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"Turbomaschinen werden in der Luftfahrt weiter eine große Rolle spielen."
MTU-Ingenieur Harald Schönenborn hat die ASME Turbo Expo 2019 mit organisiert. Dem AEROREPORT berichtet er, womit sich die weltweite Turbomaschinenbranche derzeit beschäftigt.
08.2019 | Autorin: Eleonore Fähling
Autorin:
Eleonore Fähling
gehört seit 2014 zum Redaktionsteam des AEROREPORT und ist seit 1999 verantwortlich für die MTU-Mitarbeiterzeitung. Zu ihren luftfahrtjournalistischen Schwerpunkten gehören Luftfahrtgeschichte und Branchenthemen.

Herr Dr. Schönenborn, wer oder was ist die ASME überhaupt? Wer gehört dazu und warum?
ASME steht für American Society of Mechanical Engineers und ist das US-amerikanische und internationale Pendant zum deutschen VDI, dem Verband deutscher Ingenieure. Die ASME veranstaltet einmal jährlich, immer im Wechsel zwischen den USA und Europa, die ASME Turbo Expo, die größte Fachkonferenz der Turbomaschinenbranche. Vertreten sind dort Unternehmen und Institutionen, die sich mit der Entwicklung, der Herstellung oder auch dem Betrieb von Flugtriebwerken, stationären Gasturbinen oder Windkraftanlagen beschäftigen. Sie tauschen sich dort über neue Entwicklungen unter anderem in der Thermodynamik, Verbrennung oder Strukturmechanik aus. Dieses Jahr fand die fünftägige Konferenz in Phoenix/Arizona statt.

Dr. Harald Schönenborn Technical Program Chair im Organisations-Komitee der ASME Turbo Expo 2019 und Verdichter-Aeroelastiker bei der MTU Aero Engines.

Dr. Harald Schönenborn Technical Program Chair im Organisations-Komitee der ASME Turbo Expo 2019 und Verdichter-Aeroelastiker bei der MTU Aero Engines.
Und wie sind Sie dazu gestoßen?
Jeder wissenschaftliche Mitarbeiter an einer Hochschule, der sich mit diesen Themen beschäftigt, strebt es an, auf der ASME Turbo Expo seine Arbeiten zu veröffentlichen. Alle Papers werden von mindestens drei Reviewern begutachtet, so dass die Qualität der Veröffentlichungen sehr hoch sind. Das war bei mir auch so, als ich an der RWTH Aachen promoviert habe. Später habe ich Sessions organisiert und war sechs Jahre im Führungsteam eines Komitees. Letztes Jahr wurde ich dann zum Technical Program Chair des Organisationsteams berufen.
Die Themen der Konferenz ASME Turbo Expo 2019 decken eine große Bandbreite ab. Das Programmheft ist 240 Seiten dick. Wie findet man sich denn da zurecht?
Die meisten Konferenzteilnehmer kommen schon mit einem eng begrenzten Fokus, zum Beispiel Schaufelschwingung, und suchen sich im Vorfeld die dazu passenden Veranstaltungen heraus. Es gibt eine Konferenz-App, mit der man seinen Besuch planen kann, sie wird in Zukunft das gedruckte Programm ersetzen.
Sie haben die Konferenz mit kuratiert. Was waren die inhaltlichen Schwerpunkte bei der Themenauswahl?
Der Konferenzvorsitzende und das Organisationskomitee überlegen sich ein Schwerpunktthema, das in den Keynotes und Panels vertieft wird. Diesmal gab es das Schwerpunktthema „sauberer Antrieb“ für Fluggasturbinen beziehungsweise „saubere Energie“ für stationäre Turbomaschinen. Diese wurden in einem Keynote-Panel sowie in zwei Plenumsdiskussionen diskutiert.
Wie kommen Sie zu Themenvorschlägen für die Konferenz? Werden Sie mit Papers überschüttet oder müssen Sie aktiv suchen?
Nein, wir müssen wirklich nicht aktiv suchen. Wir bekommen jährlich ungefähr 2.000 Abstracts, woraus dann etwa 1.000 Papers resultieren, die bei der Konferenz vorgetragen werden.
Waren Sie selbst auch Vortragender bei der ASME Turbo Expo? Was war Ihr Thema?
Diesmal nicht, aber zuletzt habe ich vor zwei Jahren dort über mein Spezialthema, die Aeroelastik, gesprochen, also die Wechselwirkung zwischen aerodynamischer Belastung und elastischen Strukturen im Triebwerk. Andere MTU-Kollegen waren dieses Jahr mit Vorträgen zu Probabilistik, Verbrennung und Performance vertreten, und MTU Aero Engines North America sowie das Bürstendichtungsteam haben sich in der Ausstellung präsentiert.
In Zeiten des Internets kann man das alles doch einfach online stellen und abrufen. Warum eine Live-Konferenz veranstalten und besuchen?
Die Papers sind ja sogar bereits eine Woche vor der Konferenz online. Auf der Konferenz können die Themen vertieft und diskutiert werden. Der persönliche Austausch und das Networking, auch in den Pausen, ist ein wichtiger Mehrwert.
Turbomaschinen für umweltfreundliche Stromerzeugung und Antriebssysteme standen 2019 im Mittelpunkt. Was heißt das?
Meiner Ansicht nach müssen wir in Richtung regenerativ erzeugte, flüssige Treibstoffe gehen, denn Batterien werden in absehbarer Zeit zu schwer für den Linienpassagierflug sein. Und Turbomaschinen werden weiter eine große Rolle in der Luftfahrt und Energieerzeugung spielen, das ist so etwas wie ein Konferenzergebnis.
Turbomaschinen werden weiter eine große Rolle in der Luftfahrt und Energieerzeugung spielen.
Was gab es Neues zum Thema Digitalisierung in der Entwicklungssimulation?
Simulationen, vor allem die Rechenzeiten dafür, werden immer wichtiger und immer aufwändiger. Sie werden jedoch Praxistests weiterhin nicht ersetzen, denn über die Bedeutung von Sicherheit als oberster Prämisse herrschte ebenfalls Konsens auf der Konferenz. Die NASA plant beispielsweise eine eigene Prüfhalle für einen Hybridflugantrieb.
Und was passiert jetzt bis zur nächsten ASME Turbo Expo 2020 in London?
In Phoenix ist das Organisationskomitee für 2020 bereits erstmals zusammen getreten. Ich werde diesmal als Review Vice Chair dabei sein, das heißt, ich sorge mit dafür, dass die aufwändigen Reviews der eingereichten Papers ordnungsgemäß durchgeführt werden. Bis Anfang Oktober können wieder Abstracts für 2020 eingereicht werden, dann beginnt der Reviewprozess.