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Auf Kurs zum emissionsfreien Fliegen

Mit ihrer Technologie-Agenda Clean Air Engine arbeitet die MTU intensiv daran, die Klimawirkung und den Kraftstoffver-brauch von Luftfahrtantrieben in mehreren Etappen weitreichend zu reduzieren.

06.2022 | Autorin: Nicole Geffert | 7 Min. Lesezeit

Autorin:
Nicole Geffert arbeitet seit 1999 als freie Journalistin mit den Themen Forschung und Wissenschaft, Geld und Steuern, Ausbildung und Beruf.

Ferne Länder entdecken, neue Kulturen kennenlernen, Geschäftspartner treffen, Wirtschafts- und Hilfsgüter transportieren – Fliegen verbindet. Gleichzeitig spürt die Luftfahrt Gegenwind, denn das Umweltbewusstsein steigt und Fliegen rückt in der Klimadebatte auf der Agenda weiter nach oben. Die Branche hat ihre Aufgaben sehr klar erkannt: Mit Hochdruck arbeitet sie kontinuierlich an der Verbesserung der Klimaverträglichkeit ihrer Produkte und an tiefgreifenden Lösungen, die die Luftfahrt nachhaltig verbessern.

Akutes Handeln ist das Gebot der Stunde, denn Entwicklungs- und Produktzyklen von Flugzeugen bemessen sich in Jahrzehnten: Um das Morgen gestalten zu können, müssen wesentliche Entwicklungen heute auf den Weg gebracht werden. Die Technologien sind anspruchsvoll, die Rahmenbedingungen komplex. Bevor beispielsweise Wasserstoff als Treibstoff in einer Fluggasturbine verbrannt oder in einer Brennstoffzelle elektrochemisch umgesetzt werden kann, sind viele neue Technologien nötig. Brennstoffzelle, Elektroantriebe und Tanks für flüssigen, minus 253 Grad Celsius kalten Wasserstoff müssen entwickelt und in das Flugzeug integriert werden. Darüber hinaus gilt es, ausreichend Wasserstoff für den weltweiten Luftverkehr nachhaltig und wirtschaftlich zu produzieren sowie die erforderliche Infrastruktur aufzubauen.

Die MTU Aero Engines zeigt mit ihrer Technologie-Agenda Clean Air Engine (Claire) Lösungsmöglichkeiten und Potenziale für nachhaltige zivile Antriebe auf und wird damit einmal mehr ihrer technologischen Schrittmacherfunktion gerecht.


Erfahren sie hier mehr über die Technologie-Agenda der MTU.

In drei Schritten zum emissionsfreien Fliegen

Die erste Etappe von Claire wurde mit den hocheffizienten Triebwerken aus der Pratt & Whitney GTF™ Triebwerksfamilie erreicht. Die MTU hat die Antriebe gemeinsam mit dem US-amerikanischen Partner realisiert. Sie kommen in modernen Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen zum Einsatz, wie in der A320neo und A220 von Airbus sowie in der Embraer E-Jet E2-Familie. Bereits diese erste Generation des Getriebefans gilt als technische Meisterleistung: Der GTF reduziert Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen im Vergleich zur Vorgänger-Triebwerksgeneration um je 16 Prozent – ein Prozent mehr als anvisiert.

Und die GTF-Erfolgsgeschichte schreibt schon das nächste Kapitel: Mit dem Pratt & Whitney GTF Advantage™ kommt zukünftig eine technologisch verbesserte Version für die A320neo-Familie auf den Markt. Der GTF Advantage wird den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen um je ein weiteres Prozent senken. Damit verbessert sich die Bilanz gegenüber Antrieben früherer Generationen um insgesamt je 17 Prozent.

Wesentliche Optimierungen kommen dabei von der MTU, die für den GTF die schnelllaufende Niederdruckturbine und die ersten vier Stufen des Hochdruckverdichters beisteuert. Zudem fertigt sie mit Bürstendichtungen und Nickel-Blisks für den Hochdruckverdichter auch Bauteile, die nicht in ihrer Design-Verantwortung liegen. Eine verbesserte Kraftstoffeffizienz verringert sowohl den Ressourcenverbrauch als auch die Klimawirkung. Darauf nimmt die MTU mit ihren neuen Komponententechnologien direkten Einfluss.

Leiser, sparsamer, emissionsärmer: Mit der Pratt & Whitney GTFTM Triebwerksfamilie sind aktuell die ökoeffizientesten Antriebe im Einsatz.

2. GTF-Generation wird noch besser

Seit der Getriebefan Anfang 2016 in Serie ging, haben diese Antriebe den Flugzeugbetreibern mehr als zwei Milliarden Liter Treibstoff eingespart und dazu beigetragen, mehr als sechs Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen zu vermeiden. Bereits heute sind GTF-betriebene Flugzeuge für den Betrieb mit einem 50-Prozent-Anteil an Sustainable Aviation Fuel (SAF) zugelassen und können so den CO2-Ausstoß noch weiter verringern. Das GTF-Advantage-Triebwerk wird bei seiner Markteinführung sogar für einen Betrieb mit 100 Prozent SAF zugelassen sein.

