innovation
Wie unbemannte Drohnen und Flugtaxis in den Luftraum integriert werden
Es wird eng am Himmel: Unbemannte Drohnen, Flugtaxis und andere neue Luftverkehrsteilnehmer erfordern neuartige Konzepte und Lösungen für das Luftverkehrsmanagement.
03.2021 | Autor: Denis Dilba | 6 Min. Lesezeit
Autor:
Denis Dilba
studierte Mechatronik, besuchte die Deutsche Journalistenschule und gründete das digitale Wissenschaftsmagazin Substanz. Er schreibt über verschiedenste Themen aus Technik und Wissenschaft.
©DLR
Unbemannte Drohnen, die Blutkonserven und Gewebeproben zwischen Krankenhäusern hin und her fliegen oder Brücken und Bahntrassen mit Sensorik auf Schäden prüfen. Flugtaxis, die Passagiere von Flughäfen direkt weiter in die Innenstädte bringen. Große, vollautomatische Frachtflugzeuge, die nur noch einen Piloten an Bord haben. Leichtflugzeuge, die mit Brennstoffzellen- oder Batterieantrieben nahezu emissionslos auf Regionalflughäfen verkehren. Und Überschalljets, die Transatlantik-Flüge auf drei Stunden verkürzen. All das ist aktuell in Entwicklung und teilweise schon im prototypischen Einsatz. Was allerdings nicht heißt, dass wir die neue Vielfalt schon morgen in breiter Nutzung am Himmel sehen. „Neben teilweise noch offenen Fragen der Wirtschaftlichkeit liegt eine der höchsten Hürden in der sicheren und effizienten Integration solcher neuen Luftverkehrsteilnehmer in den Luftraum“, sagt Dr.-Ing. Bernd Korn, Abteilungsleiter Pilotenassistenz am Institut für Flugführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig.
“Allein der kommerzielle Drohnenmarkt in Deutschland von 2019 bis 2030 wächst um 525 Prozent auf rund 126.000 Drohnen an. Gleichzeitig werden dann 721.000 private Drohnen in Betrieb sein.”
Die mit Abstand größte Herausforderung in dieser Hinsicht stellen die unbemannten Drohnen und Flugtaxis dar – der Bereich mit den rasantesten Wachstumsraten. Laut einer Studie vom Verband der unbemannten Luftfahrt wächst allein der kommerzielle Drohnenmarkt in Deutschland von 2019 bis 2030 um 525 Prozent auf rund 126.000 Drohnen an. Gleichzeig werden dann 721.000 private Drohnen in Betrieb sein. Wenig überraschend also, dass DLR-Experte Korn hier die größte Dringlichkeit und Herausforderung bei der Luftraumintegration sieht. „Die Missionen, die unbemannte Drohnen und Flugtaxis erfüllen sollen, sowie deren Betriebsweise unterscheiden sich eklatant von der herkömmlichen Luftfahrt“, sagt Korn. „Beide fliegen im Vergleich zu Verkehrsflugzeugen in deutlich geringeren Höhen, wobei auch viel weniger Zeit zwischen Start und Landung vergehen.“ Schon bei wenigen tausend unbemannten Drohnen und Flugtaxis ergeben sich somit mehrere hunderttausend Flugbewegungen pro Tag. Zum Vergleich: Der Frankfurter Flughafen kam im gesamten Jahr 2019 auf 513.912 Flugbewegungen.
©Michael Drews/DLR
Sperrzone Flughafen: Dort wo auch Verkehrsflugzeuge in den unkontrollierten Luftraum eindringen, haben die Drohnen ein Flugverbot.
