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Hochlauf der Bliskproduktion
Die GF Machining Solutions GmbH als Division der Georg Fischer AG gehört zu den weltweit führenden Maschinenlieferanten für den Werkzeug- und Formenbau sowie die Fertigung von Präzisionsteilen. Der Begriff „Solutions“ steht dabei nicht nur im Namen – er ist eine Maxime.
05.2016 | Autor: Thorsten Rienth
Autor:
Thorsten Rienth
schreibt als freier Journalist für den AEROREPORT. Seine technikjournalistischen Schwerpunkte liegen neben der Luft- und Raumfahrtbranche im Bahnverkehr und dem Transportwesen.

„Wir sind auf absolut präzise Reproduzierbarkeit angewiesen. Nur wenn Maschinen exakt baugleich sind, liefern sie auch exakt gleiche Ergebnisse.“
Am Ende müssen alle gleich sein. Hundertprozentig gleiche Hochgeschwindigkeitsfräsmaschinen. Jeder verbaute Schlauch, jede Schraube, jede Platine, jeder kleine Motor, sogar die Software. „Wir sind auf absolut präzise Reproduzierbarkeit angewiesen“, erklärt Walter Sürth. „Nur wenn Maschinen exakt baugleich sind, liefern sie auch exakt gleiche Ergebnisse.“ Der Mann, der bei der MTU Aero Engines in München die Bliskproduktion leitet, ist penibel. Das ist Absicht, hantiert er doch mit Toleranzen in der Größenordnung von Hundertstel Millimetern.
Eine einzige Maschine für alle Adaptionen
Nicht nur müssen seine Fräsmaschinen immer exakt gleiche Ergebnisse produzieren. Das müssen sie auch noch ziemlich schnell und höchst zuverlässig. Die Blisks kommen vor allem in der neuen PurePower®-Triebwerksfamilie PW1000G von Pratt & Whitney mit Geared Turbofan™-Technologie (GTF) zum Einsatz. Und deren Hochlauf ist gewaltig: Vor kurzer Zeit noch produzierte die MTU etwa 600 dieser Bauteile im Jahr. Zum Jahresende 2016 soll die Fertigungsfähigkeit schon bei 3.500 liegen.
Die Mikron HPM 800U-Fräsmaschinen von GF Machining Solutions sind so etwas wie die Lebensversicherung des Hochlaufs. „Durch diesen Maschinentyp sind wir in der Lage, sämtliche Blisks der GTF-Programme auf einer einzigen Einheit herzustellen. Normalerweise braucht man für jeden Anwendungsfall die passend adaptierte Maschine“, ordnet Sürth ein.
Diese Eigenschaften machen die Mikron HPM 800U mit zum modernsten, was das Portfolio der Maschinenbauer zu bieten hat. Wobei Portfolio eigentlich die falsche Bezeichnung ist. „Die Maschinen sind an die speziellen Anforderungen der Blisk-Fertigung bei der MTU angepasst“, erklärt Michel Eder, der Key Account-Manager bei GF Machining Solutions für die MTU. Die Fräsbearbeitungszentren werden durch den Maschinenkörper automatisch bestückt, ohne Einschränkung der Zugänglichkeit für die Bediener - eine ideale Anbindung an das automatische Beladesystem des Münchner Blisk-Kompetenzzentrums.

Kompetenzzentrum für High-Tech-Blisk-Fertigung
Das innovative Hallenkonzept erlaubt eine Fertigungssteigerung und ist dabei umweltschonend. Zum Video
Zum Jahresende 2011 stand dort der erste LKW mit einer Mikron HPM 800U vor der Halle. Sukzessive werden 24 von ihnen angeliefert, erprobt und schließlich industrialisiert. Ende 2016 soll der Maschinenpark komplett sein – und das Kompetenzzentrum voll. Mindestens bis dahin pendelt Eder zwischen Schorndorf und München und begleitet die Industrialisierung der Maschinen.
Die ersten auf ihnen produzierten Teile fliegen bereits. Das PW1100G-JM ist der Antrieb der Anfang des Jahres bei der Deutschen Lufthansa in den Liniendienst gestellten Airbus A320neo. An der CSeries von Bombardier, die im Laufe des Jahres ebenfalls in den Liniendienst gehen soll, und am Mitsubishi Regional Jet (MRJ) befinden sich Derivate des Triebwerks in der Flugerprobung. Auch die E-Jets der zweiten Generation von Embraer und die MS-21 des russischen Herstellers Irkut werden mit PW1000G-Antrieben fliegen und sind mitten in der Entwicklung.