Sustainable Aviation Fuels (SAF) führen zu einem weitgehend geschlossenen Kohlenstoffkreislauf: Das während der Verbrennung freigesetzte CO2 wird zur Kraftstoffherstellung bestenfalls vollständig aus der Atmosphäre gewonnen. Weiteres Potenzial zeigen die SAF bei Kondensstreifen: Ihre Bildung kann laut ersten Studien ebenfalls deutlich reduziert werden.

Alternative Kraftstoffe: Kerosin aus erneuerbarer Energie



Mit Power-to-Liquid- und Sun-to-Liquid-Kraftstoffen kann die Luftfahrt ihre ambitionierten Klimaziele erreichen – wenn man schnell auf relevante Produktionsmengen kommt.

SAF können aus Biomasse hergestellt werden, oder aus erneuerbarer Energie beispielsweise über das Power-to-Liquid-Verfahren (PtL). Bereits heute können sie „drop-in“, also ohne Anpassung an Flugzeug und Triebwerk, in der bestehenden Flotte in Beimischungen bis zu 50 Prozent eingesetzt werden. Das Potenzial zur Reduktion der Klimawirkung ist dabei enorm. Aber: Die Herstellverfahren sind zwar entwickelt und zugelassen, jedoch nur vereinzelte Anlagen im Industriemaßstab verfügbar. Die notwendigen Produktionskapazitäten müssen kurzfristig geschaffen werden. Eine große Herausforderung besteht darin, die Verfahren wirtschaftlicher zu gestalten. Obwohl selbst kein Kraftstoffhersteller, macht sich die MTU für den Einsatz von SAF stark: So unterstützt sie mehrere Vorhaben zum Aufbau von PtL-Produktionsanlagen. Zudem ist die MTU Maintenance weltweit das erste Instandhaltungsunternehmen, das auf seinen Prüfständen Abnahmeläufe mit SAF anbietet.

Um das volle Potenzial des GTF auszuschöpfen, arbeitet die MTU bereits an der zweiten Generation des Getriebefans. Das Fan-Druckverhältnis soll weiter reduziert und damit das Nebenstrom-Verhältnis nochmals erhöht werden. Zudem lässt sich der thermische Wirkungsgrad des Kerntriebwerks unter anderem durch die integrierte Auslegung von Verdichter- und Turbinenkomponenten, die weitere aerodynamische Optimierung sowie den Einsatz neuer Werkstoffe verbessern. Leicht, extrem hitzeresistent und robust gegenüber Umwelteinflüssen müssen diese neuen Materialien sein. Dabei stehen die besten Werkstoffklassen im Fokus, etwa Einkristalle der 6. Generation oder Pulvermetalle für die Turbinen. Angetrieben mit nachhaltigen Kraftstoffen oder Flüssigwasserstoff könnte die zweite GTF-Generation die Klimawirkung bereits bis zu 65 Prozent verringern.

Nahezu Klimaneutralität: Beim WET-Konzept wird massiv der Ausstoß von Stickoxiden vermindert. Auch Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und die Bildung von Kondensstreifen werden stark reduziert.

WET punktet durch Wärmerückgewinnung und nasse Verbrennung

Die MTU-Expert:innen wissen: Diese evolutionäre Weiterentwicklung der Gasturbine wird allein nicht ausreichen, um die Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Revolutionäre Antriebskonzepte auf Basis des Getriebefans sind gefragt, die den Weg in eine klimaneutrale Luftfahrt eröffnen. Das geht nur über innovative Technologien. Zusammen mit Industriepartnern, Universitäten und Forschungseinrichtungen treibt die MTU die Entwicklung von Lösungen voran, die eine Verringerung der Klimawirkung um 80 Prozent ermöglichen sollen. Das soll bis zum Jahr 2035 erfolgen und ist Inhalt der zweiten Etappe von Claire.

Das favorisierte MTU-Konzept ist der Water-Enhanced Turbofan (WET), angetrieben mit SAF oder Wasserstoff. Das WET-Konzept nutzt die Energie aus dem Abgasstrahl des Triebwerks. Hierzu wird mittels eines Dampferzeugers Wasser verdampft und in die Brennkammer eingespritzt. Das notwendige Wasser wird in einem Kondensator aus dem Abgas gewonnen. Eine solche nasse Verbrennung mindert massiv den Ausstoß von Stickoxiden. Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und die Bildung von Kondensstreifen lassen sich bei diesem Konzept ebenfalls stark reduzieren. Mit Reduktion der Klimawirkung um etwa 80 Prozent erreicht dieses Konzept bereits 2035 nahezu Klimaneutralität.

