innovation
Schub für die Zukunft
„Answering tomorrow’s challenges“: Für die MTU Aero Engines ist dieser Leitsatz Motto und Verpflichtung zugleich. Noch nie hatte sie so gute Antworten parat wie heute.
06.2019 | Autorin: Martina Vollmuth | 10 Min. Lesezeit
Autorin:
Martina Vollmuth
ist Diplom-Journalistin und ausgebildete Tageszeitungsredakteurin. Bei der MTU ist sie als Pressesprecherin Technologie tätig.
Seit Jahrzehnten stehen drei Buchstaben in der Luftfahrt für innovative Antriebslösungen – MTU. Die Triebwerksexperten aus München haben sich in der Vergangenheit einen Namen gemacht und immer wieder wertvolle technologische Impulse gegeben. Mit ihrer Beteiligung am Getriebefan-Triebwerk (GTF) bestimmen sie heute eindrucksvoll das Geschehen in der Gegenwart und schicken sich an, die Zukunft so nachhaltig wie noch nie zuvor in ihrer Unternehmensgeschichte zu beeinflussen: Mit ihrer einzigartigen Expertise steht die MTU bereit für die zentralen Missionen von heute und morgen – zivile Antriebe noch sparsamer und umweltverträglicher zu machen und militärische noch leistungsfähiger.
- RB199-Entwicklung: das Triebwerk, mit dem alles begann
- Niederdruckturbinen: der Weg zum Weltklasse-Hersteller
- Blisk-Entwicklung: wie sich Schaufeln und Scheibe fanden
- Getriebefan: Wie der Zukunftsantrieb entwickelt wurde
- Additive Fertigung: Schicht für Schicht zum Bauteil
- Schub für die Zukunft
„Zu keiner Zeit hatte die MTU eine so schlüssige Technology Roadmap wie heute“, erklärt Lars Wagner, Technik-Vorstand des Unternehmens. „Wir sind uns unserer Verantwortung für nachhaltiges, emissionsfreies Fliegen bewusst. Deshalb investieren wir schon heute in zukunftsweisende Technologien für die Luftfahrt von morgen.“ Für den Zeitraum 2030 werde der zivile Bereich klar auf die nächste Generation des Getriebefans ausgerichtet, während im militärischen Bereich NEFE (Next European Fighter Engine) die Marschrichtung bestimme. Wagner weiter: „Im zivilen Bereich forschen wir gleichzeitig an evolutionären Ansätzen, die sich bereits heute mit nachhaltigen Kraftstoffen, eFuels, betreiben lassen, sowie alternativen Antriebskonzepten, etwa hybrid-elektrisches Fliegen bis hin zur Brennstoffzelle.“
„Zu keiner Zeit hatte die MTU eine so schlüssige Technology Roadmap wie heute.“
Zivile Luftfahrt 2050 im Blick
Damit geben sich die MTU-Experten aber nicht zufrieden, sondern richten ihren Blick weiter in die Zukunft. Als einige der wenigen Zukunftsdenker weltweit machen sie sich zusammen mit Partnern aus Industrie und Forschung bereits Gedanken, über zivile Antriebe, die nach 2050 fliegen könnten. Wagner: „Für diese Zeit erarbeitet die MTU heute schon revolutionäre Antriebskonzepte, um die ambitionierten Flightpath-2050-Ziele zu erreichen.“ Die neuen Antriebslösungen müssen über den heutigen Stand der Technik hinausgehen. Das größere Ziel lautet: emissionsfreies Fliegen.
Die MTUler haben hier unter anderem zwei konkrete Antriebskonzepte im Auge: den Composite Cycle und die Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine. Bei diesen ‚revolutionären‘ Lösungen, handelt es sich um völlig neue Technologien. Als ‚evolutionär‘ bezeichnen die MTUler im Vergleich dazu die Weiterentwicklung der bereits eingeführten Getriebefan-Technologie: Die zweite GTF-Generation bietet noch deutliche Potenziale, soll weiter optimiert nochmals ganz gravierende Emissionseinsparungen bringen und Mitte der 2030er-Jahre in der Luft sein.
Dann muss ein technologischer Sprung kommen, um Technologien und Konzepte zu entwickeln, die ein weitgehend ‚emissionsneutrales Fliegen‘ ermöglichen – so die Verpflichtung der europäischen Luftfahrtbranche. Hierfür haben findige MTU-Entwickler zwei Ansätze erdacht und kombinieren die bewährte Fluggasturbine mit völlig neuen Technologien: Beim Composite-Cycle-Ansatz soll das herkömmliche Hochdruck-Verdichtersystem durch einen Kolbenverdichter und -motor ergänzt werden. „Damit könnten wir den thermischen Wirkungsgrad deutlich steigern“, schildert Dr. Stefan Weber, Leiter Technologie und Vorauslegung in München. Bei der Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine wird ein Dampfkraftprozess in den Gasturbinenprozess integriert. Eine Gasturbine mit Wasserdampfeinspritzung soll zur Anwendung kommen, um die Wärme des Abgasstrahls dem Prozess innerhalb des Triebwerks wieder zuzuführen. Die nasse Verbrennung würde sowohl die CO2- als auch die NOx-Schadstoffemissionen deutlich verringern. „Welcher Ansatz letztlich das größere Potenzial hat und wirtschaftlich realisierbar ist, muss sich zeigen“, konstatiert Weber. Sollte sich die Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine durchsetzen, bedarf es einer neuen Flugzeugarchitektur, denn mit der bestehenden Konfiguration wird das nicht umsetzbar sein.
Nachhaltige, regenerative Kraftstoffe
Flankiert werden die Arbeiten an diesen beiden MTU-Leitkonzepten von weiteren Aktivitäten. „Nur damit alleine können wir die anspruchsvollen Ziele für 2050 nämlich nicht erreichen“, so Weber. „Wir würden mit ihnen zwar einen deutlichen Beitrag leisten, werden die Vorgaben aber auf keinen Fall komplett umsetzen können. Was uns dazu noch fehlt, muss durch die Entwicklung nachhaltiger Kraftstoffe hereingeholt werden.“ Man müsse weg von der Verbrennung fossiler Brennstoffe hin zu nachhaltigen, regenerativen Kraftstoffen. „Deren Einsatz wollen wir einfordern“, konstatiert Weber. Gute Ansätze zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe bieten die Solarenergie sowie Strom – sofern er nachhaltig erzeugt wird. Letztere Technologie ist bereits heute schon verfügbar. Ein großer Vorteil dieser Kraftstoffe ist die Tatsache, dass sie keine neue Infrastruktur erfordern, sondern innerhalb der existierenden drop-in genutzt werden können. Um zusätzlich auch noch den NOx-Ausstoß komplett zu vermeiden, kommt man an Brennstoffzellen nicht vorbei – also Fliegen mit Wasserstoff. Auch diese Technologie hat die MTU im Visier.
Revolutionäre Antriebskonzepte made by MTU
Composite Cycle Engine: Die Koppelung von Gasturbine und Kolbenmaschine ist seit den 1950er-Jahren bekannt – für heutige Verkehrsflugzeuge werden allerdings deutlich höhere Leistungen benötigt. Die MTU hat ein neues Konzept entwickelt und patentiert.
Composite Cycle Engine: Die Koppelung von Gasturbine und Kolbenmaschine ist seit den 1950er-Jahren bekannt – für heutige Verkehrsflugzeuge werden allerdings deutlich höhere Leistungen benötigt. Die MTU hat ein neues Konzept entwickelt und patentiert.
Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine: Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine bezeichnet einen Dampfkraftprozess, der in die Gasturbine integriert wird. Ziel ist, die Energie im Abgas zur Leistungserzeugung zu nutzen. Zudem sollen dadurch die Schadstoffemissionen deutlich gesenkt werden.
Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine: Steam-injected and Water-recovering Gas Turbine bezeichnet einen Dampfkraftprozess, der in die Gasturbine integriert wird. Ziel ist, die Energie im Abgas zur Leistungserzeugung zu nutzen. Zudem sollen dadurch die Schadstoffemissionen deutlich gesenkt werden.
E-Fliegen
Ein Thema ist in letzter Zeit immer mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerückt – Fliegen mit Strom, denn rein batterie-elektrisch betriebene Flugzeuge fliegen komplett emissionsfrei – sofern auch der Strom nachhaltig erzeugt wird – sieht man von der Lärmentwicklung ab, die beim Fliegen schlichtweg nicht komplett zu vermeiden ist. Realistisch betrachtet gibt es aus heutiger Sicht allerdings große Hürden zu überwinden, um rein batterie-elektrisches Passagierfliegen zu realisieren. Weber ordnet ein: „Elektrische Antriebe und Batterien erreichen heute Leistungswerte, die einen Einsatz im Bereich von Motorseglern und kleinen Sportflugzeugen erlauben.“ Eine Übertragung auf Flugzeuge der Airbus-A320-Klasse ist bis auf Weiteres nicht möglich, da die Batteriekapazitäten dafür heute bei weitem nicht ausreichen. „Und für die Zukunft sehen wir auch noch keine erfolgsversprechenden technologischen Ansätze.“
Technisch realisierbar erscheinen hingegen aus heutiger Sicht turboelektrische oder hybrid-elektrische Systeme – also eine Integration von Turbomaschine und Generator im Flugzeugrumpf. Der Strom für die Elektroantriebe könnte von einer Gasturbine erzeugt werden; die E-Motoren wiederum würden verteilte Fans am Flügel antreiben. Ob damit tatsächlich ein Potenzial zu heben ist, so Weber, müsse noch nachgewiesen werden. Die Erfolge stehen und fallen mit dem technischen Fortschritt im Bereich der Batterien und Elektromotoren. Auch hier ist die MTU am Ball und beteiligt sich an verschiedenen Studien und Initiativen: So sollen mit Partnern hybrid-elektrische beziehungsweise elektrische Antriebsstränge für Flugtaxis oder sogar Flugzeuge der Größe eines 19-Sitzers untersucht werden.
Eines steht für Weber fest: „Das Konzept der Fluggasturbine wird sich weiter behaupten. Es ist zukunftstauglich und kann weiter optimiert werden.“ Mit dem Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe bei bestehender Infrastruktur können mit ihnen die Schadstoffemissionen zeitnah deutlich reduziert werden. Zwei Anwendungen im Flugzeug wären für die Gasturbine denkbar: entweder als verbesserter umweltfreundlicherer Hauptantrieb oder aber als Voraussetzung für emissionsarme hybride Systeme, sofern sich deren Einführung in der Gesamtbilanz als vorteilhaft erweisen.
Die MTU hat sich klar positioniert und aufgestellt: Sie bleibt sich und ihrer Tradition treu und hat alle Möglichkeiten im Blick, um weiterhin für Fortschritt am Himmel zu sorgen. Denn die Experten wissen: Die Zukunft der Luftfahrt beginnt heute.