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Effizienz steigern mit Multiphysiksimulationen
Fritz Hoffmeister entwickelt ein Multiphysik-Simulationsmodell, um ein kompliziertes Verfahren zur elektrochemischen Fertigung von Triebwerksschaufeln erstmals komplett digital abbilden zu können.
05.2019 | Autor: Thorsten Rienth | 3 Min. Lesezeit
Autor:
Thorsten Rienth
schreibt als freier Journalist für den AEROREPORT. Seine technikjournalistischen Schwerpunkte liegen neben der Luft- und Raumfahrtbranche im Bahnverkehr und dem Transportwesen.
Der Bildschirm zeigt zwei Metallstücke. Links ein kleines rundes, rechts ein größeres längliches. Wie in einem Wespennest schwirren zwischen ihnen kleine Punkte hin und her. Einige nehmen den kürzesten Weg, andere einen großen Umweg, zum Beispiel vom oberen Ende des länglichen Metallstücks zur hinteren Seite des kleinen runden. Die schwirrenden Punkte entsprechen geladenen Ionen in einem elektrischen Feld.
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Wie kleine Shuttles auf Atomgröße tragen sie Metall von einem Werkstück ab. Für das Werkzeug – die Kathode – ist dieses elektrochemische Abtragen nahezu verschleißfrei. Bei den hochfesten Materialien von Triebwerksschaufeln ermöglicht es eine völlig neue Herangehensweise. Würde das Metall spanend abgetragen, wäre der Werkzeugverschleiß derart enorm, dass der gesamte Vorgang unwirtschaftlich würde.
Electrochemical Machining nennt die Fachwelt das Verfahren, kurz: ECM. Doch welche Arbeitsspannung bringt bei welchem Vorschub die besten geometrischen Ergebnisse? Wie hängt die Stromdichte mit dem entstehenden Wasserstoffgas und der Oberflächenqualität zusammen? Und überhaupt: Wie wirkt sich eigentlich der Druck der Elektrolytströmung auf all das aus? „Bislang musste man dies mit einem ‚Try-and-Error‘-Ansatz erproben“, erklärt Fritz Hoffmeister.
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ECM – Electro Chemical Machining lautet der Oberbegriff, unter dem sich unterschiedliche Verfahren des elektrochemischen Abtragens gruppieren. Allen gemeinsam ist das Abtragprinzip auf Basis der anodischen Metallauflösung während der Elektrolyse. Zum Video
Notgedrungen, denn andere Möglichkeiten gab es bisher nicht. Der Aufwand der Erprobung sei enorm: Versuch vorbereiten, ihn durchführen, das Bauteil vermessen. Ein, zwei Parameter ändern. Alles wieder von vorne – und bei jedem neuen Bauteil von neuem. Natürlich helfen die bereits gesammelten Erfahrungen diesen Prozess zu beschleunigen. Fritz Hoffmeister, gerade 29 Jahre alt geworden, sucht nach einer Abkürzung. „Was, wenn wir all die Wechselwirkungen simulieren könnten, mit Genauigkeiten im Mikrometerbereich?“
Multiphysiksimulation lautet der Ansatz, über den Hoffmeisters Weg führt. „Wir entwickeln ein Simulationsmodell, das chemische Reaktionen, Wärmeübertragung, Mehrphasenfluidströmung und das elektrische Feld vereint.“ Im Kern geht es darum, über den simulierten Stromfluss den exakten Metallabtrag und damit das exakte geometrische Endresultat berechnen zu können. „Vereinfacht gesagt: Wir schicken die Geometrie eines neuen Bauteils in einen Superrechner und führen die Iterationen virtuell durch. Zweidimensional bekommen wir das schon ganz gut hin. Für eine industrielle Anwendung ist allerdings besonders die dreidimensionale Betrachtung entscheidend. Daran arbeiten wir auf Hochtouren.
Zuerst hatte Hoffmeister den Maschinenbau-Bachelor gemacht und für den Master of Science dann den Studiengang „Technische Berechnung und Simulation“ an der Hochschule München daraufgesetzt. Nebenher arbeitete er bereits bei einem Unternehmen im Automobilsektor. Dort berechnete er Car-Crashsimulationen sowie Multiphysik-Airbagsimulationen. Zur MTU kam er über seine Masterarbeit: „Numerische Simulation der 3D-Elektrolytströmung sowie der vollgekoppelten 2D-Multiphysik beim ECM-Verfahren“.
Dass der Titel genau dem entspricht, was Hoffmeister heute bei der MTU macht, ist kein Zufall. Als er mit der Masterarbeit auf die sprichwörtliche Zielgeraden einbog, bekam er ein Übernahmeangebot – und unterschrieb.