WET greift als gasturbinenbasiertes Konzept voll auf das Know-how der MTU zurück. Es kann von der Kurz- über die Mittel- bis zur Langstrecke angewendet werden. So deckt WET den Bereich ab, in dem nahezu die gesamte Klimawirkung der Luftfahrt erzeugt wird. Zudem werden durch die hohe Effizienz Kosten und wertvolle Ressourcen gespart.

Flying Fuel Cell™: Hier wird über eine Brennstoffzelle flüssiger Wasserstoff in Strom gewandelt – und eine nahezu emissionsfreie Lösung erzielt.

Flying Fuel Cell™: nahezu emissionsfrei

Ein weiteres revolutionäres Antriebskonzept, das die MTU im Rahmen der zweiten Claire-Etappe bis 2035 vorantreibt, ist eine möglichst vollständige Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Hier hat die Wandlung von flüssigem Wasserstoff in Strom mit Hilfe einer Brennstoffzelle das größte Potenzial. Flying Fuel Cell™ (FFC) heißt das MTU-Konzept und soll zunächst auf kürzeren Strecken im regionalen Flugverkehr zum Einsatz kommen. Mit diesem Antriebssystem werden weder CO2- und NOx-Emissionen noch Partikel erzeugt. Lediglich Wasser bleibt als Emission übrig. Mit bis zu 95 Prozent reduziert die FFC die Klimawirkung nahezu auf null.

Wie Wasserstoff die Luftfahrt revolutioniert



Wasserstoff hat das Potenzial, die Luftfahrt zu revolutionieren: Per Brennstoffzelle in Strom für Elektromotoren umgewandelt, ermöglicht das energiereiche Element den Weg zum nahezu emissionsfreien Fliegen …

Langfristig ist Wasserstoff die Grundlage für den klimaneutralen Antrieb der Zukunft. Die MTU sieht drei Einsatzmöglichkeiten: Direktverbrennung in der Fluggasturbine, Umwandlung in SAF sowie Wandlung in elektrische Energie mittels einer Brennstoffzelle. Der große Vorteil: Der Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff macht einen Luftfahrtantrieb kohlenstofffrei. Der Energiegehalt von Wasserstoff pro Kilogramm Treibstoff ist circa dreimal so hoch wie der von Kerosin, auch das macht diesen Energieträger für die Luftfahrt spannend. Flüssiger Wasserstoff hat im Vergleich zu Kerosin allerdings ein höheres Volumen. In der Auslegung von Flugzeugen mit Wasserstoffantrieb besteht eine zentrale Herausforderung darin, große Tanks zu integrieren. Aber nur wenn Wasserstoff aus regenerativen Energien hergestellt wird, kann seine Verwendung auch klimafreundlich sein. Die Bereitstellung ausreichender Mengen regenerativer Energie ist – neben der Einführung nachhaltiger Energieträger in der Luftfahrt– die große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte.

Emissionsfreiheit in greifbarer Nähe

2050 markiert die dritte Claire-Etappe. Dieses Jahr scheint noch in weiter Ferne – nicht so für die MTU, die sich das Ziel gesteckt hat, die Gesamteffizienz sowohl für den Getriebefan als auch für das WET-Konzept weiter zu verbessern. Mit dem Einsatz von near drop-in Kraftstoffen, also SAF, die chemisch angepasst werden, ließe sich die Klimawirkung maximal reduzieren. Hierfür müssen aber geringe Anpassungen an Flugzeug und Triebwerk in Kauf genommen werden. Wird WET mit Wasserstoff angetrieben, hätte das nicht nur weitere Vorteile hinsichtlich CO2-Emissionen, sondern zusätzlich das Potenzial, Gewicht und den Luftwiderstand des Antriebs durch kompaktere Bauweisen zu reduzieren.

Mit verbesserter Effizienz soll die Flying Fuel Cell ab 2050 auf der Kurz- und Mittelstrecke zum Einsatz kommen und damit die Klimawirkung weiter verringern. Die MTU-Expert:innen wollen hierzu die Effizienz der einzelnen Komponenten weiter steigern, um damit auch den Energiebedarf im Flug zu reduzieren und die Emissionsfreiheit in greifbare Nähe zu rücken.

Klimawirkung: CO2 ­Emissionen, NOx ­Emissionen und Kondensstreifen machen zusammen die Klimawirkung der Luftfahrt aus.

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Der AEROREPORT ist das Online-Magazin der MTU Aero Engines, Deutschlands führendem Triebwerkshersteller. Fliegen und die Technologie, die es ermöglicht, sind faszinierend und bieten ein breites Themenspektrum: mehr als hundert Jahre Geschichte und viele Fragestellungen für die Zukunft der Luftfahrt angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit.