegierungen angreifen und Korrosionsschäden hervorrufen können oder als Biomasse in die Pumpen und Ventile gelangen und zu Störungen führen können. Biozid-Zusätze im Kerosin verhindern das Wachstum solcher Mikroorganismen. Zu einem Problem werden sie vor allem dann, wenn ein Jet länger steht – was während der Corona-Pandemie häufig der Fall war. Die Tanks mussten daher teilweise vor der Wiederaufnahme des Flugbetriebs extra gereinigt werden.

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Wie fliegen wir morgen? Neue Treibstoffe verlangen mitunter neue Designs

Alternative Kraftstoffe sollen zu einer klimaneutralen Zukunft der Luftfahrt beitragen. Bei Triebwerks- und Flugzeugherstellern, Flughafenbetreibern und Airlines arbeiten die Forscher:innen an neuen Lösungen für Antriebe, Flugzeugdesigns und Infrastruktur.

Eine Alternative zum Kerosin, das aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, sind Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF. Diese Kraftstoffe lassen sich aus regenerativen Rohstoffen oder mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen, Kohlendioxid und Wasserstoff gewinnen. Erste Tests zeigen, dass eine Umstellung des Flugbetriebs und der Infrastruktur auf SAF problemlos möglich ist, wenn eine Zulassung für den jeweiligen Flugzeugtyp vorliegt. Eine Nutzung von 100 Prozent SAF ohne Aromate erfordert vermutlich Anpassungen in den Tanksystemen, etwa bei den Dichtungen.

Eine Umstellung auf Wasserstoff würde gänzlich neue Tanksysteme erforderlich machen: Gasförmiger Wasserstoff ist wegen der extrem großen und schweren Druckbehälter, die mehreren hundert bar standhalten, für die Luftfahrt eher ungeeignet. Bevorzugt lässt sich Wasserstoff auch kühlen und flüssig transportieren. Für diesen kryogenen Treibstoff sind spezielle Tanks mit Wärmeisolierung erforderlich, die auf relativ niedrige Drücke zwischen zwei bis zehn bar ausgelegt sind. Technisch lassen sich diese Anforderungen am besten mit zylindrischen oder runden Formen erfüllen, die schlecht in die Tragflächen integrierbar wären. Ingenieur:innen arbeiten daher schon jetzt an neuen Flugzeugdesigns. Und auch die Wartungsprozesse und die Infrastruktur am Flughafen samt der Logistik zur Bereitstellung müssten für eine Wasserstoffversorgung neu konzipiert werden.

Gaben die Kooperation auf der Paris Air Show bekannt (v.l.): Barnaby Law, Chief-Engineer Flying Fuel Cell™ bei der MTU Aero Engines und Markus Staudt, Vice President and Head of Business Development Export, Defence & Hydrogen von MT Aerospace.

Ein Treibstoffsystem für Flüssigwasserstoff

Die MTU Aero Engines entwickelt gemeinsam mit dem Luft- und Raumfahrtunternehmen MT Aerospace ein komplettes Flüssigwasserstoff-Treibstoffsystem für die zivile Luftfahrt. Das System besteht aus Tanks, Sensoren, Wärmetauschern, Ventilen, Sicherheitssystemen und Regelung. Noch in diesem Jahr soll das erste System bei MT Aerospace in Augsburg getestet werden. Die Expert:innen des Luft- und Raumfahrtunternehmens sind verantwortlich für das kryogene Wasserstoff-Speicher- und -Versorgungssystem, additiv gefertigte Wärmetauscher sowie Sensoren und die Systemintegration. Das Sicherheitssystem, die Regelung und die Ventiltechnik fallen in das Arbeitspaket der MTU. Das LH2-Treibstoffsystem könnte von der Systemtechnik her mit leichten Änderungen auch für die Wasserstoff-Direktverbrennung in Fluggasturbinen verwendet werden.

Die erste Anwendung soll die Flying Fuel CellTM (FFC) der MTU sein. Bei der FFC reagieren Wasserstoff und Sauerstoff in einer Brennstoffzelle unter Abgabe von elektrischer Energie zu Wasser. Mit der gewonnenen elektrischen Energie treibt ein hocheffizienter Elektromotor über ein Getriebe den Propeller an. Die FFC erzeugt weder CO2- und NOx-Emissionen noch Partikel – emittiert wird lediglich Wasser. Mit bis zu 95 Prozent reduziert die FFC damit die Klimawirkung nahezu auf null. Auch werden erhebliche Lärmreduktionen erreicht, da der Propeller als einzige verbleibende Lärmquelle bleibt.

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