Power-StationDie Mikron HPM 800U-Fräsmaschine von GF Machining Solutions kann für die Bearbeitung verschiedener Bauteiltypen adaptiert werden, so dass sämtliche Blisks der GTF-Triebwerke auf einer Einheit gefertigt werden können.
Fertigungslösungen leben
GF Machining Solutions ist eine von drei Divisionen des Schweizer Industriekonzerns Georg Fischer AG. Zuletzt erwirtschafteten die rund 3.000 Mitarbeiter dieser Division an 50 Standorten einen Jahresumsatz von etwa 900 Millionen Euro. Sich selbst bezeichnet das Unternehmen als weltweit führenden Anbieter von Maschinen, Automatisierungslösungen und Serviceleistungen für den Formen- und Werkzeugbau sowie für die Fertigung von Präzisionsteilen.
Die Schweizer entwickeln und produzieren die dafür nötigen Elektroerosions-, Hochgeschwindigkeits- und Hochleistungsfräsmaschinen sowie 3D-Lasermaschinen für Oberflächenstrukturierungen. Dazu liefern sie alles, was für den Betrieb der Anlagen benötigt wird: Ersatz- und Verschleißteile, Verbrauchsmaterialien wie Drähte, Elektroden sowie Filter und Graphit. Und eben Automationslösungen. „Dabei tragen wir den Begriff ‚Solutions‘ nicht nur im Namen, sondern leben diese Lösungen Tag für Tag“, sagt Geschäftsführer Heiko Benz. „Wir verstehen uns nicht nur als Maschinenlieferant. Der Lösungsansatz steht im Vordergrund.“
Damit haben es die Schweizer in der Fertigungsindustrie bei so ziemlich jedem in die Hallen geschafft, der Rang und Namen hat. Beim BMW Werkzeug- und Formenbau etwa sind seit Anfang 2012 zwei ihrer Fräsbearbeitungszentren im Dauereinsatz. Ausgestattet mit Palettenmagazinen, Werkzeugwechslern und Nullpunkt-Spannsystemen gliedern sie nicht produktive Prozesse wie Rüst- und Spannvorgänge oder die Werkzeugeinstellung aus der Hauptzeit in parallele Einheiten aus. Das Balinger Familienunternehmen Otto Klumpp GmbH, das Spritzgussartikel aus Kunststoff und Spritzgusswerkzeuge vertreibt, nahm unlängst eine vollautomatische und autonome Linearzelle in Betrieb. Ein Linearroboter verbindet in ihr eine Fräs- mit einer Erodiermaschine. Die Steuerung übernimmt eine gemeinsame „CellManager“-Software. Das Unternehmen fährt die Anlage im Dreischichtbetrieb; zwei Schichten davon bedienerlos.
Längst geht es bei GF Machining Solutions nicht mehr nur um die bloße Produktion von Maschinen. „Der Anspruch ist, innovativer Vorreiter zu sein“, sagt Geschäftsführer Benz. Zum Beispiel bei der Funkenerosion. Mit dem Verfahren lassen sich leitfähige Werkstoffe beliebiger Härte und mit höchster Oberflächengüte bearbeiten.
Gerade lanciert GF Machining Solutions mit dem System „rConnect“ eine zentrale Kommunikationsplattform für Fräsen, Funkenerodierung und Lasertexturierung. Dahinter verbirgt sich ein Remote-Analysesystem für die Werkzeugmaschinenindustrie. Herstellern ermöglicht es eine autorisierte Fernassistenz durch die jeweiligen Standorte der GF-Division. „Smart Factory“, „Industrie 4.0“ und die Minimierung von Stillstandzeiten sind die Stichworte. Natürlich auch hier wieder maßgeblich: ein möglichst hohes Level der Individualisierung.
Spezifische Anforderungen benötigen spezifische Maschinen
Bei der MTU Aero Engines betrifft sie nicht nur die nahtlose Integration von Maschinen und Beladungssystem. „In der Luftfahrt sind die Anforderungen an die Dokumentation der einzelnen Fertigungsschritte extrem hoch“, erklärt Key Account-Manager Eder. Gleiches gelte für die Sicherheitsanforderungen und die Laufzeiten der Maschinen. Bis auf die letzte Minute seien sie praktisch ausgelastet. „Wir haben eine Laufzeit von 6.000 Arbeitsstunden pro Maschine und Jahr vereinbart“, das entspricht 250 Tagen Dauerbetrieb. „Dieses Versprechen haben wir eingelöst.“