©Michael Drews/DLR
Drohnen und Flugtaxis erfordern ein automatisiertes Luftverkehrsmanagement
Das Verkehrsmanagement der sehr konservativen aber dadurch auch sehr sicheren klassischen Luftfahrt ist mit dieser Masse schlicht überfordert: Es stützt sich auf jahrzehntealte Prozesse und Verfahren. Diese funktionieren auch heute noch sehr gut, so DLR-Mann Korn, stammen aber oft noch aus Zeiten, als Internet und Satellitennavigation noch nicht zur Verfügung standen. So ist das Hauptkommunikationsmittel im Verkehrsmanagement der klassischen Luftfahrt noch immer der Sprechfunk. Die Lotsen sortieren damit den Flugverkehr und stellen sicher, dass sich zwei Flugzeuge nicht zu nahe kommen. Neue Überschalljets, Leichtflugzeuge und vollautomatische Frachtflugzeuge mit nur einem menschlichen Piloten in den Luftraum zu integrieren, sei daher neben vielen Detail-Herausforderungen prinzipiell kein größeres Problem: Zum einen ist der Kommunikationsweg klar, zum anderen bleibt ihre Anzahl auf absehbare Zeit überschaubar. Sie passen also in das bestehende Luftverkehrsmanagement-System. Bei unbemannten Systemen und Flugtaxis ist das anders.
©DLR
Klare Vorschriften: Bis zu einer Höhe von 120 Meter dürfen sich unbemannte Drohnen mit einem Startgewicht von unter 25 Kilogramm bewegen.
©DLR
Zwar ist es technisch denkbar, dass größere unbemannte Drohnen Flugbewegungs-Informationen per Text-to-Speech-Verfahren in Sprechfunk-Signale umwandeln und andersherum gesprochene Lotsenanweisungen verstehen und verarbeiten können. „So könnten größere Drohnen in den normalen Luftraum integriert werden – wenn es einige wenige bleiben“, sagt Korn. Er schätzt, dass mit solchen Lösungen in den nächsten fünf Jahren zu rechnen ist. „Aber manuell auf engerem Raum, etwa über einer Stadt, 100.000 oder mehr Flüge am Tag zu managen wird nicht funktionieren. Hier muss automatisiert werden“, so der Experte. Die Herausforderung dabei ist nicht nur ein neues automatisiertes Luftfahrtverkehrsmanagement-System selbst, sondern auch der Umstand, dass heutige Verkehrsflugzeuge damit noch nicht kompatibel sind. Ein neues System muss eigentlich sofort für alte und neue Luftverkehrsteilnehmer funktionieren. Bei diesem Problem spielt den Experten die niedrige Flughöhe von unbemannten Drohnen und Flugtaxis in die Karten.
Sie dürfen sich nur im sogenannten unkontrollierten Luftraum bewegen, der bis zu einer Höhe von 2.500 Fuß (762 Meter) reicht und kommen damit Verkehrsflugzeugen nicht in die Quere. Deren Revier, der kontrollierte Luftraum, beginnt erst darüber. Hier stellt die Flugsicherung den störungsfreien Flugverlauf sicher. Drohnen und menschliche Piloten im unkontrollierten Luftraum fliegen nach der Regel „see and avoid“ und sind selbst für Mindestabstände zu anderen Flugzeugen, Hindernissen und Wolken verantwortlich. Innerhalb dieses von der Verkehrsfliegerei getrennten Luftraums bleibt aber die Herausforderung bestehen, automatisiert die künftig sehr hohe Anzahl an Flugbewegungen zu bewältigen. Den sicheren Drohnen- und Flugtaxi-Betrieb soll hier ein sogenanntes UTM übernehmen – ein Air Traffic Management System für Unbemannte Luftfahrzeug-Systeme. „So ein UTM muss zuallererst alle unbemannten Luftfahrzeugsysteme und Flugtaxis sicher erfassen können“, sagt Angela Kies, Head Unmanned Aircraft Systems bei der DFS Deutschen Flugsicherung in Langen bei Frankfurt.
UTM-Systeme für Drohnen werden auch die herkömmliche Luftfahrt verändern
Genau das und noch mehr können die Entwicklungen der Flugsicherung leisten. Ein rund 35 Gramm leichter LTE-Mobilfunk-Transponder, der von der Droniq GmbH entwickelt wurde, einem Gemeinschaftsunternehmens der DFS und der Deutschen Telekom, wird dazu an den Fluggeräten angebracht. Dieses sogenannte Hook-on-device liefert die Positionsdaten über das Mobilfunknetz an das UTM der DFS, das zusätzlich weitere Ortungsdaten der bemannten Luftfahrt bereitstellt. „So entsteht ein komplettes Luftlagebild, das einen automatisierten Drohnenbetrieb über größere Distanzen und außerhalb der Sichtweite des Drohnenpiloten am Boden ermöglicht“, erklärt Drohnen-Expertin Kies. Gerade der erlaubte Flug außerhalb der Sichtweite ermögliche zahlreiche sinnvolle und wirtschaftliche Einsatzmöglichkeiten von Drohnen und ist damit die Grundlage für deren wirtschaftlichen Betrieb. „In DLR-Projekten wie City-ATM (Air Traffic Management) hat das Droniq-System bereits seine Praxistauglichkeit bewiesen“, sagt DLR-Experte Korn.
Droniq
©Droniq
High-Tech Partnerschaft:
Das Gemeinschaftsunternehmen
©Droniq
Weite Einsatzmöglichkeiten: Mit dem Air Traffic Management System für Unbemannte Luftfahrzeug-Systeme (UTM) sollen auch Drohnenflüge außerhalb der Sichtweite der Piloten ermöglicht werden.
©Droniq
©Droniq
Trotzdem sei noch viel Entwicklungsarbeit nötig, um einen reibungslosen Betrieb von unbemannten Systemen zu gewährleisten, sagt der Forscher. Projekte wie City-ATM und das gerade gestartete HorizonUAM (Urban Air Mobility), in denen durch Praxistests mit Drohnen und Flugtaximodellen Schwachstellen im Zusammenspiel der Technik aufgedeckt und anschließend ausgemerzt werden, seien daher unerlässlich, sagt Korns DLR-Kollegin Dr.-Ing. Bianca Schuchardt, die das Projekt
„Die guten Erfahrungen, die wir in den kommenden fünf Jahren mit einem automatisierten Verkehrssystem für Drohnen und Flugtaxis sammeln werden, führen meiner Einschätzung nach dazu, dass es einen Automatisierungsboom in der klassischen Luftfahrt geben wird“, sagt der DLR-Wissenschaftler. Auf diese Weise, so Korns Prognose, werden das ATM der klassischen Luftfahrt und UTM-Systeme für Drohnen und Flugtaxis langfristig zu einem gemeinsamen automatisierten Luftverkehrsmanagement zusammenwachsen.
Schnelle Hilfe aus der Luft:
Die Zahl von kommerziell genutzten Drohnen wird künftig stark wachsen – vor allem für den schnellen Transport von Waren. Zu den ersten Anwendungen gehört die medizinische Versorgung von abgelegenen Regionen.
©Westend61/Martin Siepmann
Zwischen dem zentralen Medikamentenlager in der Provinzhauptstadt Mwanza und der Insel Ukerewe im Viktoriasee liegen fünf Stunden Fahrt mit der Fähre – oder 40 Minuten Flugzeit.
So schnell ist der Wingcopter, mit dem das gleichnamige hessische Drohnen-Start-up, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Paketriese DHL 2018 in Tansania die medizinische Versorgung von abgelegenen Regionen erprobt haben. Solche Transportdrohnen können Leben retten, etwa indem sie Gegengift bei Schlangenbissen rechtzeitig liefern und helfen, Kühlketten einzuhalten. Das ist auch Voraussetzung für den Transport von Covid-19-Impfstoffen, in den Wingcopter einsteigen will. Das Start-up profitiert dabei von seiner Erfahrung: 2019 in Vanuatu, einem südpazifischen Inselstaat, und in einem laufenden Projekt in Malawi hat das Unternehmen bereits Impfstoffe ausgeliefert. Die Hessen bauen gerade die nötige Infrastruktur für den Vakzin-Transport auf. Zudem wollen sie die Serienfertigung ihres Senkrechtstarters starten, der mit schwenkbaren Rotoren und fixen Flügeln größere Distanzen schnell und effizient wie ein Flugzeug zurücklegt: Der Wingcopter kommt so mit geladenem Impfstoff 100 Kilometer weit und damit rund fünf Mal weiter als herkömmliche Drohnen.
Bis ans Ende der Welt: Medizinische Drohneneinsätze ermöglichen eine Medikamentenversorgung selbst in den entlegensten Regionen mit nur rudimentärer Infrastruktur.